Von der Lust und dem Frust an der "Erzählung"
Für die meisten Menschen ist es im Alltag
vergleichsweise egal, was man genau unter Erzählen versteht. Sie
tun es einfach, wenn sie miteinander kommunizieren: Sie erzählen
einander ihre Erlebnisse, erzählen von ihren Gefühlen
oder
davon, was in ihrem Kopf vorgeht. Ob man stattdessen auch
berichten oder schildern sagen könnte, ist da meistens ohne
Belang. Wahrscheinlich kennen auch viele die
Bedeutungsunterschiede der Wörter kaum, die ihren Platz in der
Sprachgeschichte vor langer Zeit eingenommen und seitdem bis
heute behauptet haben.
Es gibt aber auch Kommunikationssituationen, in
denen es auf solche Bedeutungsunterschiede ankommt: Wenn man z.
B. einen Unfallhergang ohne "Ausschmückungen" berichten
oder eben etwas möglichst mit allen Details schildern
soll. Und auch in der Schule muss man die
Schreibformen ▪
Erzählung, ▪
Bericht und
Schilderung auseinanderhalten können.
Im Umgang mit literarischen Erzählungen ist es
dabei aber durchaus von Belang, sich die Unterschiede zwischen
dem sogenannten
faktualen Erzählen und dem
fiktionalen Erzählen einmal bewusst zu machen.
Heutzutage ist den ganz normalen Leser und
Leserinnen von Erzählungen, deren Vorfahren erst lernen mussten,
dass Erzählungen erfundene Geschichten sind, klar, was, unter
diesem Blickwinkel betrachtet, bei der Lektüre auf sie zukommt.
Es ist in das kulturelle Gedächtnis unserer Kulturgemeinschaft
eingeschrieben und im Laufe der Zeit mit allgemeinen
kulturspezifisch und historisch wandelbaren Handlungsschemata
für die erzählten Welten verknüpft worden, die bei der Lektüre
helfen, die eigenen Erwartungen an Inhalt und Handlung von
Erzähltexten einzuordnen.
Auch bei denen, die sich als "Experten" mit dem
Erzählen befasst haben, Dichter und Schriftstellerinnen,
Philosophen und Kritiker war die Sache lange klar. Die Erzählung
war in der
normativen Gattungstrias
mit ihrer
Einteilung in die drei
Literaturgattungen
Epik,
Dramatik
und Lyrik
im Bereich der Epik als epischer Text klar verortet.
Für die moderne Literaturwissenschaft gestaltet
sich die Sache mit dem Erzählen und der Erzählung aber weitaus
komplizierter und je tiefer die Spezialisten in der Sache, die
so genannten
Narratologen (engl. to narrate = erzählen, berichten,
schildern), in die Materie eingedrungen sind, desto komplexer
wurde das, was den normalen Sprecherinnen und Sprechern im
Alttagsleben und den Leserinnen und Lesern, die sich auf das ▪
Was
der Erzählung, die in einer Erzählung präsentierte Welt und das
Schicksal ihrer Figuren darin, konzentrieren, im Allgemeinen
egal ist. (vgl.
Martínez/Scheffel, 10. Aufl, 2016, S.22)
Und was den
Anschluss der Narratologie an die Literaturdidaktik und den
schulischen Literaturunterricht anbelangt: Weitgehend
Fehlanzeige! Woran das liegt? An der "Abgehobenheit" der
Erzählforschung oder an der Trägheit des Bildungssystems und
ihrer Agenten bleibt hier dahingestellt.
Menschen haben schon immer erzählt: zu allen Zeiten und in allen
Kulturen
"Erzählen", so Martin
Huber (2017,
S.3, Hervorh. d. Verf. )" ist universal: Wir werden über Erzählen
sozialisiert, unsere Vorstellungen von individuellem Glück und sozialem
Zusammenleben, alles transzendenten Denkmodelle werden in Geschichten
tradiert, sind zunächst Erzählung. Wir sind 'in Geschichten verstrickt',
so hat der Philosoph Wilhelm Schapp schon 1953 die Bedeutung des
Erzählens hervorgehoben." Menschen haben z. B. stets und
überall mit Erzählungen
-
sich die
Zeit vertrieben
-
Ängste
zu überwinden gesucht
-
Informationen weitergegeben
-
Informationen ausgetauscht
-
einander
manipuliert
-
die Welt
geordnet
-
Zusammenhänge hergestellt
-
Zusammenhänge gedeutet
-
von
Veränderungen berichtet
-
ihre
eigene Identität aufgebaut
-
ihre
gesellschaftliche, soziale und politische Ordnung hergestellt und
stabilisiert (vgl. ebd.)
