teachSam- Arbeitsbereiche:
Arbeitstechniken - Deutsch - Geschichte - Politik - Pädagogik - PsychologieMedien - Methodik und Didaktik - Projekte - So navigiert man auf teachSam - So sucht man auf teachSam - teachSam braucht Werbung


deu.jpg (1524 Byte)

 

Parabeln

Überblick

Franz Kafka Kurze Erzählungen (Epische Kleinformen)

 
FAChbereich Deutsch
Center-Map Glossar Literatur
Literarische Gattungen Erzählende Texte Parabel Autorinnen und Autoren Franz Kafka Überblick Biografischer Überblick Brief an den Vater Kurze Erzählungen (Epische Kleinformen) Überblick [ Parabeln Didaktische und methodische Aspekte Überblick Aspekte der Erzähltextanalyse Auf der Galerie Der AufbruchDer Geier Der neue Advokat Der Schlag ans Hoftor Der Steuermann Die Brücke Die Prüfung Ein altes Blatt Eine kaiserliche Botschaft   Ein Hungerkünstler Ein Landarzt Gibs auf HeimkehrIn der Strafkolonie Kleine Fabel Vor dem Gesetz Bausteine ] Andere kurze Erzählungen Längere Erzählungen Romane und Romanfragmente Links ins Internet   Schulische Interpretation einer Parabel Schreibformen Operatoren im Fach Deutsch

 

•  Ausgewählte Zugänge zu Franz Kafkas Parabeln
Baustein: Einen Zugang zu Kafkas Parabeln finden:
Dass einem diese Texte "schräg" vorkommen, ist ganz normal ...

▪ Kohärenzbildung über mentale Modelle, kognitive Schemata und literarische Konventionen (Gattungen)

Franz KafkasParabeln gehören zu den Prosastücken des Autors, die im • Literaturunterricht der Sekundarstufe II einen festen Platz haben. Auch wenn es in der Forschung keinen Konsens darüber gibt, welche Texte Kafkas genau zur Gattung der Parabel zu zählen sind: Vierzehn Texte gibt es, über die offenbar nicht mehr wegen ihrer Gattungszugehörigkeit gestritten wird. Von den hier im Arbeitsbereich aufgeführten Texten zählen dazu nach der Auflistung von Zymner (2010, S.456): Der neue Advokat, ▪ Der Schlag ans Hoftor Der Aufbruch, Der Geier, Der Schlag ans Hoftor,•  Die Prüfung, Ein altes Blatt, • Eine kaiserliche Botschaft, Ein Hungerkünstler, Ein Landarzt, Der Steuermann, Die Brücke,Gibs auf und Vor dem Gesetz. Das bedeutet allerdings nicht, dass etliche andere kurze Prosastücke Kafkas nicht als Parabeln aufgefasst werden können und sich einer parabolischen Deutung entziehen.

Kafkas Parabeln sind • moderne Parabeln, deren ▪ Entwicklung schon mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts einsetzt, als einzelne Autoren, wie z. B. Friedrich Hebbel mit seiner Erzählung " Die Kuh", die Lehrhaftigkeit der traditionellen Parabel bzw. den ▪ Strukturmechanismus der Übertragung vom Bildbereich in den Sachbereich durchbrochen und einen "Funktionswandel des parabolischen Sprechens in Richtung auf Desillusionierung, Irritation und Verfremdung des Vertrauten" vollzogen haben. (Billen 1982 / 2001 S.274f.)

Allerdings weisen die Parabeln vor Kafka "in aller Regel einen rein personalen oder einen außenperspektivischen Erzählstandpunkt auf" (Zymner 2010, S.457), bei dem die Parabel-Geschichte von einer distanzierten Mittlerfigur oder einem personalen Medium dargeboten wird.

Bei Kafkas Parabeln ist dies hingegen oft anders. Mit der Einführung eines reflektierenden Ichs in die Gattung ist seine Parabel, gattungsgeschichtlich gesehen, "eine technische Innovation, die eine Erweiterung der Möglichkeiten des Parabeltypus mit • implizitem Transfersignal darstellt." (ebd.) Dieser  innenperspektivische Ich-Reflektor bietet die Vorgänge so dar, "dass der Leser scheinbar unmittelbar Kenntnis von Vorgängen und Reaktionen erhält, die im Bewusstsein der Reflektor-Figur eingefangen werden" (ebd.).

Nicht nur das macht Kafka zu einem "Klassiker" (Zymner 2010, S.456) der modernen Parabel. Hinzukommt, dass er didaktische Funktion der • traditionellen Parabel (Prototyp:• Gotthold Ephraim Lessings (1729-1781) " Ringparabel") aufgibt und die Erzähler und Leser-Beziehung grundlegend verändert. Ferner gestaltet er in seinen Parabeln auch andere Themen.

