Natürlich sind
angesichts der Tatsache, dass unterschiedlichste Disziplinen der
Wissenschaft Anschluss an das Denken »Michel Foucaults
(1926-1984) und namentlich
seiner "Diskurstheorie" gesucht und gefunden haben, auch jede
Menge Definitionen im Umlauf, die Foucaults
Diskursbegriff fassen und bestimmen sollen.
Hilfreich kann
es sein zwischen drei Disziplinen zu unterscheiden, die sich
sich mit dem Diskurs beschäftigen.
Diskurstheorie
kann bezeichnet werden als die systematische Ausarbeitung des
Stellenwertes von Diskursen im Prozess der gesellschaftlichen
Konstruktion von Wirklichkeit.
Unter
Diskursanalyse ist dann die forschungspraktische und methodisch
angeleitete Untersuchung von Diskursen zu verstehen. D
Die
Diskursgeschichte schließlich ist die historische
Forschungsrichtung, welche die empirische Untersuchung von
Diskursen in ihrem geschichtlichen Wandel zum Gegenstand hat.
[9]
Der Begriff des
Diskurses "(bzw. seine mäandrierenden Diskursbegriffe)" (Eggler
22023, S.34f.) ist von Foucault in einer •
weiten und einer
• engeren Fassung verwendet worden.
Hier wird eine
willkürliche Zusammenstellung von Definitionen aus der
wissenschaftlichen Literatur vorgenommen, die im Zusammenhang
mit der Arbeit an diesem teachSam-Arbeitsbereich eine Rolle
spielen.
Weitere Ansprüche, als einen gewissen Einblick in die
Definitionsvielfalt zu geben, werden damit jedenfalls nicht
erhoben. Eine Einordnung in die theoretischen Konzepten der
jeweiligen Fachdisziplin kann hier also nicht vorgenommen
werden. Dabei soll auch nicht der Eindruck vermittelt werden,
als sei dies ein Definitionsspiel mit offenem Ende. Schließlich
muss gerade in der Wissenschaft immer wieder klar sein, "welche
Lesart von Diskurs in einem wissenschaftlichen Text gemeint ist"
(Spitzmüller/Warnke
2011, S.7), um der Gefahr von Missverständnissen,
insbesondere mit der bildungssprachlichen Lesart des Begriffes,
entgegenzuwirken, die schon längst in die Wissenschaftssphäre
zurückwirke. (vgl.
ebd.)
1. In die Form einer
vereinfachenden Kurzdefinition
gebracht, die sich an der
Verwendung des Begriffs in Foucaults Werk
»Archäologie
des Wissens orientiert, könnte Diskurs nach
Parr (2014)
"eine Praxis des
Denkens, Schreibens, Sprechens und auch Handelns" bedeuten, "die diejenigen
Gegenstände, von denen sie handelt, zugleich selbst systematisch
hervorbringt." (ebd.,
S.234)
2.
Titzmann
(1991, S.406, zit. n.
ebd.,
S.101) hat als kleinsten gemeinsamen Nenner für den mittlerweile inflationär
verwendeten Begriff "Diskurs" folgende Definition formuliert, die wir hier
in der Fassung von
Köppe/Winko
(2008, S.101, vgl.
Winko
1996/82008, S.464) wiedergeben:
"Unter »Diskurs« wird ein »System des Denkens
und Argumentierens« verstanden, das durch einen gemeinsamen
»Redegegenstand«, durch »Regularitäten der Rede« und durch »Relationen zu
anderen Diskursen« bestimmt ist."
3.
Rosa/Strecker/Kottmann (32018, S.293) haben die
folgende Definition erarbeitet:
"Als
Diskurs bezeichnet Foucault jede Gruppe von Aussagen, die in
einer Beziehung zueinander stehen, die durch bestimmte
Formationsregeln analysiert werden kann. Aussagen sind dabei
nicht als Akte der Äußerung oder logische Gehalte zu
verstehen, sondern als das
Gesagte in seiner reinen
Materialität (bzw. »Positivität«), eben als Gesagtes." (Rosa/Strecker/Kottmann
32018, S. 293)
4.
Sich
(2018, S.31) fasst den Begriff wie folgt:
"Ein Diskurs (oder: eine diskursive Formation) lässt
sich, grob gesagt, als ein historisches, singuläres Ensemble
von Aussagen bezüglich eines spezifischen Gegenstandes
begreifen. Dabei gelten die Arten und Weisen, wie und was
über den Gegenstand ausgesagt wird, als konstitutiv für
diesen Gegenstand selbst."
5.
Bendel Larcher/Egger (22023) betonen mit ihrer
Definition die
Wechselwirkungen von Diskurs, sozialen Praktiken und Umwelt.
