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Perspektiven beim Erzählen

Überblick

 
FAChbereich Deutsch
Glossar
Literatur:▪ Autorinnen und Autoren Gattungen Erzählende Texte Überblick Lesen erzählender Texte (Inferenzbildung und Situationsmodelle) Strukturen von Erzähltexten Strukturwandel in der modernen Epik Strukturbegriffe der Erzähltextanalyse Überblick Auswahl (Zusammenstellungen wichtiger Strukturbegriffe) Darstellungsebene und Ebene des Dargestellten WIE WIRD ERZÄHLT? (Zeitgestaltung, Perspektiven, Darbietungsformen ...) ÜberblickModell der narrativen Kommunikation Zeitgestaltung Typologien des Erzählers [ Perspektiven beim Erzählen Überblick ◄ ▪ Modelle der Perspektiven beim Erzählen  ▪ Bausteine ] Darstellung von Ereignissen Darstellung von Rede und mentalen Vorgängen (Darstellungs-/Darbietungsformen) Wissensvermittlung und Informationsvergabe Erzählen über das Erzählen Zuverlässigkeit und Unzuverlässigkeit des ErzählensStilmerkmale der Erzählung Bausteine WAS WIRD ERZÄHLT? (Handlung, erzählte Welt, Figur, Raum) Bausteine Formen erzählender Texte Textauswahl Dramatische Texte Lyrische Texte Literarische Zweckformen  ▪ Literaturgeschichte Motive der Literatur Grundlagen der Textanalyse und Interpretation Literaturunterricht Schreibformen ▪ Analyse und Interpretation von Erzähltexten in der Schule Operatoren im Fach Deutsch
 

 ▪ Schulische Analyse und Interpretation erzählender Texte
Überblick: Erzählsituationen oder variable Merkmalskombinationen als Ansatz der Erzählertypologie
Innen- und Außensicht (point of view)

"Alles eine Frage der Perspektive": Der alltagssprachliche Gebrauch des Begriffs

"Alles eine Frage der Perspektive" ist eine fast redensartliche Wendung im Deutschen geworden, mit der zum Ausdruck gebracht wird, dass die Art und Weise Dinge oder Sachverhalte wahrzunehmen, einzuordnen und zu beurteilen, immer vom jeweils besonderen Blickwinkel abhängt, unter dem die Dinge betrachtet werden. Dabei kann der Blickwinkel von verschiedenen Faktoren abhängen, von der raumzeitlichen Position des Betrachters ebenso wie von persönlichen einschließlich psychischen Faktoren.

Erzählen geht nicht ohne Perspektiven

Wenn etwas erzählt wird, ganz gleich ob es sich um faktuale oder fiktionale Erzählungen handelt, werden bestimmte Momente eines Geschehens ausgewählt, benannt und bewertet.

Diese Vorgänge sind also stets von einer Perspektive geleitet und perspektivieren damit prinzipiell jede erzählte Geschichte. Pointiert gesagt: "Ohne Perspektive gibt es keine Geschichte." (Schmid 2005, S.276)

Perspektive ist nach dieser erzähltheoretischen Auffassung eine Grundeigenschaft, die allem Erzählen zukommt. Perspektive wird dementsprechend "nicht auf eine schon konstituierte Geschichte angewendet (...), sondern auf das ihr zugrunde liegende Geschehen." (ebd., S.125)

Man kann diese Auffassung aus kognitionspsychologischer Sicht teilen, ohne sie zugleich zur Modellbildung für narrative Perspektiven oder Erzählperspektiven zu nutzen. Macht man sie sich allerdings dafür zu eigen, dann können sich davon ausgehend bestimmte Vorstellungen ergeben, wie sie z. B. Wolf Schmid (2005, S.125ff.) in seinem ▪ Modell der Erzählperspektive entwickelt hat.

Kein einheitlicher Begriff der Perspektive bzw. Erzählperspektive

Was unter Perspektive und Erzählperspektive zu verstehen ist, ist in der Literaturwissenschaft bzw. ihrem besonderen Zweig der »Narratologie umstrittener denn je.