Wenn wir im Alltag
erzählen, ist verwenden wir den Begriff in ganz unterschiedlichen
Alltagssituationen, eben über all da, wo unserer Ansicht nach erzählt
wird. Gemeint ist dabei in der Regel der ▪
Sprechakt des Erzählens,
mit dem wir etwas ▪
mitteilen.
Man hat es mit
Erzählungen zu tun, "wo uns jemand etwas erzählt: der
Nachrichtensprecher im Radio, die Lehrerin in der Schule, der
Klassenkamerad am Schulhof, der Sitznachbar im Zug, der
Zeitungsverkäufer am Kiosk, der Ehepartner beim Abendessen, der Reporter
im Fernsehen, der Journalist in seiner Kolumne und der Erzähler des
Romans, in dem wir vor dem Zubettgehen noch schmökern. Auch sind wir
alle selbst täglich Erzähler in unseren Gesprächen mit anderen, manchmal
auch berufliche Erzähler (ob als Lehrer, Pressesprecher oder
Kabarettisten), und zuweilen erzählen wir sogar ‚ganz richtig‘, etwa
beim Vorlesen der Gebrüder Grimm als Gutenachtgeschichte für die
Kleinen. Das Erzählen ist also eine gängige und oft unbewusste Aktivität
in der mündlichen Sprache und erstreckt sich von dieser über mehrere
Gebrauchstextsorten (Journalismus, Unterricht) bis hin zu dem, was wir
prototypisch als Erzählen auffassen, nämlich das literarische
Erzählen als Kunstgattung."
(Fludernik 2006,
42013
S.9, Kindle-Version)
In unserem
Alltagsgebrauch des Begriffs Erzählen grenzen wir ihn jedenfalls in
zahlreichen Situationen kaum von anderen ▪
Mitteilungsakten ab
und selbst, wenn wir den Begriff ▪
explizit
performativ verwenden, um jemand zu einer sprachlichen
Äußerung ▪
aufzufordern ("Erzähl mal ....), ist damit, ohne Berücksichtigung
des jeweiligen Kontextes, nicht unbedingt klar, ob das, was der Partner
/ die Partnerin darauf tut, wenn er/sie dieser Aufforderung nachkommt, ▪
etwas
beschreiben, ▪
etwas erklären,
▪ etwas
begründen oder eben ▪
etwas i. e.
S. erzählen soll.
Grundelemente
einer Erzählung
Immer wieder
werden in der Erzählforschung Versuche unternommen, sich zumindest
darüber zu verständigen, was eine Erzählung überhaupt ausmacht.
So hat ein
namhafter Vertreter der deutschen Erzählforschung (
Scheffel
1997/2006, S.105) betont, dass aller sonstigen Unterschiede zum
Trotz doch in zwei Punkten weitgehende Übereinstimmung herrsche:
Was hier
als "Gemeinplatz" der Erzählforschung ausgewiesen wird, tritt aber
bei der intensiveren Beschäftigung mit dieser Forschungsrichtung
leicht aus dem Blick.
Wer
sich, ohne ein ganzes Studium dafür aufzuwenden oder eine ganze
wissenschaftliche Karriere darauf aufzubauen, auf die verschiedenen
konkurrierenden Ansätze der Erzähltheorie, die sich in einem
"Dauerhoch" befindet, einlässt, gerät jedenfalls nicht nur auf eine
geistesgeschichtliche, sondern vor allem auf eine terminologische
Achterbahn mit ungewissem Ausgang.
Kaum
eine Wissenschaft hat sich sprachlich derart ausgrenzende
kategoriale und terminologische "Sonderentwicklungszonen" geschaffen
wie die Narratologie, die jeden zur Verzweiflung bringen kann, der
die "Wohlfühloase" der Theorie, für die man sich aus welchen Gründen
auch immer, irgendwann einmal entschieden hat, verlässt. Sein
heimisches erzähltheoretisches Theoriegebäude steht nämlich längst
in einer Ansammlung von Wolkenkratzern, von denen jeder den anderen
überragen will und muss, um die entsprechende Aufmerksamkeit zu
erreichen. Geht es doch auch, man traut es sich kaum zu sagen, nicht
nur um wissenschaftliche Anerkennung, sondern auch um die Verteilung
von (Forschungs-)geldern. "Ganz normaler Wissenschaftsbetrieb,"
kommentieren das manche.
Trotzdem: Versuchen wir eine Annäherung.