"Ein Diskurs ist der gesellschaftliche Prozess der
Verständigung darüber, wie die Welt zu deuten und zu gestalten
ist. Der Diskurs wird durch die materielle Wirklichkeit geprägt
und wirkt durch gesellschaftliche Praktiken auf diese zurück.
Der Diskurs äußert sich in konkreten Texten, die das Wissen und
Denken einer bestimmten Zeit repräsentieren." (ebd.,
S.28)
6.
Landwehr (2018, S.5) arbeitet als den Kernbestandteil des
Diskurses im Anschluss an
Sarasin (1996) heraus:
"Dies ist
der Kernbestandteil von Diskurs, [...] dass Wissen und
Wirklichkeit Ergebnisse sozialer Konstruktionsprozesse sind
und dass Gesellschaften auf diesem Weg ihre Umwelten mit
bestimmten, keineswegs zufälligen Sinnformen ausstatten, ja,
dass diese diskursiv konstituierten Sinnformen solcherart
objektiviert werden können, dass sie nahezu naturnotwendigen
Charakter annehmen. [Sarasin
1996]" Mit Michel Foucault gesprochen, könnte man das
diskurstheoretische Anliegen derart auf den Punkt bringen,
dass es um die Differenz geht zwischen dem, was sich
theoretisch sagen, machen und denken lässt, und dem, was
tatsächlich gesagt, gemacht und gedacht wird. [Michel
Foucault, Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits, Bd. 1:
1954-1969, hrsg. von Daniel Defert/François Ewald, Frankfurt
a.M. 2001, S. 874f.] Indem sich in Diskursen Regeln
verfestigen, die das Sagbare, Denkbare und Machbare
betreffen, organisieren sie Wirklichkeit. "
Alle diese und
andere Definitionen haben ihr Für und Wider, das hier nicht
erörtert werden kann. Unterstrichen werden soll an dieser Stelle
nur, dass die oben genannte Definition von Parr klarstellt, dass
es außerhalb von bestimmten Diskursen keine existierenden,
"objektiven", quasi natürlich vorgegebenen Wahrheiten gibt.
Zudem betont sie, dass, das, was wir als gesichertes und unumstößliches Wissen
ansehen, in solchen Diskursen unter dem Einfluss von •
Macht konstruiert wird,
seien es Vorstellungen über Recht und Moral, das gute Leben,
Geschlecht, ja letztlich alles, was unser Leben bestimmt, ordnet
und ausmacht. Auf diese Weise werden die normierten und als
legitim angesehenen Sichtweisen zu dem jeweils
• diskursspezifischen Wissen.
Diskurse
verlaufen also nicht chaotisch, plätschern nicht einfach so vor sich
hin. Sie entstehen nicht aus sich selbst heraus und regeln sich
also auch nicht selbst. Als Bestandteile von Machtpraktiken
folgen sie den Vorgaben einer zunächst vielleicht etwas ominös
erscheinenden • Macht, unter der
man vereinfacht eine Größe verstehen kann, "die in Diskursen
Ordnung stiftet" (Köppe/Winko 200,
S.100).
Zugleich
stellen Diskurse aber selbst einen "Machtfaktor"
(Jäger/Zimmermann
2010 , S.13, Kindle Edition), weil sie als "»Träger«
von (jeweils gültigem) »Wissen«" dadurch Macht
ausüben, dass sie "Verhalten und (andere) Diskurse induzieren"
und damit "zur Strukturierung von Machtverhältnissen in einer
Gesellschaft bei(tragen)." (ebd.)
Die "Macht", so
führen Köppe/Winko
(2008) weiter aus, "manifestiert sich in verschiedenen
Ausschlussmechanismen: in
diskursexternen
Ausschließungsprozeduren (z.B. in Verboten, in der Ausgrenzung
bestimmter Redeweisen als ›wahnsinnig‹, im wissenschaftlichen
›Willen zur Wahrheit‹), in internen Kontrollmechanismen (z.B. im
Kommentar, in der Zuschreibung eines Textes zum Autor, der
Zuordnung zu Disziplinen) sowie in Kontrollmechanismen, die den
Zugang zu Diskursen regeln (etwa im Erziehungssystem, in
Ritualen, in Doktrinen verschiedener Art)." (Köppe/Winko 200,
S.100), Hervorh. d. Verf..
Wie man sich die
"produktive" Seite von Diskursen
vorstellen
kann, hat Foucault an sozialen Erscheinungen wie ›Wahnsinn‹,
›Sexualität‹ oder ›Normalität‹ in verschiedenen Werken und
Abhandlungen gezeigt und darin verdeutlicht, wie sich dies auf
den einzelnen Menschen als • Subjekt
und und auf Gruppen von Subjekten ausgewirkt.