Verschiedene Ansätze konkurrieren miteinander und haben inzwischen dazu geführt, dass selbst einschlägige Handbücher Schwierigkeiten haben, die theoretischen Ansätze im Vergleich miteinander so darzustellen, dass das Ganze verständlich bleibt.

Was unter dem Begriff der Erzählperspektive zu verstehen und ob er überhaupt als geeignete Kategorie angesehen wird, hängt also von der jeweiligen Erzähltheorie ab, die fast immer ihre eigene Terminologie entwickelt.

Der Begriff der ▪ Perspektive, wie er in der neueren Erzähltheorie z. B. von Gérard Genette oder ▪  Wolf Schmid verwendet wird, deckt sich jedenfalls nicht mit dem an »Franz K. Stanzels Erzählsituationen orientierten, meist mit seinem ganzen komplexen Konzept synonym verwendeten Begriff der Erzählperspektive.

Und auch Jürgen H. Petersens (1993) Verwendung des Begriffs in seiner ▪ "Kategorientafel" zur Analyse von Erzählsystemen, der auch in synonymer Weise Sichtweise genannt wird, unterscheidet sich wieder davon, indem er den Begriff, soweit er ihn überhaupt verwendet, eigentlich nur auf die ▪ Innen- und Außensicht des Erzählers bei der Darstellung von Figuren anwendet.

Diese verschiedenen Ansätze im Einzelnen hier aufzuarbeiten sprengt den Rahmen und macht auch für den Literaturunterricht an der Schule keinen Sinn. Wir beschränken uns daher darauf, Grundzüge der verschiedenen Ansätze darzustellen.

Erzählperspektive und Perspektive

Wenn im schulischen Literaturunterricht von Perspektiven beim Erzählen oder Erzählperspektiven die Rede ist, dann spielen indessen Konzepte der neueren Erzähltheorie häufig keine oder nur eine geringe Rolle.

Mag dies zum Teil "auch auf Unkenntnis und Unverständnis" (ISB , Bd.2, 2010, S.385) im Hinblick auf die neuere Erzähltheorie  beruhen, so geht der Ansatz der rein strukturalistisch orientierten Erzähltextanalyse eben auch an den inhaltlichen Fragen und Interessen von Jugendlichen im Umgang mit Literatur vorbei.

Trotz des Anspruchs, eine exakte Begrifflichkeit auch in der Schule zu verwenden, artet die Übernahme der Begrifflichkeit der neueren Erzähltheorie leicht zu einer Begriffshuberei aus, die dem "Bedürfnis Jugendlicher, sich mit Problemen, Fragestellungen, literarischen Gestalten auseinanderzusetzen, sich zu orientieren" (ebd., S.384) in einer nicht wünschenswerten Weise entgegenwirkt.

Werden erzählende Texte zum Gegenstand schulischen Lernens, dann steht die Erzähltextanalyse in der Regel im Dienst der meist werk- bzw. textimmanent angelegten Interpretation. Und dafür hat sich, das müssen selbst seine Kritiker immer wieder einräumen, »Franz K. Stanzel (geb. 1924) Konzept der ▪ Erzählsituationen "als Hilfsmittel der Textanalyse bewährt und zählt im deutschsprachigen Raum zum literaturwissenschaftlichen Grundwissen." (Vogt 2011, S.36, vgl. auch: Vogt 2014, S.10f.)

Für die Schule gilt Stanzels "Baukasten mit Anleitungen" (Zink 2010, S.184) jedenfalls noch immer als eine sinnvolle "Interpretationshilfe" (Stanzel 1964/1979, S,10), ganz so wie er selbst offenbar seine missverständlich "Theorie des Erzählens" (1989) genannte Typologie verstanden hat (ebd.).

So bleibt, bei aller Kritik und aller durchaus berechtigten Unkenrufe zum Trotz, die heuristische Brauchbarkeit der Stanzelschen "typischen Erzählsituationen" zumindest für bestimmte historische Formen der Erzählliteratur weiterhin unbestritten (vgl. Wolf 2013, S.186),  selbst wenn der Begriff der Begriff der Erzählperspektive bei Stanzel "nur vage gefasst" (Lahn/Meister 2013, S.104) ist.

