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Baustein:
Einen Zugang zu Kafkas Parabeln finden:
Dass einem diese Texte "schräg" vorkommen, ist ganz normal ...
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Die Bedeutung des Schreibens für Franz Kafka
• Kafka als Erzähler
Die Verständnisschwierigkeiten bei der Rezeption von
Texten Franz Kafkas hängt wohl häufig mit seiner
anti-realistischen Erzählweise zusammen (vgl.
Engel 2010,
S.412), die aber nicht untypisch für literarische Texte der
Moderne ist.
So "(widersprechen) Kafkas fiktionale Welten", wie
Engel (2010,
S.412) betont, "unserem Weltwissen", da in ihnen
Ereignisse
stattfänden, die unmöglich seien und Wesen aufträten, die es nicht
geben könne. Zwar seien uns solche Abweichungen von der Realität
auch aus phantastischen Texten schon bekannt, doch werde im
Gegensatz zu diesen der Gegensatz zwischen der phantastischen und
der realen Welt bei Kafka eben nicht erörtert.
Ein
weiteres Element seiner antirealistischen Schreibweise sei das "Fehlen
psychologischer Handlungsmotivationen"
(ebd.).
Seine Figuren seien in der Regel wenig individualisiert, und wirkten
"eher als typenhafte »flache« Charaktere (»flat
characters«). Trotzdem seien uns viele ihrer
Handlungsmotivationen wie etwa das Streben nach Macht und
Karriereerfolg, die Triebhaftigkeit oder der "Ordnungs-
und Reinlichkeitsfanatismus Josef K.s" in seinem Romanfragment •
"Der Prozess" durchaus
bekannt. Allerdings gäbe es auch viele Handlungsweisen von Figuren,
die wir uns nicht erklären könnten.
Anti-realistisch sei auch, "dass in Kafkas fiktionalen Welten die
Innen-/Außenwelt-Grenze auf seltsame Weise instabil"
(ebd.)
geworden sei. Zudem sei, wie in zahlreichen anderen modernen
literarischen Texten die Handlung nicht mehr vor allem durch
temporal-kausale Verknüpfung gekennzeichnet, wie es dem
"lebensweltlich tiefverankerten Sinngebungsverfahrens
»Geschichten-Erzählen»"
(ebd.)
entspreche.
Ausdruck des deutlich reduzierten realistischen Erzählgestus Franz
Kafkas sei auch die Tatsache, dass seine Texte "nicht sonderlich
beschreibungsintensiv "
(ebd.)
seien. Es gibt also wenige Details, denen man auf gewohnten Wegen
plausible Aspekte zur Figurencharakterisierung abgewinnen kann. Wenn
solche Details dennoch verwendet werden, fungierten sie, so Engel
weiter, als eine Art
"Deutungsprovokation"
(ebd.,
S.415), die die Frage aufwerfe, ob sie eine symbolische Bedeutung
hätten. So betrachtet können sie im Kontext anderer Signale auch die
Funktion von •
impliziten Transfersignalen übernehmen.
Es kann aber auch sein, dass "Teile des Textes im Text selbst
interpretiert (werden), und zwar tatsächlich so, dass diese
Deutungsakte auch gleich wieder in Frage gestellt werden."
(ebd.,
S.416) Dieses Phänomen, das als Autoreflexivität bezeichnet wird,
lässt sich bei einigen Texten Kafkas durchaus beobachten. Dass "eine
stete Selbstthematisierung ihrer eigenen Unverstehbarkeit"
(ebd.,
S.415) indessen nahezu alle seine Texte auszeichnet, erscheint
Engel (2010,
S.415f.) mehr als zweifelhaft. Die "Raffinesse von Kafkas
Erzählverfahren" bestehe nämlich durch die in seinen Erzähltexten
überwiegend genutzte personale Ich- oder Er-Erzählung, dennoch dem
Leser "eine klare Einsicht in die Fehlerhaftigkeit der Perspektive
der Perspektivfigur" gewähre und er mehr über diese erfahre, als sie
selbst wisse oder wissen wolle. Das verhelfe dem Leser von diesem
Standpunkt aus auch nach Gründen der Fehldeutung zu fragen, die die
Perspektivfigur als "Miss-Deuter"
(ebd.,
S.416) ihm nahe legt.
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Baustein:
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• Die Bedeutung des Schreibens für Franz Kafka
• Kafka als Erzähler
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
04.04.2025