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Kafka als Erzähler

Kafkas Tierfiguren

Franz Kafka (1883-1924)

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur
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Fremdheitserfahrungen im Umgang mit literarischen Texten thematisieren

"Kafkas Tiere", betont Jochen Thermann (2010), in seinem Vorwort ,"sind merkwürdige Exemplare. Es sind Künstler und Philosophen, sie leben in der Erde, stehen auf der Bühne oder lauf ziellos durch die Stadt. Sie sind gewitzt, verstehen sich auszudrücken, haben Manieren und bleiben doch Tiere. So sehr der Leser auch das Menschliche in ihnen erblicken mag, drängt sich mit ihnen mächtiger noch das Tierische der menschlichen Existent auf.  Kafkas Tiergeschichten sind eine Schule der Wahrnehmung und Experiment der Vorstellungskraft."

Franz Kafka hatte als Mensch ein zwiespältiges Verhältnis zu Tieren. Er mochte Tiere durchaus, aber er hatte auch Vorbehalte. Auch sein Vegetarismus und die abwertende Darstellung von Tieren gehören irgendwie zusammen. In autobiografischen Texten kommt immer wieder zur Sprache, dass er eine Abneigung gegen Mäuse hatte, die durchaus auch mit Angst verbunden war.

In den Schriften Kafkas kommen mehr als hundert Tierfiguren vor. Vom Floh, über Mäuse bis hin zu Riesenschlangen werden die Tiere als märchenhafte und bloß imaginierte Lebewesen, als Hybridwesen oder auch als Tiere so präsentiert, wie sie in der Natur vorkommen. Die Tierfiguren Kafkas unterscheiden sich dabei von denen, die in Märchen und • Fabeln vorkommen. So zeigen sie immer wieder unterschiedliche Grundeigenschaften, sind letzten Endes durchkonstruierte Wesen, die meist Merkmale mehrerer Tierarten aufweisen. "Im Gegensatz zu den Fabeln wird in den oft extrem präzisen, quasi-naturalistischen Beschreibungen vor allem ihre Körperlichkeit und dadurch ihre Animalität akzentuiert, wobei allerdings ihr menschlicher Bezug von vornherein bemerkbar ist oder sich im Lauf der Geschichte herausbildet." (Mihály 2020, S.6)

In Kafkas Erzählungen kommen Tiere gelegentlich als Hauptfiguren und Protagonisten bzw. als Ich-Erzähler vor (z. B. der Affe Rotpeter in • Ein Bericht für eine Akademie, die anonyme Maus in • "Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse" (1924), der Hund in den »Forschungen eines Hundes (1922). Dabei können die Titel schon markieren, dass es sich um eine Tiergeschichte handelt. Es kommt aber auch vor, dass man erst bei der Lektüre einer Geschichte merkt, dass der Protagonist kein Mensch, sondern ein Tier ist.

In seinen Erzählungen gibt es anthropomorphisierte Tiere, die wie Menschen aussehen, sprechen oder sich wie Menschen verhalten. Es gibt aber auch Tiere, die als Zwitterwesen aus Teilen verschiedener Tierarten zusammensetzen wie z. B. aus einer Mischung von Katze und Lamm in •"Eine Kreuzung". Sie können aber auch aus organischen und anorganischen Elementen bestehen wie »Odradek in •"Die Sorge des Hausvaters". Dieses Wesen ist ein hölzern wirkender, mit verknoteten, bunten Fäden aufgewickelter »Zwirnstern, der auf einem seiner Zacken hochkant steht. Als stabilisierendes Bein hat er ein von der Mitte des Sterns ausgehendes Querstäbchen, dem sich im rechten Winkel ein zweites anfügt. Und sie können wie Träger von Intentionen gestaltet sein, wie die •"zwei kleine(n), weiße blaugestreifte(n) Zelluloidbälle" in der Erzählung •"Blumfeld, ein älterer Junggeselle".

Kafkas Tierfiguren lassen sich wohl nicht vollständig verstehen und sind in jedem Falle schwer greifbar. Daher wurden sie auch in der Forschung sehr unterschiedlich interpretiert, z.B. als Spiegel des Menschlichen, Ausdruck des inneren Lebens Kafkas, Sinnbilder der Unterdrückten, des Judentums oder von Sonderexistenzen.

  • Spiegel des Menschlichen: Für Fingerhut (1969, S. 27) werden die Tiere nicht um ihrer selbst willen dargestellt, sondern spiegeln menschliche Eigenschaften und Zustände. Tiere gelten als "Träger der typisch menschlichen Sehnsüchte" (ebd., S.263)

  • Autobiografische Selbstbespiegelung: Sokel (1964. 1967) sieht in den Tierfiguren Ausdrücke von Kafkas innerem Leben und seiner persönlichen Erfahrungen und damit "als autobiographische Selbstbespiegelungen" (Schmitz-Emans 2011, S.167)

  • Sinnbilder der Unterdrückten: Die Tiere Franz Kafkas werden oft auch als Repräsentanten von Minderheiten, Ausgestoßenen und Außenseitern interpretiert, z.B. Juden, Künstler oder Propheten. So hat man z. B. den Affen Rotpeter in seiner Erzählung "• Ein Bericht für eine Akademie"  als assimilierten Westjuden gedeutet, der sich an die dominante Kultur anpasst.

  • Psychoanalytische Deutungen: Die Tierfiguren werden unter Zugrundelegung des • Persönlichkeitsmodells von Sigmund Freud (1856 -1939) als Verkörperungen des •"Es" oder •"Über-Ichs" interpretiert.

  • Pessimistisches Menschenbild vs. Stilmittel: Manche sehen in den Tieren einen Ausdruck von Kafkas pessimistischer Sicht auf den Menschen, andere betrachten sie als literarisches Mittel zur Distanzierung und Selbstreflexion.

  • Entfremdung: Emrich (1958, S.108f.) deutet die Tierfiguren als Symbole der Entfremdung des modernen Menschen von seinem "wahren Selbst", wobei die Tiere einen ursprünglicheren Bewusstseinszustand repräsentieren.

  • Gesellschaftliche Entfremdung und Selbstkritik: Die Tierfiguren können auch als Kritik an gesellschaftlichen Entfremdungsprozessen und Kafkas eigener Autoritätshörigkeit gegenüber seinem Vater • Hermann Kafka gelesen werden.

  • Das Vergessene als das Entstellte: Für Walter Benjamin (1981, S.431) stehen die Tierfiguren in einem umfassenden Entfremdungsprozess für das Vergessene und Verdrängte, das in entstellter Form wiederkehrt und die Probleme der Gegenwart widerspiegelt. Sie stehen für die Erfahrung des modernen Menschen in einer entfremdeten Welt.

  • Parasitäre und inferiore Konnotationen: Viele von Kafkas Tieren gehören zu Gattungen, die mit negativen Konnotationen wie Parasitismus, Niedrigkeit und Inferiorität assoziiert werden. So gelten Käfer und Mäuse oft als Parasiten, Affen als minderwertige Lebewesen. Immer wieder wird Thematik des Ungeziefers in seinen Erzählungen thematisiert aufgegriffen.

(vgl. Schmitz-Emans 2011, S.167ff.)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 21.01.2025

 
 

 
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