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Vor dem Gesetz

Überblick

Franz Kafka - Parabeln

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur
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Baustein: Einen Zugang zu Kafkas Parabeln finden:
Dass einem diese Texte "schräg" vorkommen, ist ganz normal ...

▪ Kohärenzbildung über mentale Modelle, kognitive Schemata und literarische Konventionen (Gattungen)

Bausteine 

 Kafkas Parabel  ▪ Vor dem Gesetz hat heute  im Literaturunterricht der Sekundarstufe II - misst man dies an ihrer Aufnahme in die einschlägigen Lehrbücher für die Sekundarstufe II - • nicht unbedingt einen festen Platz mehr. Dafür gibt unterschiedliche Gründe. Vielleicht liegt es auch daran, dass in den jüngeren literaturwissenschaftlichen Interpretationen Ansätze dominieren, die den Text in den Bezugsrahmen der jüdischen Theologie stellen. Seine Berücksichtigung dürfte im Allgemeinen den Rahmen der in der Schule üblichen • kontextualisierten werkimmanenten Interpretation von Parabeln sprengen.

Kafkas Parabel  ▪ Vor dem Gesetz, die ursprünglich Bestandteil seines Manuskriptes für seine Roman " •"Der Prozess" gewesen ist, wurde schon zu Lebzeiten des Autors mehrfach als Einzeltext veröffentlicht. Entstanden ist sie wohl Mitte November 1914. In einer Tag Tagebuchnotiz zeigt er sich etwas später sehr zufrieden mit dem Text, spricht sogar davon, dass er ein "Zufriedenheits- und Glücksgefühl" "besonders gegenüber der Legende", wie er den Text hier bezeichnet, habe. (zit. n. Schmidt 2007, S.58) Das lässt nach Schmidt (2007) den Schluss zu, dass auch "die inneren Brüche dieser Erzählung, ihre semantische Inkonsistenz und Heterogenität" keinesfalls nur beim Schreiben irgendwie entstanden oder irgendwie einen Makel bzw. ein Defizit des Textes darstellen, "sondern zur semantischen Struktur des Textes gehören und, wenn nicht bewußt konzipiert, so doch zumindest im Nachhinein bejaht wurden." (ebd.) Im Jahr 1915 erschien der Text erstmals in zwei verschiedenen Zeitschriften, 1917 noch einmal in einer der beiden und 1919/20 ging er zu seinen Lebzeiten in den Band "Ein Landarzt" ein, in dem Kafka noch selbst die Reihenfolge der Erzählungen selbst festlegte.

Der Text selbst wird von den Kafka-Forschern unter Berufung darauf, wie Kafka selbst dieses Werk genannt hat, meistens als "Türhüterlegende" (vgl. Legende) bezeichnet, auch wenn der Autor sie selbst in Tagebucheinträgen lediglich einmal als "Legende" und ein ander Mal als "Türhütergeschichte" bezeichnet hat. (Schmidt 2007, S.57, Anm.172)

Trotzdem ist "Vor dem Gesetz" in der literaturwissenschaftlichen Forschung aber immer wieder unterschiedlichen Gattungen zugeordnet worden. Dies zeigt, dass es mitunter sehr schwierig ist, Kurzprosatexte des Autors entlang klar abgrenzbarer Gattungsgrenzen zu definieren.

So hat man  Vor dem Gesetz als Parabel, • Gleichnis, Fabel, Legende, Märchen, Sage, Geschichte, Erzählung u. a. m. bezeichnet. (vgl. Andringa 1994, S.108ff., zit. n. Zymner 2010, S.460)  

Dementsprechend  wurde damit auch die Interpretation des Textes beeinflusst, zumal die Textrezeption oft durch die Brille der ▪ Gattungszuschreibung wahrgenommen und dann versucht wird, sie auf deren Grundlage kognitiv zu verarbeiten. (vgl. Zymner 2010a, S.2) In jedem Fall beeinflussen die Gattungszuschreibungen die davon zunächst einmal geleitete kognitive Top-down-Verarbreitung des Textes und die • Bildung von Inferenzen in ganz erheblicher Art und Weise.

