Franz Kafkas
•
Parabel • "Gibs
auf" hat etliche Literaturwissenschaftler zu Interpretationen angeregt,
die den Text mit unterschiedlichen Methoden analysiert und interpretiert
haben.
Dabei hat die offene Form dieser und anderer
derartiger Erzählungen, die Kafka immer wieder meisterhaft unter Beweis
stellte (vgl. Politzer 1978),
auch ganz unterschiedliche Sichtweisen bzw. Deutungsperspektiven auf den
Text gebracht, z. B.
• biografische, •
psychologische bzw. psychoanalytische, •
religiöse und
existenzialistische,
sozialgeschichtliche, • ideologisch fundierte
und •
werkimmanente
Interpretationsansätze. Ein Ende ist nicht
abzusehen, versuchen sich doch immer wieder andere
Interpret*innen an diesem Werk des Dichters.
Dabei zeigt sich auch, dass
die literaturwissenschaftliche Kafka-Forschung und ihre "Theorieavantgarde"
(Engel 2010,
S.424) sich immer wieder bemüht, mehr oder wenige klare Trennlinien
zwischen der eigenen Deutung und den "anderen", oft als überholt dargestellten
Deutungsvarianten, zu ziehen. Im Allgemeinen jedoch ist heute das • "Gespenst
der so genannten richtigen Interpretation" (Steinmetz 1995,
S.476) aus dem literaturwissenschaftlichen Diskurs verschwunden.
Daher
hat sich auch im Hinblick auf
•
Franz Kafkas
•
Parabel • "Gibs
auf" ein "bewusst praktizierter Methodenpluralismus und ein
›synthetisches Interpretieren‹ (Jost Hermand)" (Becker/Hummel/Sander
22018, S.192) etabliert und die •
verschiedenen Werkzugänge zu Kafkas Texten können heute
in einer Art friedlicher Koexistenz
nebeneinander stehen und jedem die Deutungsvielfalt seiner Werke aufzeigen. Wer mit ihnen und ihren jeweiligen Prämissen
vertraut ist, wird sie, entsprechendes Wissen über die sie stützenden
Kontexte, über die "alle Textdeutungen über Kontexte
ausgeführt" (Steinmetz 1995, S.482)
werden, vorausgesetzt, ohne allzu große Probleme auch auf diese Parabel
anwenden können.
Im • Literaturunterricht der
Schule können dabei eine Reihe verschiedener •
kognitiv-analytischer Zugänge zu Kafkas Texten gewählt werden, die unter
ihren jeweiligen didaktischen Vorzeichen mehr oder weniger stark an den •
verschiedenen wissenschaftlichen
Interpretationsansätzen und Lesarten Werkzugänge orientiert sind.

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Der • existenzialistische oder existenzphilosophische
Interpretationsansatz hat bis in die 1950er Jahre die wissenschaftliche
Kafka-Interpretation maßgeblich geprägt, ist aber, wie
Manfred Engel
(2010, S.422) betont, "heute [...] gründlich aus der Mode
gekommen." Dennoch: Der »Existenzialismus
(auch: Existentialismus) ist eine der
wichtigsten und einflussreichsten philosophischen Strömungen des 20.
Jahrhunderts.
Die
Parabel verdeutlicht in einer
existenziellen
Deutungsperspektive die "kosmologische Obdachlosigkeit" (Yun
Mi Kim 2012, S.22) des "modernen" Menschen. Sie hinterfragt zwar
die Wirklichkeit, liefert aber keine Antworten auf die Probleme des
alltäglichen Lebens und auf existenzielle Fragen.
Sie stellt zwar
auf ihre Weise die Frage nach dem Sinn des Lebens, hat darauf aber
keine Antwort. Was früher geglaubt, nach welchen Prinzipien
gehandelt oder das Leben eingerichtet wurde und auf welche Weise
gesellschaftlicher Zusammenhalt geschaffen wurde, ist zusehend
erodiert, ohne dass diese "Sinnreservoire" sich mit neuen, irgendwie
gesellschaftliche Verbindlichkeit schaffenden neuen Inhalten wieder
aufgefüllt wurden.
Die •
(atheistische) existentialistische Interpretation von Kafkas "Gibs
auf" thematisiert, existenzialistisch gesehen, die aus diesen
gesellschaftlichen Prozessen entstehende "kosmologische Obdachlosigkeit"
(Yun
Mi Kim 2012, S.22) des "modernen" Menschen und die
daraus resultierende
prinzipielle Unsicherheit menschlicher Existenz. Was er auch immer
anstrebt, um sich daraus zu befreien ist, aussichtslos und jede Hoffnung
darauf, dass ihm irgendetwas anderes oder irgendein anderer ihm den Weg
zu einem sinnerfüllten Leben weisen kann, zielt ins Leere.

In einer
soziologischen Perspektive könnte der Text als eine Parabel über die
menschliche Ohnmacht in einer bürokratischen oder autoritären
Gesellschaft verstanden werden.
-
Kernaussage: Die
Figur steht symbolisch für den Menschen in einem übermächtigen,
unverständlichen System. Der Befehl "Gibs auf!" könnte als
Ausdruck einer totalitären Macht verstanden werden, die den
Menschen in Resignation und Passivität drängt.
-
Bezug zu Max
Weber: Die unerreichbare Bürokratie wird hier zum Symbol für die
Entfremdung des Individuums in modernen Gesellschaften.
Dekonstruktivistische
Ansätze (Derrida, Foucault) betonen die Mehrdeutigkeit und das Spiel
mit Sinn und Bedeutung im Text.
-
Kernaussage: Der
Text zeigt, dass Sprache nie eine eindeutige Bedeutung hat. Der
Befehl "Gibs auf!" kann sowohl als Aufforderung zum Scheitern
als auch zur Befreiung von unnötigen Erwartungen verstanden
werden.
-
Bezug zu Derrida:
Die Suche nach Sinn ist endlos, weil Bedeutung in der Sprache
immer instabil ist. Der Text selbst „gibt auf“, einen klaren
Sinn zu liefern.
Formalistinnen und Strukturalistinnen interessieren sich für die
Struktur und Sprache des Textes.
- Kernaussage: Die Kürze und Prägnanz des Textes sowie die
dialogische Struktur sind entscheidend. Der Text besteht aus
einer rätselhaften Frage und einer ebenso rätselhaften Antwort.
- Bezug zu Roman Jakobson: Der Fokus liegt auf den
sprachlichen Mustern und rhetorischen Figuren im Text. Die
Wiederholung von „unerreichbar“ betont die Vergeblichkeit der
Suche.
Manche Interpretationen sehen "Gibs auf!" als eine Parabel über
das Schreiben selbst.
- Kernaussage: Kafka reflektiert in der Parabel die eigene
Schreibkrise. Der Befehl "Gibs auf!" könnte als innerer Konflikt
des Autors interpretiert werden, der an seiner eigenen
Sprachlosigkeit oder Unfähigkeit zur Kommunikation verzweifelt.

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•
KI: Welche
literaturwissenschaftlichen Interpretationsansätze gibt es für Franz Kafkas Text "Gibs
auf!"?