Seine Parabeln wirken oft in besonderer Weise verrätselt und lösen bei ihren Rezipientinnen und Rezipienten damit • unterschiedliche Erfahrungen von Fremdheit aus.

Von ihrem Typ her betrachtet, lassen sich Kafkas Parabeln als "Entdeckungsparabel" (Zymner 1991, S.272) bezeichnen. Diese zielt darauf, "eine selbständige Deutung herauszufordern, ohne jedoch den Transfer auf einen Bereich zu lenken, der einem bestimmten religiösen Traditionszusammenhang angehört." (Zymner 2010, S.456) Insofern unterscheiden sich seine Parabeln vom • traditionellen Typ der so genannten "Erbauungsparabel", die sich durch eine eng umgrenzte, meist religiös fundierte Richtungsbestimmung des Parabeltransfers auszeichnet. (vgl. ebd.)

Kafkas Parabeln sprechen nicht ausdrücklich davon, dass ihr eigentlicher Sinn außerhalb der Textebene zu suchen ist. Sie weisen keine • expliziten Transfersignale auf, die den Leser ausdrücklich auffordern, einen bestimmten Vergleich zu ziehen oder den Sinn des Textes in einem bestimmten außertextlichen Bereich zu konstruieren.

Dennoch kann man in vielen seiner Texte irgendwie merken, dass das Erzählte nicht das eigentlich Gemeinte ist. An irgendeiner oder an mehreren Stellen gibt es im Text, wie man bildlich sagt, "Stolpersteine", deren Sinn sich auf der Textebene allein nicht erschließt. Natürlich kann man auch darüber hinweg lesen, eine Garantie, dass ein solcher Text damit überhaupt als Parabel verstanden wird, gibt es nämlich nicht. Wer, aus welchen Gründen auch immer, nicht ins Stolpern kommt, wird sich auch nicht auf die Spurensuche nach einem über den Text hinausgehenden Sinn machen.

Im Literaturunterricht kann dies durchaus vorkommen, vor allem, wenn man es erstmals mit einer Parabel Franz Kafkas zu tun bekommt. Aber selbst in einem solchen Fall haben die Schülerinnen und Schülern gewöhnlich schon einschlägige Erfahrungen mit strukturähnlichen Texten wie Fabeln und Gleichnissen gemacht, in denen das Dargestellte nicht das Gemeinte ist. Die erste Begegnung mit einer Entdeckungsparabel Franz Kafkas ist nicht die "Stunde Null" des Umgangs mit "Uneigentlichkeit", einem etwas holprig klingenden Begriff, mit dem man in der Wissenschaft Texte und textliche Phänomene bezeichnet, die "eigentlich" etwas anderes meinen.

Die Stolpersteine, von denen bisher die Rede war, sind Signale, die die "Uneigentlichkeit" solcher Texte auf der Textebene signalisieren. Vorausgesetzt man nimmt sie überhaupt als solche wahr lösen sie eine gedankliche Suchbewegung aus, die z. B. in der Frage münden kann: Was könnte mit dem "Stolperstein" in einem übertragenen Bedeutungszusammenhang gemeint sein?

Stolpersteine dieser Art werden als Transfersignale bezeichnet. Dies sind Wörter oder Formulierungen, denen ein kompetenter Leser eine Suchanweisung entnimmt. In Kafkas Parabel handelt es sich um implizite Transfersignale. Das bedeutet, dass sie nicht ausdrücklich vorgeben, welcher Vergleich gezogen oder wo und wie der Sinn des Textes in einem bestimmten außertextlichen Bereich konstruiert werden soll. Dies bleibt völlig offen.

Wenn man allein den Text zur Gattungsdefinition heranzieht, macht das Vorhandensein impliziter Transfersignale einen Text zu einer modernen Parabel, weil sie den Leser in ihrer Funktion als Stolperstein auffordern, den eigentlichen Sinn des Textes außerhalb des Textes zu konstruieren und damit dem Text eine neue Bedeutungsrichtung zu geben. Meistens kommen dazu mehrere Textstrukturen zusammen. (vgl. Zymner 1991, S.93 f.)

Bei Kafkas Parabeln zählen bei der von ihm oft besonders stark ausgeprägten personalen Erzählsituation, "die systematische Inkohärenz in der Raum-, Zeit-, Figuren- und Handlungsgestaltung sowie die parabeltypische Kürze" (Zymner 2010, S.457) dazu.