Eine Geschichte mit einer Ereignisfolge
Eine Erzählung ist eine erzählte Geschichte mit einer Ereignisfolge.
So jedenfalls notiert im Kern
Gero von Wilperts Sachwörterbuch der Literatur (1969) unter dem
Stichwort Erzählung:
"allg. Darstellung des Verlaufs von wirklichen
oder erdachten Geschehnissen; nicht genauer zu bestimmende
Form der
Epik: 1. im weiteren Sinne Sammelbegriff für alle epischen
Gattungen, 2. im engeren Sinne e.
Gattung, die sich durch geringeren Umfang und Breite von Epos,
Roman, Saga, durch weniger kunstvollen und tektonisch straffen
Aufbau von der
Novelle, durch Vermeidung des Unwirklichen von
Sage und
Märchen
unterscheidet und somit alle weniger gattungshaft ausgeprägten Formen
der Erzählung umfasst, gekennzeichnet durch dezentriertes, lockeres,
gelegentlich verweilendes und entspannendes Entfalten des Erzählstoffes.
Sie erscheint meist in Prosa, doch auch in Versen (Vers-E., z. B. des
Rokoko, bes. WIELANDS) und bildet Sonderformen als Rahmen-E. und
chronikalische E."
Die Erzählung lässt sich dieser gattungstypologischen Auffassung nach
mehr oder weniger gut, mit Hilfe der Kriterien Länge, Aufbau,
Fiktionalität und durch ihre besondere Art der Gestaltung der
Fabel von
anderen epischen Formen abheben. Wenn nicht, steht Erzählung als
Oberbegriff für sämtliche erzählenden
Textsorten. Diese
Auffassung hat eine lange Tradition und bestimmt auch die gängige, seit
Johann
Wolfgang von Goethe (1749-1832) übliche
normative Gattungstrias, die
Einteilung in die drei
Literaturgattungen
Epik,
Dramatik
und Lyrik.
Und das Epische ist dann auch das eigentlich Erzählende,
das eigentliche Narrative. Lyrik und
Dramatik haben im Allgemeinen keinen Erzähler, ergo: Ein Theaterstück
ist, so will es auch die
ältere Erzähltheorie von
F. K. Stanzel (2001)
(vgl. ▪ Erzählsituationen)
eben keine Erzählung. Die
neuere
Erzähltheorie sieht dies hingegen anders.
Eine Erzählung ist, was ein Erzähler erzählt
Eine Erzählung ist, was ein Erzähler erzählt.
Ob mündlich oder schriftlich, es ist "eine sprachliche Handlung: Jemand
erzählt jemandem eine Geschichte." (Martinez
2011a, S.1)
So oder so ähnlich sind
gewöhnlich Definitionen im deutschen Sprachraum gefasst, die das, was
eine Erzählung ausmacht, auf einen Erzähler beziehen.
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Narrativ sind Darstellungen in allen Medien, die eine temporal
strukturierte Geschichte erzählen
Die
strukturalistische Erzähltheorie hat einen gegenüber der
älteren Erzähltheorie anderen Ansatz, um das Erzählen als solches
abzugrenzen, zu analysieren und damit zu verstehen.
Der Ansatz der älteren Erzähltheorie
In
der älteren Erzähltheorie steht die Kategorie der
Mittelbarkeit
im Mittelpunkt der Antwort auf die Frage, was einen Erzähltext im
Vergleich zu Texten, die eine solche nicht kennen, ausmacht.
Mittelbar ist ein Text dann, wenn sich zwischen Autor und Leser
quasi ein Erzähler stellt, der die Geschichte präsentiert (K. H. Stanzel).
Daraus folgt, dass ein Erzähltext aus einem ineinander
verschachtelten, dadurch einander über- oder untergeordneten System
sich überlagernder Kommunikationssysteme beruht (vgl.
▪ Modell der epischen (narrativen)
Kommunikation im Vergleich zur dramatischen Kommunikation).
Erzählungen sind damit nur Texte, die einen Erzähler bzw. eine
Erzählinstanz haben, Erzählungen in anderen medialen
Darstellungsformen wie z. B. der Film, Ballett, Drama oder auch
Lyrik, die eben ohne Mittelbarkeit auskommen, sind dann per Definition
eben keine Erzählungen.
Ansätze neuerer Erzähltheorien
In
neueren
Erzähltheorien, die
strukturalistisch vorgehen bzw. vom
Strukturalismus
in erheblichem Maße beeinflusst sind, ist man nicht nur von der
klassischen
übergeordneten Gattungstrias und dem darin verorteten Begriff der
Erzählung abgerückt, sondern hat auch den Begriff des Erzählens ganz
anders gefasst.
