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Sichtweise
(Erzählperspektive) (Petersen)
Innere Vorgänge oder nur äußeres Verhalten erzählen
In
erzählenden Texten kann der Erzähler über die Fähigkeit
verfügen, den Leser "in den Kopf" und damit in das Innenleben einer
Figur hineinblicken zu lassen (Innensicht) oder diese nur
über ihr äußeres Verhalten zu beschreiben (Außensicht).
Ob der Erzähler dies kann oder nicht, hängt von der ▪
Erzählsituation (Stanzel) bzw. der
eingenommenen Erzählperspektive oder ▪
Sichtweise (Petersen) ab, mit der die
Geschichte (Diegesis,
story) präsentiert
wird.
Dabei muss ein Erzähler, wenn er über die Fähigkeit verfügt,
Figuren auf beide Weise darzustellen, natürlich nicht von beiden
Gebrauch machen.
Die Fähigkeit des Erzählers, Figuren auf solche Weise
darzustellen, kann mit dem Begriff der ▪
Perspektive
dann verbunden werden, wenn man darunter den Blickwinkel versteht,
von dem der Erzähler auf die von ihm dargestellten Figuren blickt,
so wie es beispielsweise Petersen
(1993, S.67f.) mit seinem Begriff der ▪
Sichtweise tut.
Analytisch und systematisch betrachtet ist eine solche Zuordnung
allerdings problematisch, andererseits aber wohl kaum aus der Welt
zu schaffen, weil eine solche Verwendung sich mit dem ▪
Alltagsgebrauch des Begriffs Perspektive
eben doch gut in Einklang bringen lässt. Literaturdidaktisch ist
damit wohl das Wesentliche gesagt.
Innen- und Außensicht beim Erzählen
Die Begriffe Innen- und Außensicht bezeichnen
▪ Perspektiven
beim Erzählen, die einem Erzähler zur Verfügung stehen können oder
nicht.
Innen- und Außensicht bedeuten dabei nicht das Gleiche
▪ wie
Innen-
und Außenperspektive, Begriffe, die in der
strukturalistisch ausgerichteten
neueren
Erzähltheorie kaum Verwendung finden. Innen- und
Außenperspektive beziehen sich nämlich auf den
▪
Standort des Erzählers (point of view)
gegenüber der von ihm dargebotenen Geschichte.
Innen- und Außensicht bezeichnen dagegen Fähigkeiten des Erzählers.
Wolf
Schmid
(2005, S.132), der bei seinem ▪
Konzept der narratorialen und figuralen Perspektive
unterschiedliche ▪ Parameter
differenziert, betont, dass der Erzähler allerdings nicht die
Wahrnehmungsperspektive (perzeptive
Perspektive) der Figur selbst übernehme, weil das
Bewusstsein der Figur dabei Objekt des Erzählers bleibe.
Innensicht heiße demnach nicht, dass der Erzähler hinter dem
Bewusstsein der Figur verschwinde. (vgl.
Schmid 2005,
S.132) Vereinfacht könnte man sagen: Er kann, wenn er will, ihre
Gedanken und Gefühle "lesen" und diese erzählen.
In der ▪ Typologie der
Erzählsituationen von »Franz
K. Stanzel (geb. 1924) besitzen Erzähler in der ▪
auktoriale Ezählsituation
und in der ▪
Ich-Erzählsituation
pinzipiell die Fähigkeit andere Figuren bzw. das Ich zum Zeitpunkt
des Erzählens sowie zu einem früheren Zeitpunkt aus der Außen- oder
Innenicht zu erzählen. In der
personale Erzählsituation kann dies die Reflektorfigur so nicht
und bleibt auf die eigene Innensicht beschränkt, kann also nur
erzählen, was ihn ihm selbst vorgeht.
Ein
auktorialer Erzähler (bzw. der Autor) kann in seiner
Allwissenheit
(Omnipotenz) natürlich entscheiden, ob er bei seiner
Informationsvergabe an den Leser, eine Figur aus der Innen- oder
Außensicht darbietet. Dabei präsentiert er bei Innensicht das
Geschehen aber immer noch aus der
Außenperspektive,
die bei Stanzel das ▪
dominierende
Element der auktorialen Erzählsituation darstellt. In der
Terminologie
Genettes
(2. Aufl. 1998) ausgedrückt bleibt er eben auch dann noch ein
heterodiegetischer Erzähler.
Außenperspektive und auktoriales
Erzählen gibt es sowohl in Er-Form als auch in Ich-Form.
Beim ▪
personalen Erzählen bleibt die
Innensicht auf die jeweils als Erzähler fungierende Figur
(Reflektorfigur) beschränkt, die keinerlei Möglichkeiten besitzt, in
das Innenleben anderer Figuren hineinzusehen. Was sie darüber sagen
kann, sind Vermutungen, Rückschlüsse seiner eigenen Beobachtungen
oder ist ihm irgendwie zur Kenntnis gebracht worden.
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Sichtweise
(Erzählperspektive) (Petersen)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
19.12.2023
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