Thematische Zugänge, die an das Wissen über die •
Themen moderner Parabeln
bzw. ihre • Motive m Allgemeinen oder an
die Themen und zentralen Motive anschließen, die ▪
Franz Kafkas ▪
Parabeln von unterschiedlichen
Interpreten zugeschrieben werden, sind per se sehr vielfältig.
Was für die Wissenschaft insgesamt schon eine Herausforderung ist,
nämlich genau zwischen den Begriffen
Thema, Stoff und Motiv
trennscharf zu unterscheiden, wird auch an dieser Stelle nicht
getan. Pointiert zusammengefasst lässt sich hinsichtlich der Abgrenzung von
Stoff, Thema und Motiv sagen, dass das Motiv die kleinste
strukturbildende und bedeutungstragende (semantische) Einheit
bildet, "der Stoff sich aus einer Kombination von Motiven
zusammensetzt und das Thema die abstrahierte Grundidee eines Textes
darstellt." (Christine
Lubkoll, in: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, 5. Aufl.
2013, S.542f.)
Wenn der Zugang dabei
deklaratives Wissen zu
modernen Parabeln geht, kann er auch als Teil des •
Zugangs über das Gattungswissen
verstanden werden. Daneben ist aber eben auch ein Zugang ohne
Vorkenntnisse darüber, wovon moderne Parabeln handeln möglich. Aus
diesem Grund werden beide Themazugänge hier gemeinsam betrachtet.
Kafkas
Texte thematisch zu kontextualisieren, ist nicht nur legitim,
sondern auch ein oft sehr geeignetes Verfahren, um einen Zugang zu
seinen oft fremd, unverständlich und irritierend wirkenden Parabeln
zu finden.
Wer mit dem Vorwissen an die Texte herangeht, dass sie, wie andere
moderne Parabeln auch, ihren Leserinnen und Lesern grundsätzlich
keine Antworten auf Probleme des alltäglichen Lebens und auf
existenzielle Fragen geben, ist bei der Antwort auf die Frage, worum
es in dem Text allgemein geht, zumindest vor banalen und allein am
Oberflächensinn orientierten Antworten darauf, was der Text
thematisch zur Sprache bringt, ein Stück weit gefeit.
Ausgangspunkt der Spurensuche kann dabei die These sein, dass
moderne Parabeln die Wirklichkeit hinterfragen und die existenzielle
Lage des modernen Menschen und seine "kosmologische
Obdachlosigkeit" (Yun
Mi Kim 2012, S.22) ans Licht bringen. Der Mensch, der gezeigt wird, sucht sich
selbst, wo und wie er auch immer nach dem Sinn von Welt sucht.
Moderne Parabeln stellen den
Menschen in seiner Orientierungslosigkeit aus, der zwar stets
unterwegs ist, aber nie und nimmer sein Ziel, in einer
widersprüchlichen und in Auflösung befindlichen Welt findet.
Das Wissen darüber, dass solche Parabeln zwar auf ihre Weise die
Frage nach dem Sinn des Leben stellen, solche Fragen aber
prinzipiell unbeantwortet lassen und von daher auch keine solchen
Konzepte für das richtige Leben parat haben, erleichtert es, sich
dem Text über das Thema zu nähern. Allerdings setzt sich ein solches
Vorgehen auch dem Vorwurf mancher Didaktiker aus, es werde auf diese
Weise eben • "Merkmals-Nachweis-Didaktik"
betrieben. Der didaktische Streit zwischen dem ▪
wissenschaftsorientierten
Ansatz der klassischen Gattungsdidaktik und dem an der
ästhetischen Erfahrung des Lesers ansetzenden ▪ "Prototypendidaktik"
haben wir an anderer Stelle behandelt. Für beide Konzepte gibt es im ▪
Handlungsfeld Literatur schulischen Lernens gute Gründe und beide
Konzepte können in ihrer Anwendung zum Erwerb ▪
literarischer Kompetenz,
insbesondere zur ▪
literarästhetischen
Rezeptionskompetenz beitragen.
In jedem Fall fungieren die Themen, die wir aufgrund unseres
gattungsbezogenen Vorwissens oder ohne dieses einem Text nach dem
Lesen zuschreiben, bei diesem Zugang als allgemeine, übergeordnete
Interpretationshypothesen. Ob sie wirklich haltbar sind,
modifiziert oder unter Umständen auch verworfen werden müssen, um
eine plausible Deutung des Textes zu ermöglichen, erweist sich in
der Anschlusskommunikation, dem Austausch und Vergleich
unterschiedlicher Interpretationen im Gespräch über den Text
und/oder durch die mit Mitteln der Textanalyse vorgenommenen
genaueren Betrachtung des Texts.
Nimmt man an, dass ein Text ein bestimmtes Thema behandelt, ist
diese Annahme , ▪
kognitionspsychologisch betrachtet, Teil der Vorstellung, die
man sich beim
▪
Lesen über
den Sinn bzw. die Bedeutung eines Textes macht. Man spricht hier von
dem so genannten ▪
Situationsmodell des Textes, das bei einem auf der Sprachebene
verständlichen Text entsteht, wenn man aus dem, was man liest, und
dem, was man sonst noch weiß, versucht, die Bedeutung des Textes zu
konstruieren. Natürlich kann es aber auch aus verschiedenen Gründen
vorkommen, dass man sich überhaupt kein Reim auf das Gelesene machen
kann.
Natürlich gibt es wegen der grundsätzlichen Vieldeutigkeit
literarischer Texte im Allgemeinen und ihrer besonderen Bedeutung
bei modernen Parabeln eine Vielzahl von Themen, die man Kafkas
Parabeln zuschreiben kann. Ihre Auswahl ist naturgemäß subjektiv,
unabhängig davon, ob man das Thema selbständig formuliert oder es
Informationstexten oder
Merkmalkatalogen entnimmt, über die man aufgrund vorangegangener
Top-down- oder Bottom-up Lernprozesse als
deklaratives (Vor-)Wissen verfügt oder ob man sie erst bei der
konkreten Textarbeit mit entsprechen Informationen über die Themen
moderner Parabeln im Allgemeinen oder der Parabeln Kafkas im
Besondern abgleicht.

Für größere Ansicht bitte an*klicken*tippen!
Eine Methode, um Zugänge über die Themen zu schaffen, ist der
Themenpool. Dieser kann von den
Schülerinnen und Schülern selbst zusammengestellt oder aber auch
vorgegeben werden. Natürlich sind auch Mischformen möglich.
Dazu können Sie aufgefordert werden, nach der Primärrezeption des
Textes ein oder zwei Themen schriftlich zu formulieren, worum es
ihrer Ansicht nach in dem Text geht. Diese Themen werden einzeln auf
Kärtchen geschrieben und gesammelt.
In der Kleingruppe oder im Plenum zieht dann jeder Schüler bzw. jede
Schülerin wieder eines der Kärtchen und versucht, das darauf
notierte Thema mit einer eigenen textbezogenen Argumentation zu
begründen. Ist die Schülerin bzw. der Schüler damit fertig, holt
er/sie sich Rückmeldung bei dem-/derjenigen, die das Thema
ursprünglich formuliert hat.
▪
Baustein: Einen Zugang zu Kafkas Parabeln
finden
• Stereotype Deutungsansätze vs.
Analyse von Codes
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
24.01.2025