Wohlgemerkt: Die Existenz von Transfersignalen sagt aber nichts darüber aus, in welchem textexternen Zusammenhang dem Text Bedeutung gegeben werden kann. Daher lässt sich mit ihnen angesichts der prinzipiellen Deutungsoffenheit von Parabeln auch nicht sagen, welche • Spielräume dem Leser bei seiner eigenen Sinnkonstruktion bleiben.

Sie sind zunächst nicht mehr als Aufforderungen, den Sinn des Textes jenseits der Textebene zu konstruieren, legen aber damit keineswegs fest, dass ein bestimmter Text nur eine, ihm beim jeweiligen Transfer zugewiesene Bedeutung haben kann. Solche mehr oder weniger normativen Festlegungen leiten angesichts der Sinnverweigerung, die sich bei modernen Parabeln oft schon auf lokaler Textebene, ansonsten aber auf der globalen außertextlichen Ebene zeigt, in die Irre.

Wie man als einzelner Kafkas Parabeln versteht, ist damit auch individuell sehr verschieden und von textseitigen aber auch textexternen Faktoren abhängig. Im Grunde genommen muss diese Sinnkonstruktion ihre Plausibilität ja nur in der Anschlusskommunikation, d. h. bei der Verständigung mit anderen Lesern über den Text erweisen, und auch die, das sei an dieser Stelle gesagt, ist wiederum Ergebnis unterschiedlichster Faktoren.

Für die Interpretation von Kafkas Parabeln im Literaturunterricht dürfte trotz der Bedeutung ▪ impliziter Transfersignale für die Gattung ihr Nachweis im Text eher nebensächlich sein, zumal dies selbst Literaturwissenschaftler*innen schwer fällt, weil die oben als Stolpersteine beschriebenen Erscheinungen auf Textebene oft eben nur Unebenheiten darstellen, die sich ohne all zuviel Mühe einebnen lassen.

Wie man bei der eigenen Spurensuche nach dem "tieferen" Sinn versucht, einen passenden Zugang zu einem vertiefteren Verständnis zu finden, das in der Anschlusskommunikation im Vergleich mit anderen Lesarten intersubjektiv Geltung erlangen kann, kann dabei sehr unterschiedlich sein.

Oft geht man • kognitiv-analytisch vor. Dann kommen die einen von ihrem Wissen über den Autor her, andere bevorzugen ihr Wissen um die Gattung Parabel, andere gehen den Weg über die Themen der Texte, wieder andere ziehen z. B. den historisch-sozialen oder den literaturgeschichtlichen Kontext heran und andere folgen der so genannten "Findekunst", in dem sie sich auf die Suche nach ähnlichen Texten unterschiedlicher medialer Art machen.

Dabei muss man aber auch immer berücksichtigen, dass nicht jeder Zugang oder Ansatz zur Interpretation sich gleichermaßen gut für die eigene Bedeutungskonstruktion eignet. Je mehr Erfahrung man im Umgang mit solchen Texten gewonnen hat, desto leichter fällt einem die Entscheidung zwischen den verschiedenen Zugängen.

Die Bedeutung von Gattungswissen für den Zugang zu Kafkas Parabeln

Dabei soll die Bedeutung von fundiertem Gattungswissen für ein vertiefteres Verständnis von Franz KafkasParabeln nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, zumal die kognitive Suchbewegung nach der Bedeutung dieser Texte, die von ihrer • Appellstruktur ausgeht, ein in der Schule durchaus üblicher • Zugang zu Kafkas kurzen Prosastücken darstellt.

Wir gehen nämlich bei der Rezeption von Texten mit unserer eigenen "subjektiven Theorie" vor (vgl. Köppe/Winko (2008, S.2). Man hat dies im Unterschied zu wissenschaftlichen Theorien Folk-Gattungstheorien genannt und versteht darunter einerseits subjektive, andererseits aber doch "auch mehr oder weniger sozial verfestigte Annahmen oder Wissensbestände, die die Wahrnehmung und auch der Verständnis von Gattungen bestimmen." (Zymner 2010a, S.3.)

Es handelt sich dabei um implizite Vorannahmen oder Vorurteile, mit denen jeder Leser / jede Leserin an Texte herangeht, ohne dass ihm diese bei der Rezeption zunächst einmal bewusst sind. (Köppe/Winko (2008, S.2). Anders ausgedrückt: Wir nehmen Texte durch die Brille der ▪ Gattungszuschreibung wahr und versuchen sie auf deren Grundlage kognitiv zu verarbeiten. (vgl. Zymner 2010a, S.2)