Dabei richtet sich der Fokus darauf, wie das
darzustellende Material eigentlich aufgebaut ist, damit es am Ende
zu einer Erzählung wird.
Entscheidendes Merkmal für Erzählen ist danach die temporale
Struktur, die Veränderungen bzw. den Wandel von Zuständen von Figuren oder
Gegenständen bzw. Sachverhalten der erzählten Welt präsentieren.
Wenn Zustands- bzw. Situationsveränderungen, die als Ausgangs- und
Endsituation miteinander in einer besonderen Beziehung stehen
müssen, in einem bestimmten Zeitraum dargestellt werden, wird nach
streng strukturalistischer Sicht "erzählt".
Dabei ist die
Formel
Erzählen = Darstellung von Zustandsveränderungen nur auf den ersten
Blick gewöhnungsbedürftig. Was damit gewonnen wird, zeigt sich bei
der Eigenschaft des Begriffs, sich von anderen Darstellungsformen
wie z. B. der Beschreibung (Deskription) abzugrenzen.
Beschreiben
bedeutet nämlich dann im Vergleich zum dynamischen Erzählen, dass
die Merkmale eines statischen Zustandes, der sich eben nicht
verändert, in einem bestimmten zeitlichen Moment dargestellt wird.
Der strukturalistische Ansatz hebt die Beschränkungen der Konzepts
der Mittelbarkeit der älteren Erzähltheorie auf und öffnet den
Begriff des Erzählens damit weit über die ehemaligen Gattungsgrenzen der
Epik hinaus auf eine große Vielgestaltigkeit in anderen Gattungen und
Medien.
Wie
Monika Fludernik
(2006, S.13) betont, ist es im englischsprachigen Raum üblich geworden nicht nur Roman und Film als narrative Gattungen zu analysieren, sondern
auch Dramen, Cartoons, Ballette und Pantomimik. "In den letzten Jahren",
so fährt sie fort, " wird sogar darüber debattiert,
inwieweit Musik, Malerei und Lyrik sich narrativ verstehen lassen und narratologischer Perspektive zugänglich sind." (Fludernik
2006, S.13)
▪ Friedrich
Schillers "Maria Stuart": Das Drama als Erzählung
Der streng strukturalistische Ansatz, der das Erzählen vor allem auf
die temporale Struktur des Darstellungsgegenstandes zurückführt, geht
vielen Literaturwissenschaftlern bzw. Narratologen hierzulande jedoch zu
weit.
Wolf Schmid
(2005, S.12f.), dem das Konzept der Mittelbarkeit der älteren
Erzähltheorie schlicht zu "restriktiv" ist, hält den strukturalistischen
Erzählbegriff in der oben dargestellten Form für "zu wenig
diskriminatorisch", weil er den Begriff, mal hier etwas salopp gesagt,
zu sehr "verwässert".
Mischkonzeptionen als Lösung
In der deutschsprachigen neueren Erzähltheorie kann man sich weder
nur mit der einen oder der anderen theoretischen Fundierung des
Erzählens anfreunden.
So trifft man, ohne das hier abschließend
beurteilen zu wollen, immer wieder auf "Mischkonzeptionen"
(Schmid 2005,
S.18), die das Narrative in einer Art Zwischenposition zwischen den
beiden Theorieansätzen verorten. Dabei stehen die beiden Varianten also
"nicht alternativ, sondern komplementär zueinander". (Martínez
2011a, S.2)
Das scheint in der Sache zwar durchaus
gerechtfertigt, macht aber insbesondere die
terminologische Achterbahn
(s. o.),
mit der sich jeder bewegt, der sich auf die zeitgenössische
Erzähltheorie einlässt, und ihre literaturdidaktische Umsetzung nicht
unbedingt leichter.
Wägt man sämtliche Strukturmerkmale ab, die "jeweils für die
Bestimmung des Phänomens 'Erzählen'" angeführt werden, dann besteht die
Antwort, wie Matías Martínez (2011a, S.11) betont,
eben "zunächst aus einigen Einschränkungen", die hier im Einzelnen nicht
wiedergeben werden können. Hier belassen wir es daher bei dem
Folgenden:
-
Für
Matías Martínez (2011a,
S.11) "(bleibt) als spezifisches Merkmal von Erzählen im engen wie im weiten Sinn
(...) das ▪ »Was« des Erzählens übrig: die
Geschichte (histoire).
