Franz Kafkas kurzes Prosastück " "Gibs
auf!" gehört zu den Texten, die in der Literaturwissenschaft
wohl • unstrittig als •
moderne
Parabeln angesehen werden. (vgl. Zymner
(2010, S.456)
Seine
•
Parabeln
wirken oft in besonderer Weise verrätselt und lösen bei ihren
Rezipientinnen und Rezipienten damit •
unterschiedliche Erfahrungen von Fremdheit aus.
"Der neue Advokat" kann, von
ihrem Typ her betrachtet, auch als "Entdeckungsparabel" (Zymner
1991, S.272) bezeichnet werden, die darauf zielt "eine selbständige
Deutung herauszufordern, ohne jedoch den Transfer auf einen Bereich zu
lenken, der einem bestimmten religiösen Traditionszusammenhang
angehört." (Zymner 2010, S.456).
Dass es sich um eine Parabel handelt, die zur Spurensuche nach einem
über den Text hinausgehenden Sinn auffordert, wird auch in dieser
Parabel nicht durch •
explizite
Transfersignale markiert.
Die • Parabel • "Gibs
auf!" aus dem Jahr 1922 wurde von • Franz Kafka
eigentlich mit dem Titel "Ein Kommentar" versehen. Der Titel, unter dem
sie veröffentlicht wurde, stammt von seinem Herausgeber •
Max
Brod (1884-1968), der den Text, ebenso wie die "Keine Fabel" als
eigenständige Texte betrachtet und veröffentlicht hat. (vgl.
Müller 1994/2003a,
S.373)
Diesem Umstand und der Tatsache, dass der Text offenbar besonders gut
geeignet ist," in Kafkas Schreiben (und besonders in seine
Parabeldichtungen) einzuführen" (Engel
(2010a, S.361) haben ihm wohl jenen Weg in die Schulbücher geebnet,
die "Gibs auf!" zu einem der bekanntesten Miniaturen Kafkas gemacht hat.
Und auch beim • Zugang über schon
vorhandenes Gattungswissen fungiert er neben anderen Parabeln als
Prototyp im an
der
Prototypendidaktik orientierten •
Literaturunterricht der
Sekundarstufe II.

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Dass "Gibs auf" zu einem "beliebte(n) Anthologiestück für Schulbücher" (ebd.)
werden konnte, hat unterschiedliche Gründe. Nichtzuletzt liegt es daran,
dass er etliche typische Grundelemente der Parabeldichtungen Kafkas und
etliche •
allgemeine Merkmale der •
modernen Parabel
aufweist.
Engel
(2010a, S.361) zählt dazu: "die Beschränkung auf den Wissenshorizont
des erlebenden Ich im
personalen Erzählen; einen Beginn mit einer nur
grob umrissenen, aber leicht nachvollziehbaren Ausgangssituation [...];
ein plötzliches Desorientierungserlebnis, das die Alltagsroutine ins
Stocken bringt [...]; ein ebenso plötzliches Durchbrechen der uns
vertrauten Realität [...]; einen
offenen Schluss, verbunden mit einer
zutiefst rätselhaften Geste."
Ebenso prototypisch, so Engel sinngemäß weiter, ist auch die
Vieldeutigkeit des Textes. Sie entsteht aus der "Kombination von abstrakter
Modellsituation" und der die Sinnkonstruktion und "Deutungsarbeit"
provozierenden ›Leerstelle‹, die als
implizites Transfersignal
gelesen
und aufgefasst werden kann: "das Zusammentreffen von ›normalem‹
Verhalten des Ich-Erzählers und unerklärbarem und erwartungswidrigen
Verhalten des ›Schutzmanns‹" (ebd.), der sich als alles andere entpuppt, als eine Instanz, die dem nach dem
Weg Suchenden Halt, Orientierung und Schutz gibt.
Aus all diesen und weiteren Gründen ist "Gibs auf!" auch zum
Exerzierplatz für die gemeinhin üblichen "stereotypen Deutungsvarianten"
(ebd.)
geworden, die schon von »Heinz
Politzer (1910-1984)
(1962,
1977)
durchgespielt worden sind, z. B. • der historisch-biografische, der
psychologische und der religiöse Ansatz. Diese Varianten,
die auch • mit Künstlicher Intelligenz (KI)
darstellbar sind,
sind inzwischen um weitere ergänzt worden, wie z. B. die
sozialgeschichtliche an
»Michel Foucault
(1926.1984) orientierte Interpretation, die den Schutzmann als
Vertreter sozialer Autoritäten bzw. der ›Macht‹ betrachtet oder auch
die •
antihermeneutisch
positionierte »poststrukturalistische
bzw. »dekonstruktivistische
Sicht im Anschluss an »Jacques
Derrida (1930-2004), »Julia
Kristeva (geb. 1941) u. a., die "Gibs auf!" als "selbstreflexives Verdikt über jeden
Deutungsversuch" versteht, " der an der »›differance‹
scheitern muss." (ebd.,
S.361f.)