Dabei muss dieses Gattungswissen nicht unbedingt, der • merkmalorientierten "Literaturwissenschaftsdidaktik" (Köster 2015, S.60 unter Bezugnahme auf Pflugmacher 2014, S. 157f.) folgen, auch wenn es dafür, insbesondere im Literaturunterricht der Sekundarstufe II durchaus gewichtige • Argumente gibt. So wird u. a. vorgebracht, dass im Leistungsraum schulischen Lernens, vor allem in den höheren Jahrgangsstufen, bei Klausuren und Prüfungen, vor allem die wissenschaftsorientierten Ansätze dominieren, das sie "dem Erwerb einer verbindlichen Beschreibungssprache verpflichtet" sind, was nicht nur eine "rationale und transparente Verständigung ermöglicht, sondern auch zum Verfassen von Metatexten befähigt." (Köster 2015, S.60) Und auch der kompetenzorientierte Literaturunterricht sieht in der Anwendung von Merkmalskatalogen mit ihrem hohen Transferpotenzial auf Texte eine besonders ausgeprägte Form der Verbindung von Wissen und Können, das sich sich dazu auf unterschiedlichen Kompetenzniveaus formulieren lässt.

In der Praxis des Literaturunterrichts, so wie wir sie sehen, ist jedenfalls eine • "Merkmalshuberei" heute eher die Ausnahme.

Trifft man bei der Beschäftigung mit Franz KafkasParabeln erstmals auf diese Gattung bzw. den ▪ Typ der modernen Parabel, sieht die subjektive Theorie, der man bei der Sinnzuschreibung folgt, anders aus, als wenn man z. B. schon eine Reihe von ▪ Fabeln, ▪ Gleichnissen, ▪ traditionellen Parabeln und ▪ Kurzgeschichten gelesen und sich gegebenenfalls mit ihren Gattungs- bzw. Textsortenmerkmalen im schulischen Literaturunterricht vertraut gemacht hat. Wahrscheinlich ist dabei auch eine Vorstellung über die "Uneigentlichkeit" entstanden, welche die genannten Textsorten außer den Kurzgeschichten kennzeichnen.

Kann ein Text Kafkas mit dem Vorwissen, dass es sich um eine moderne Parabel handelt, analysiert werden, kann man deren ▪ Merkmale, Themen, ▪ Kennzeichen der Erzähler-Leser-Kommunikation und andere Besonderheiten, wie z. B. die typische Auflösung eines Bedeutungszusammenhangs von Bild- und Sachbereich bei der weiteren Textarbeit in den Prozess des Textverstehens einfließen lassen und dadurch u. U. einen Schlüssel für den zunächst strukturell fremd wirkenden Text finden.

Ergebnis einer auf dem Gattungswissen beruhenden Herangehensweise sollte sein, sich auf die Suche nach jenen Elementen des Textes zu machen, die eine parabolische Lesart des Textes nahe legen. Ziel dieser vom Text ausgehenden kognitiven Suchbewegung ist es, den eigentlichen Sinn von verrätselten Parabeln wie denen von Franz Kafka nicht auf der Textebene, sondern im Bezug auf Außertextliches zu suchen.

Um diese Appellstruktur eines parabolischen Textes aber überhaupt zu erkennen, muss man, da Kafkas Parabeln keine expliziten Aufforderungen dazu stellen, die Stellen in einem solchen Text wahrnehmen, die darauf hinweisen, dass etwas anderes gemeint ist, als das, was sich einem unter Umständen zunächst als Sinn der Geschichte aufdrängt. Mit dieser Vermutung, dass das Erzählte wohl nicht das Gemeinte sein soll, kann man sich auf den Weg machen, die parabolische Appellstruktur über so genannte gleichgerichtete Inkohärenzen als Transfersignale zu erschließen (vgl. Zymner 1991, Nickel-Bacon 2014).

•  Ausgewählte Zugänge zu Franz Kafkas Parabeln
Baustein: Einen Zugang zu Kafkas Parabeln finden:
Dass einem diese Texte "schräg" vorkommen, ist ganz normal ...

▪ Kohärenzbildung über mentale Modelle, kognitive Schemata und literarische Konventionen (Gattungen)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 09.10.2024

 
 

 
ARBEITSTECHNIKEN und mehr
Arbeits- und ZeitmanagementKreative ArbeitstechnikenTeamarbeit ▪ Portfolio ● Arbeit mit Bildern  Arbeit mit Texten Arbeit mit Film und VideoMündliche KommunikationVisualisierenPräsentationArbeitstechniken für das Internet Sonstige digitale Arbeitstechniken 
 

 
  Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Werk ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International License (CC-BY-SA)
Dies gilt für alle Inhalte, sofern sie nicht von
externen Quellen eingebunden werden oder anderweitig gekennzeichnet sind. Autor: Gert Egle/www.teachsam.de
-
CC-Lizenz