Erzählungen stellen Geschichten dar. Eine Geschichte besteht aus einer
chronologisch geordneten Sequenz von konkreten Zuständen und/oder
Ereignissen, die kausal miteinander vernetzt sind und tendenziell in
Handlungsschemata gefasst werden können." Dabei hätten auch diese
Kriterien "keinen strikten definitorischen Charakter", sondern
erfassten "eher prototypische
Eigenschaften von Erzählungen". Zudem sei das literarische Erzählen
"ohnehin so vielgestaltig, dass es sich empfiehlt, es nicht nur mit
einer Minimaldefinition zu beschreiben, sondern ein möglichst
breites Spektrum seiner Erscheinungsformen zu erfassen.
Für
Monika Fludernik (2006, S. 15)
"(ist) eine Erzählung (engl. narrative, frz.
récit) (...) eine
Darstellung in einem sprachlichen und/oder visuellen Medium, in deren
Zentrum eine oder mehrere Erzählfiguren
anthropomorpher Prägung stehen,
die in zeitlicher und räumlicher Hinsicht existenziell verankert sind
und (zumeist) zielgerichtete Handlungen ausführen (Handlungs- oder
Plotstruktur.) Wenn es sich um eine
Erzählung im herkömmlichen Sinn
handelt, fungiert ein Erzähler als Vermittler im verbalen Medium der
Darstellung. Der Erzähltext gestaltet die erzählte Welt auf der
Darstellungs- bzw. (Text-)Ebene kreativ und individualistisch um, was
insbesondere durch die (Um-)Ordnung der zeitlichen Abfolge in der
Präsentation und durch die Auswahl der Fokalisierung (Perspektive)
geschieht. Texte, die von den Lesern als Erzählungen gelesen (bzw. im
Drama und Film: erlebt) werden, sind automatisch narrative Texte; sie
dokumentieren dadurch ihre Narrativität (engl. narrativity, frz.
narrativité)." (Fludernik
2006, S.13)
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-
Für
Michael Scheffel (2006, S. 105f.) "(ist) unabhängig von der je
nach Ansatz verschiedenen Begrifflichkeit (...) wohl konsensfähig,
dass einer Erzählung im Gegensatz z. B. zur Beschreibung oder zur
Abhandlung) mindestens ein Ereignis zugrunde liegen muss. Dieses
wiederum setzt neben einem Gegenstand (belebt oder unbelebt) den
Wandel einer Qualität dieses Gegenstandes in der Zeit voraus.
[...] Mit den älteren Standardwerken der E(rzähltheorie) ist
überdies davon auszugehen, dass 'Mittelbarkeit' als Gattungsmerkmal
der Erzählung gelten kann und dementsprechend zwischen einem
Erzählvorgang und einem Erzählten Vorgang unterschieden werden muss.
Dabei erscheint es sinnvoll, im Sinne der modernen E. (z. B.
Genette) noch weiter zu differenzieren und im einzelnen von drei
Komponenten der Erzählung zu sprechen: dem Erzählten (die
Gesamtheit der erzählten Ereignisse), dem Diskurs (der
gesamte geschriebene oder gesprochene 'Text', in dessen Rahmen die
Folge der erzählten Ereignisse auf eine bestimmte Weise dargestellt
ist) und dem Erzählen (der Akt, der den Diskurs
hervorbringt)." Was wird erzählt?
-
Für
Wolf Schmid
(2005, S.13ff.) unterscheidet bei seiner Konzeption von
Narrativität zwischen zwei Typen narrativer Texte. Damit soll u. a.
die von ihm kritisierte mangelnde Abgrenzung der sogenannten
"mimetischen Texte" von erzählenden Texten systematisch
vorgenommen werden. Diese stellten nämlich "Veränderungen ohne 'Vermittlung' durch den
einen 'Erzähler'" dar, wie dies z. B. das Drama, der Film, Comics,
das narrative
Ballett, Pantomimen, erzählende Bilder etc. tun.
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-
Narrative Texte im weiteren Sinne sind alle jene Texte,
die strukturalistisch betrachtet, "die
Veränderung eines
Zustands oder einer Situation darstellen." (Schmid
(2005, S.13ff.)
-
Narrative Texte im engeren Sinne, Wolf plädiert hier
dafür, den Begriff "erzählende Texte" zu verwenden (ebd.,
S.18), "sollen Texte genannt werden, die eine Geschichte
denotieren und
eine die Geschichte vermittelnde Instanz (einen 'Erzähler')
entweder explizit oder implizit darstellen."
Dieser
Unterscheidung wird auf teachSam gefolgt.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
19.12.2023
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