Hinzukommen weitere subjektive Theorien (• Folk-Gattungstheorien) die einerseits subjektive, andererseits aber doch auch mehr oder weniger sozial verfestigte Annahmen oder Wissensbestände darstellen, die unsere Wahrnehmung und auch unser Verständnis von Gattungen bestimmen. (vgl. Zymner 2010a, S.3.)

Kafkas "älteste und berühmteste" (Zymner 2010, S.458) ▪ Parabel  ▪ Vor dem Gesetz ist im Vergleich zu den Parabeln, mit denen der Autor den • innenperspektivischen Ich-Reflektor (• Ich-Erzählform) in die Gattung eingeführt hat, vergleichsweise konventionell erzählt. In ihr dominiert die personalen Erzählsituation (• Er-Erzählform).

Der Text existiert in zwei verschiedenen Parabelvarianten. Sie wurde mehrfach als Einzeltext veröffentlicht, ist aber auch Teil seines Romans •"Der Prozess".

Dadurch funktioniert ihre Parabelwirkung auch auf eine jeweils besondere Art und Weise. (vgl. Zymner 2010, S.458)

  • Im • "Prozess", in dem die Parabel in das Kapitel • "Im Dom" eingebettet ist, wird die Aufforderung, den Sinn des Textes außerhalb der Textebene zu suchen und zu konstruieren, durch den Umstand, dass der Kaplan hier die Geschichte des Mannes vom Lande erzählt, "gewissermaßen von vornherein semantisiert" (ebd.). Zudem wird seine Erzählung noch dadurch perspektiviert, dass er seiner Erzählung vorausschickt, sie handle "von dieser Täuschung", womit nichts anderes gemeint ist, als die Täuschung Josef K.s im Gericht. Dementsprechend zieht Zymner daraus den Schluss, dass die Parabel-Geschichte im Kontext des Romans darauf zu beziehen sei, "dass und wie sich K. in dem Gericht täuscht" (ebd.), mit dem er sich in dem Roman immer wieder auseinandersetzen muss.

  • Als Einzeltext ist die Parabel mit dem Titel "Vor dem Gesetz" versehen und endet mit der strukturbildenden paradoxen Pointe: "Hier konnte niemand sonst Einlass erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn." In dieser Textvariante weist die Parabel etliche Elemente auf, die als implizites Transfersignal signalisieren, dass der Sinn des Textes außerhalb der Textebene gesucht und konstruiert werden soll.

Der Einzeltext und die in den Prozess-Roman eingebettete Variante ist von zahlreichen Interpreten analysiert und gedeutet worden. Dabei zeigen sich in den verschiedenen Deutungen von Anfang an immer wieder Kombinationen verschiedener Interpretationsansätze. "Fast überall wird mit mehreren Bezugssystemen oder auch mit verschiedenen Rahmentheorien gearbeitet. In den früheren Deutungen laufen Bezüge zur Zeitgeschichte, Religionsgeschichte, Philosophie, zum Œuvre und zum Leben des Autors durcheinander. Strukturalistische, textimmanente, autorzentrierte und tiefenpsychologische Verfahren werden vermischt." (Andringa 1994, S.188)

Gewöhnlich steht der • rätselhafte und paradoxe Schluss des Textes im Zentrum der verschiedenen Deutungen. Dabei zeichnen sich insbesondere frühere Deutungen dadurch aus, dass sie immer wieder bemüht sind, "eine Ursache für den paradoxen Ausgang anzugeben, indem sie einer der sich gegenüberstehenden Parteien die Schuld zuschieben: entweder der Mann versagt in irgendeiner Weise oder er ist Opfer des a priori Bösen. " (ebd., S.181)

In den jüngeren literaturwissenschaftlichen Interpretationen dominieren solche, die den Text in den Bezugsrahmen der jüdischen Theologie stellen. (vgl.  Andringa 1994, S.81-152)