Dazu kommt noch, dass Stanzels Modell "zweifellos den Vorzug der Anschaulichkeit (hat), weil seine 'Erzählsituationen' drei bestimmte, literaturgeschichtlich wichtige Merkmalsbündel prägnant zusammenfassen und in ein überschaubares Verhältnis zueinander setzen." (Martínez/Scheffel 2016, S.98) Allerdings bleibt natürlich auch eine solche Sicht in der Literaturwissenschaft nicht unbestritten.

Und so bietet sich, zumindest für die schulische Analyse und Interpretation erzählender Texte, an, auf das Konzept der ▪ Erzähltextanalyse von Jürgen H. Petersen (geb. 1937) (1993, 72006) zurückzugreifen, bei dem trotz aller ▪ Kritik an Stanzel, in seiner "Kategorientafel" (Petersen 1993, S. 8) die von Stanzel als geschlossene Form konzipierte Typologie von idealen Erzählsituationen "in Erzählform und Erzählverhalten auseinandergenommen und dazwischen noch die Kategorien von Standort und Perspektive als zusätzliche Kennzeichnungen einfügt" (Jahraus 2009, S.228) und damit nicht nur Widersprüchlichkeiten in Stanzels Konzept überwindet, sondern auch "die geschlossene Typologie durch einen offeneren Merkmalskatalog ersetzt, der mehr (wenn auch nicht alle) Kombinationsmöglichkeiten und damit eine feinere Klassifizierung ermöglicht." (ebd.)

Während die ▪ typischen Erzählsituationen Stanzels auch über die Grenzen der älteren Erzähltheorie hinweg des ganzen Stanzel-Bashings" zum Trotz durchaus Beachtung und Anerkennung finden, gilt diese jedoch in dieser Form nicht für die später in Form seines Typenkreises mit seinen "wunderlich verflochtenen Achsen, Grenzen, Naben, Speichen, Kardinalpunkten, Felgen und Schläuchen" (Genette 2. Aufl. 1998, S.270) weiter entwickelte Konzeption nicht mehr. (vgl. dazu Martínez/Scheffel 2016, Bode 2005, S.145-206) Kein Wunder, dass dieser auch im schulischen Literaturunterricht keine Rolle spielt und hier auf eine nähere Darstellung verzichtet wird.

Eine pragmatische Herangehensweise ist vor allem bei der schulischen Erzähltextanalyse nötig

Allgemein gilt wohl nach Christoph Bode (2005, S.143), dass es "eigentlich egal (ist), welches Modell man benutzt, welcher Terminologie man sich bedient. [...] Wie bei jedem anderen Instrument bemisst sich seine Tauglichkeit an seiner spezifischen Leistung: Wie gut lässt sich damit arbeiten? Wie handlich ist es? Wie viel Aufschluss gibt es mir, über das hinaus, was ich bereits weiß? Was ist sein Auflösungsvermögen, seine Tiefenschärfe, was bildet es ab, was kann es gar nicht zeigen? Vielleicht am wichtigsten: Wie gut bedient es die konkreten Erkenntnisinteressen, die ich habe?" 

Dies gilt umso mehr für die ▪ schulische Analyse und Interpretation erzählender Texte, bei der es nicht um eine letztlich widerspruchsfreie, kategoriale Terminologie in einem geschlossenen erzähltheoretischen Universum, schon gar nicht um terminlogische Vorherrschaft im Bereich der Erzähltheorie geht, sondern darum bei der Interpretation von literarischen Texten, erzähltheoretische Kategorien, "verstanden als begrifflicher Werkzeugkasten" (Köppe/Kindt 2014, S.33) "im Rahmen unterschiedlich ausgerichteter interpretativer Erschließungen von Erzähltexten" zu nutzen.

 ▪ Schulische Analyse und Interpretation erzählender Texte
Überblick: Erzählsituationen oder variable Merkmalskombinationen als Ansatz der Erzählertypologie
Innen- und Außensicht (point of view)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 19.12.2023

   
 

 
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