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teachSam-YouTube Playlist: Franz Kafka "Gibs auf"
Die • Parabel • "Gibs
auf!" aus dem Jahr 1922 wurde von • Franz Kafka
eigentlich mit dem Titel "Ein Kommentar" versehen. Der Titel, unter dem
sie veröffentlicht wurde, stammt von seinem Herausgeber •
Max
Brod (1884-1968), der den Text, ebenso wie die "▪
Kleine Fabel", als
eigenständigen Text betrachtet und veröffentlicht hat. (vgl.
Müller 1994/2003a,
S.373)
Dass "Gibs auf" zu einem "beliebte(n) Anthologiestück für Schulbücher" (Engel
2010a, S.361) werden konnte, hat •
unterschiedliche Gründe. Nichtzuletzt liegt es daran, dass der Text
etliche typische Grundelemente der •
Parabeldichtungen Kafkas und etliche •
allgemeine Merkmale der •
modernen Parabel
aufweist.
In einer •
Tagebuchnotiz vom 13. Februar 1914 nimmt Kafka eine Konstellation
vorweg, die er 1923 selbst erlebt. Im Dezember 1922 hat er die Notiz in
seiner Parabel verarbeitet. (vgl.
Alt
2005/22008, S.638)
Während die Tagebuchnotiz aus dem Jahr 1914 irgendwie Zuversicht und
Zielstrebigkeit ausstrahlt (Schlingmann
1995, S.143), • "bei
ihrem Haus" anzukommen, ist von dieser erst am Ende der Notiz
irgendwie vom weiteren •
rhizom-artigen
Traumverlauf, bei dem die Einzelheiten wieder durcheinander purzeln
(vgl.
Hiebel 2008,
S. 457), aufgelösten Einstellung, die das Ich selbst überrascht hat,
nicht mehr viel zu spüren. In gewisser Weise ist dieser über weite
Strecken optimistisch wirkende Traum mit seinem • "leutseligen
rotnasigen alten Schutzmann, der in einer Art Dieneruniform diesmal
steckt", ein "Gegentext" (Schlingmann
1995, S.143) zu dem etliche Jahre später verfassten Text von "Gibs auf".
Es spricht viel dafür, dass, auch wenn Kafka den Traum in Prag
niedergeschrieben hat, mit "ihrem
Haus", das der Eltern von »Felice
Bauer (1887-1960) gemeint, ist die er in den Jahren 1913/14 mehrfach
in Berlin besuchte, um sich u. a. mit ihr zu verloben oder zu entloben.
1923 plant der schwerstkranke Kafka, nicht zuletzt aufgrund der
wachsenden Emigrationsbewegung, erneut eine Palästina-Reise. Sein erster
Plan einer Palästina-Tour mit »Felice
Bauer (1887-1960), die er • 1912
mit ihr verabredet und im darauf folgenden Jahr durchzuführen
beabsichtigt hatte, war wegen der Einwände, die ihre Eltern dagegen erhoben
hatten, gescheitert. Trotzdem hat Kafka, die mit Felice auch
besprochene Idee, nach Palästina auszuwandern, wohl nie aus dem Kopf
bekommen.
Für Peter-André
Alt
(2005/22008, S.638), der von einer •
Dominanz des biografischen und
individualpsycholgischen Codes ausgeht, gestaltet Kafka jedenfalls
in seiner • Parabel • "Gibs
auf!" "jene angstbesetzte Situation, die er sich ausmalt, nachdem er
verstanden hat", dass er auf die zunächst
• zugesagte Hilfe seines Freundes aus Grundschultagen, »Samuel Hugo Bergmann
(1883-1975), 1923 doch noch mit der in »chassidischer
Tradition erzogenen und aus Polen stammenden Kinderhelferin »Dora
Diamant (1898-1952) in das seit 1920 unter »britischer
Mandatshoheit stehende Palästina auszuwandern, nicht hoffen kann.
Er werde, so ahne er, zu spät an einem Bahnhof ankommen, von dem er
nicht wisse, wo er sich genau befinde, und müsse dabei ohne Hilfe von
Familienmitgliedern und Freunden auskommen. Diejenigen, die als Ratgeber
in Frage kommen könnten, wendeten sich, so Alt weiter, "von dem, der
verzweifelt sein Ziel sucht, mit einem Lachen ab, weil sie ihren eigenen
Weg längst gefunden haben. In der düsteren Formel ›Gibs auf‹ offenbart
sich der Angsttraum des Zurückgelassenen, für den Palästina nicht nur
das gelobte, sondern auch das unerreichbare Land bleiben wird." (ebd.)
• Stereotype Deutungsansätze vs.
Analyse von Codes
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
24.03.2025