Auch die Anhänger der • Dekonstruktion im Gefolge »Jaques Derridas (1930- 2004) haben sich ausführlich gerade mit diesem Text befasst, der auf der "paradigmatischen wie auf der syntagmatischen Ebene  (...) ausgesprochen einfach strukturiert (ist) und (sich) dennoch (...) dem Verstehen entzieht." (Burkhart  2008, S.387) In ihrem Programm geht es nicht mehr darum, "die Intention des Autors zu dechiffrieren und/oder die endgültige Bedeutung eines Textes festzulegen." (ebd., S.390) Vielmehr komme es darauf an, in einem unendlichen Spiel der Zeichen den maßgeblichen Signifikanten des Textes zu folgen. (vgl. ebd.) Dazu gelte es, "jede angenommene bedeutungsmäßige Einheit des Textes eben zu dekonstruieren.“ (Steinmetz 1996, S.478) und "etablierte Lesarten von Texten zu attackieren" und "scheinbar Marginales, das von früheren Interpreten oder im Text selbst an den Rand gedrängt wurde, in den Vordergrund zu rücken, um die »logozentrische« Unterscheidung zwischen Zentralem und Marginalem, Wesentlichen und Unwesentlichen in einem zweiten Schritt grundsätzlich in Frage zu stellen." (Bogdal (2000, S.14)

Gefordert wird statt einer Lektüre, die vorgibt, den einheitlichen Sinn eines Textes ermitteln zu können, ein Lesen, das den Texten "möglichst wenig Gewalt antut. Möglichst wenig Gewalt im Sinne einer Zurichtung und Reduktion auf die eigenen Begriffe, die man für die Lektüre mitbringt und an den Text heranträgt. Aber auch möglichst wenig Gewalt im Sinne der Ausrichtung der Lektüre auf ein Ziel." (Engelmann 1990, S.30f., zit. n. Bogdal 2000, S.14)  Und: "Der Unterschied zwischen • hermeneutischen und dekonstruktiven (antihermeneutischen) 'Textbefragungen' besteht darin, dass die Hermeneutik von einem quasi dialogischen Verhältnis zwischen Text und Interpret ausgeht, das auf ein zunehmend besseres Verständnis einer im Text enthaltenen Botschaft abzielt. Dabei wird eine rekonstruierbare Sinneinheit, ein Sinnzusammenhang, unterstellt." (ebd.)

Die dekonstruktivistische Extremposition negiert jede feste Bedeutung eines Textes und zielt im Kern auf "die Demonstration ständiger, nicht abzuschließender Bedeutungsveränderung und – erweiterung". (Steinmetz 1995, S.478) Die damit konstatierte unendliche und prinzipiell unabgeschlossene Bedeutungsvielfalt von Texten hat insbesondere die ▪ werkimmanente Interpretationspraxis kräftig erschüttert und sie in • Turbulenzen gestürzt, auch wenn sie in der Praxis des • Literaturunterrichts an den Schulen wohl wenig Bedeutung gewonnen hat, zumal die Dekonstruktion selbst eingefleischten Wissenschaftlern schnell als "rein semiotische Spielerei mit etwas schielendem Blick als absehbar und daher schnell ermüdend" (Burkhart  2008, S.393)vorkommt. Diesem Gedanken schließen wir uns an.

Zusammenstellung von Bausteinen mit dem Schwerpunkt Formulierungskompetenz

Die überwiegende Anzahl der Bausteine zu Kafkas Parabel » Vor dem Gesetz « stellen die Erfassung des Textes mit der Auflistung entsprechender Textstellen dar. Diese Auflistungen können für verschiedene Schreibaufgaben im Kontext der Textinterpretation genutzt werden.

Dabei geht es vor allem um die Formulierungskompetenz und die Fähigkeit, Texte zu überarbeiten ( Überarbeitungskompetenz) und die Schreibaufgaben zu bewältigen, die mit dem übergeordneten Operator "Überarbeiten" verbunden sind.

Für weitere Informationen können Sie die einzelnen Begriffe anklicken!

 

Baustein: Einen Zugang zu Kafkas Parabeln finden:
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Bausteine 

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 12.10.2024

 
 

 
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