▪ Parabeln
werden, zumindest für den Schulgebrauch, meistens in
▪ traditionelle und moderne Typen
eingeteilt.
Es
spricht manches dafür, die beiden Typen von Parabeln mit ihren
unterschiedlichen Merkmalen auch unter literaturdidaktischer
Perspektive getrennt
voneinander zu behandeln, auch wenn damit "die modernen Parabeln, wenn
sie in ihrer strukturellen Eigenart und ihrer Funktionalität zu
ihrem Recht kommen sollen, von ihrem Traditionshintergrund nicht
getrennt werden" (Billen
1982 / 2001, S.253) sollten.
Indem man dem Begriff Parabel das Attribut modern gibt,
wird auf das Verhältnis zur traditionellen Parabel und ihre Nähe zu
▪ Themen und Strukturen der modernen Literatur
abgehoben, die sich auch in der Regel in den von
•
modernen Parabeln gestalteten Themen
widerspiegeln.
Zudem wird der Begriff neben seiner "zuweilen ein wenig
modisch-modernistisch anmutenden Verwendung" (ebd.,
S.252) auch nicht mehr auf epische Kurzprosa
beschränkt. Hier freilich geht es um Parabeln als epische
Kurzprosa.
Dabei ist der Gegensatz von traditionell und modern natürlich ein
Konstrukt, das auch leicht zu Irritationen führen kann. Man versucht
mit dem Attribut modern vor allem der Tatsache Rechnung
zu tragen, dass
Parabeln wie die von ▪
Franz Kafka
(1823-1924) oder ▪ anderen Autoren
der »literarischen
Moderne
geradezu als "Gegentypus zu ihren fast zweitausend Jahre alten
Vorbildern" (Billen
1982 / 2001, S.253) fungieren.
Die ▪
Entwicklung hin zur modernen Parabel setzt allerdings schon
mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts ein, als einzelne Autoren, wie z.
B. ▪
Friedrich Hebbel
mit seiner Erzählung "▪
Die Kuh", die
Lehrhaftigkeit der traditionellen Parabel bzw. den
▪ Strukturmechanismus der Übertragung vom Bildbereich in den
Sachbereich durchbrochen und einen "Funktionswandel des
parabolischen Sprechens in Richtung auf Desillusionierung,
Irritation und Verfremdung des Vertrauten" vollzogen haben. (ebd.,
S. 274f.)
Im Übrigen hat die
moderne Parabel traditionelle Parabeln weder abgelöst oder ersetzt,
sondern beide Typen existieren weiterhin nebeneinander.
Die Parabel, sei es
die traditionelle oder die modernen, eindeutig von anderen
literarischen Formen gleichnishaften "uneigentlichen" Sprechens
eindeutig abzugrenzen, fällt selbst der Fachwissenschaft nicht
leicht. Das hat viele Gründe, die auch mit Grundfragen der
Gattungspoetik und ihrem Verständnis ▪
literarischer Gattungen
schlechthin zusammenhängen.
Und unter
▪ gattungsdidaktischer Perspektive betrachtet, öffnet sich dabei
ein weites Feld mit Fragen, die mit der Bedeutung von Gattungswissen
beim Textverstehen und bei der Erschließung von Texten zu tun haben.
Es ist zum Teil
ganz einfach so, dass die Textsortenverwandtschaft, soweit man diesen
Begriff dafür überhaupt verwenden kann, immer größer geworden ist. Die Grenzen
zu anderen Textsorten, die nicht zur engeren Verwandtschaft von
Gattungen gehören, die wie die Parabel das
uneigentliche Sprechen
praktizieren (wie z. B.
Fabel,
Gleichnis,
Beispielerzählung oder Märchen)
sind durchlässiger und fließender
geworden.
So bewegen sich z. B. die
Kurzgeschichte oder die
Novelle
und die Parabel in der modernen Literatur aufeinander zu, dass die
Gattungsgrenzen
im Einzelfall verschwinden. Das macht das Operieren mit ▪
normativ-klassifizierenden Gattungsbegriffen
und in ▪ Merkmalskatalogen
festgeschriebenen Kriterien, die am Einzelfall nachzuweisen
sind, zumindest in der modernen
Literatur, besonders aber im Umgang mit modernen Parabeln auch nicht gerade leichter.
In jedem Fall lässt sich "ein historischer und
gattungssystematischer Zusammenhang (..,) nurmehr in Form einer
Beschreibung von Familienähnlichkeiten rekonstruieren." (Zymner
2010 S.449)
Merkmallisten und
Mind Maps, die in den teachSam-Arbeitsbereichen auch für die ▪
traditionellen und ▪
modernen Parabeln angeboten werden,
erheben daher nie einen normativen und immer wirklich distinktiven
Anspruch der zusammengestellten Merkmalsaspekte, sondern
sollen lediglich zur Orientierung dienen, von der auf verschiedene
Art und Weise Gebrauch gemacht werden kann.
Statt Merkmale
nachzuweisen, misst man, im Literaturunterricht jedenfalls, einzelne
moderne Parabeln am besten an
Prototypen, die
über eine Vielzahl von Merkmalen verfügen, die andere Vertreter der
Gattung mal mehr oder
weniger oder in einer Vermischung mit denen anderer
Textsorten aufweisen. Dies gilt vor allem für Schreibaufgaben zur
Textinterpretation, die im
Lern- oder im
Übungsraum
dargeboten werden, aber auch für konversationelln Formen des Sprechens
(z. B. Literaturgespräch und andere Formen der
Anschlusskommunikation) über die Texte im Unterricht.
Ob und inwieweit es
zwingend für das ohnehin schwierige Verstehen moderner Parabeln, sie
bei ihrer Analyse von der traditionellen Parabel, ihren Strukturen
und historischen Kontexten abzugrenzen, ist nicht einfach zu
beantworten. Wer als Leser allerdings über entsprechendes
Gattungswissen verfügt, kann unter Umständen
strukturelle Fremdheitserfahrungen, die sich bei der Rezeption
moderner Parabeln oft einstellen, leichter überwinden und damit u.
U. auch einen Zugang zu Texten finden, die ihm ansonsten als
so sperrig, zu verwirrend und "doof" vorkommen können, dass er ihnen
am liebsten aus dem Weg geht oder "Stolpersteine" einfach überliest.
Zu den Bereichen,
in denen sich moderne von traditionellen Parabeln unterscheiden
gehören: