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Kafka als Erzähler

Innovative Erzählweise

Franz Kafka (1883-1924)

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur
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Franz Kafkas Poetik der Reduktion von Sprache, Erzählhaltung und erzähltechnischen Mitteln führt auch dazu, dass er bestimmte Muster des Erzählens modifiziert und variiert oder sie durch innovative Formen ersetzt.

So bricht er nicht nur mit traditionellen Darstellungsformen, sondern entwickelt auch einen eigenständigen Stil bzw. eine besondere Erzählweise. Seine Beschränkung auf den figuralen Erzählmodus ist dabei die wichtige formale Innovation, die es ihm ermöglicht, die innere Welt seiner Figuren auf intensive und unmittelbare Weise darzustellen.

Im Kontext der literarischen Moderne lässt sich seine innovative Erzählweise unter vier Aspekten betrachten:

1. Reduktion und Innovation

Kafka reduziert traditionelle Darstellungselemente und etabliert alternative Formen. Er verzichtet auf ausführliche Beschreibungen, Einmischungen des Erzählers und eindeutige Deutungen. Stattdessen konzentriert er sich auf die innere Welt seiner Figuren und erzeugt dadurch eine Atmosphäre der Ungewissheit und des Unbehagens. Dies führt bei der Textrezeption auch dazu,  dass die Leserinnen und Leser zahlreiche Leerstellen vorfinden, die sie selbst füllen müssen, um ein kohärentes Textverständnis entwickeln zu können.

2. Krise der Repräsentation

Kafka teilt mit den Vertreter*innen der klassischen Moderne die Suche nach neuen Ausdrucksformen im Angesicht einer "generellen Krise der Repräsentation". Die traditionellen literarischen Mittel und Formen erscheinen ihnen unzulänglich, um die komplexen Erfahrungen der Moderne mit ihren Krisen und Krisenerfahrungen (Industrialisierung, Krieg, soziale Umbrüche) abzubilden. Kafka reagiert darauf u. a. mit seiner • Poetik der Reduktion von Sprache, Erzählhaltung und erzähltechnischen Mitteln und sowie einer Fokussierung auf die subjektive Wahrnehmung seiner Protagonisten,

Denn gegen die Verdinglichung der Formen als Tendenz des Epigonentums im 19. Jahr­ hundert setzt die gesamte Klassische Moderne einen ganz anders gearteten Willen zur Form, der letztlich auf die Individualisierung der Formen hinausläuft.

3. Individualisierung der Form

Kafka lässt sich keiner spezifischen literarischen Strömung, auch nicht dem »Expressionismus (1905.1925), zuordnen, aber er teilt mit der Klassischen Moderne "einen ganz anders gearteten Willen zur Form". (Oschmann 2010, S.441) Dieser Wille zielt vor allem auf eine Individualisierung der Formen, die jedem Autor den Spielraum zur Entwicklung seines eigenen, unverwechselbaren Stils lässt.

4. Figuraler Erzählmodus

Kafkas dominanter Erzählmodus ist klar definiert und ist gekennzeichnet durch die Beschränkung auf die Perspektive der seiner Protagonisten. Der Leser nimmt die Welt aus deren subjektiver Sicht wahr und bleibt, was andere Figuren angeht, auf die Außensicht beschränkt,. Mit dieser Technik kann Kafka die innere Welt seiner Figuren intensiv auszuleuchten und eine Atmosphäre der Unmittelbarkeit zu schaffen. Obwohl diese Technik nicht völlig neu ist (z. B. »Jane Austen (175-1815), »Gustave Flaubert (1821-1880), »Henry James (1843-1916)), hat Kafka sie auf eigene Art und Weise weiterentwickelt.

(vgl. Oschmann 2010, S.441)

Weitere typische erzähltechnische Mittel Kafkas

Neben den oben aufgeführten Elementen einer innovativen Erzählweise weisen seine Erzählungen aber auch noch weitere typische Erzähltechniken auf (vgl. ebd.)

  • Uneigentlichkeit und Ironie
    Kafka nutzt verschiedene Formen des uneigentlichen Sprechens, verwendet Ironie, um die Diskrepanz zwischen Schein und Sein, Erwartung und Realität aufzuzeigen. Oft wird eine Situation oder Aussage ins Lächerliche gezogen, um die Absurdität der dargestellten Welt zu verdeutlichen

  • Fokus auf das Kleine und Nebensächliche
    Kafka lenkt die Aufmerksamkeit auf scheinbar unwichtige Details und beiläufige Beobachtungen. Dadurch entsteht eine besondere Atmosphäre der Unsicherheit und des Unbehagens, da der Leser die Bedeutung dieser Details oft nicht eindeutig erfassen kann.

  • Entwirklichung und Relativierung
    Immer wieder sorgt er für eine  "außerordentliche Komplexitätssteigerung" ( ebd.) der Darstellung, indem er Aussagen auf irgendeine Art und Weise entwirklicht oder relativiert. Dies trägt zu den immer wieder beklagten Interpretationsschwierigkeiten von Kafkas Texten bei.

  • Wort- und satzstilistische Besonderheiten

Je nach Wirkungsintention setzt Kafka unterschiedliche • wort- und • satzstilistische Mittel ein. Dazu zählen vor allem die Aneinanderreihung von Hauptsätzen (Parataxen), aber ebenso komplexe, lange und ineinander verschachtelte Sätze mit zahlreichen Nebensätzen und Einschüben. Häufig verwendet er auch so genannte Konjunktivketten, also Sätze, deren Prädikate im • Modus des Konjunktivs • aneinandergereiht werden und Als-ob-Konstruktionen. Hinzukommen kann dabei noch ein Perspektivenwechsel innerhalb von Sätzen, die einem kohärenten Textverständnis beim Lesen immer wieder als •"Stolpersteine" im Weg liegen können.

  • Semantische Verschiebungen und narrative Selbstkorrekturen

Wie die Perspektive kann sich auch die Bedeutung von Wörtern und Begriffen im Laufe der Erzählung verschieben. Solche "semantische(n) Verschiebungen und narrative(n) Selbstkorrekturen [... ] (erwecken) zwar den Anschein der Präzisierung erwecken, (treiben) Protagonist und Leser jedoch nur tiefer in die Desorientierung der Bedeutungen". (ebd.) Indem sich der Erzähler auf diese Art und Weise selbst korrigiert und neue Informationen einführt, die das bis dahin bei der Lektüre gewonnene Textverständnis in Frage stellen, muss ein Leser bzw. eine Leserin, sofern er diese Stolpersteine wahrnimmt, im Zuge der • Bottom-up- und Top-Down-Verarbeitung beim Lesen zur • Sinnkonstruktion immer wieder aufs Neue Inferenzen zwischen den Textelementen und seinem eigenen Wissen herstellen. Die daraus folgende Dynamik steht dabei einer vereindeutigenden Sinnkonstruktion durch einen Leser bzw. einer Leserin entgegen.

  • Handlungsumschwünge und Funktionswechsel

Die Handlung kann plötzlich eine unerwartete Wendung nehmen. Die Funktion von Gegenständen oder Figuren kann sich verändern. Dies hält den Leser in Atem und verstärkt das Gefühl der Unvorhersehbarkeit.

  • Scheinbare Inkonsistenzen des Erzählers

Der Erzähler kann sich widersprechen oder Informationen zurückhalten. Dies lässt den Leser an der Zuverlässigkeit des Erzählers zweifeln und trägt zur Ungewissheit der Interpretation bei.

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 21.01.2025

 
 

 
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