Um die engere
Definition des Diskursbegriffs zu verstehen, muss man zunächst einmal die beiden
Begriffe Aussage und
Formationssystem klären.
Aussagen
Aussagen, wie
Foucault sie versteht, haben keine feste, von den Regeln der Formation
und ihrer Geschichte unabhängige Bedeutung und können auch
keinem konkreten Sprecher zugeordnet werden. Sie sind
einfach sprachliche ›Ereignisse‹, die als solche ernst zu
nehmen sind. Daher sind Aussagen für ihn auch "keine »Dokumente«
(also als Beleg für etwas), sondern [...] stumme »Monumente«
[...], die sich gesetzmäßig formieren. (Sich
2018, S.31) Aussagen sind für Foucault allerdings keine
singulären Äußerungen. Vielmehr besteht die Idee der Aussage darin,
dass sie "den typischen bzw. typifizierbaren Kern oder das sich
wiederholende Muster in einer Serie von Äußerungen" (Keller
2019, S. 52) im Rahmen des im Diskurs zur Sprache gebrachten
Wissens darstellt.
Mehrere
Aussagen zusammen bilden ein
"Aussagesystem" (Rosa/Strecker/Kottmann
32018, S. 292) (diskursive
Formation) und damit einen Diskurs, der für die Gesamtheit
des Wissens steht, die eine bestimmte •
diskursive Praxis ausmacht (vgl.
Kammler
2014, S.303). Das Aussagesystem ist dabei historisch
variablen Regeln unterworfen. Die Aussagen bilden ,
wie Foucault sagt, gemeinsam ein "Archiv"
aus heterogenen Elementen.
Die Aussagen
werden auf ihre Wirkungen hin analysiert, um am Ende in einer
historischen Perspektive die "Episteme der eigenen Kultur
freizulegen" (ebd.).
Dabei geht es darum, "die Regeln, die das Denken, Sein und Tun der
Menschen einer Kultur [zu] erschließen" (ebd.) und zu bestimmen.
Unter der
diskursanalytischen Perspektive geht es darum, "die
dahinterliegenden Bedingungen, die Regeln, unter denen eine
Formulierung zu einer Aussage im Diskurs wird, offen zu legen." (Lorenz
2022, S.94)

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Formationssystem
Die Beziehungen der Aussagen untereinander
verbinden sie zu diskursiven Formationen.
Mit diesem Begriff bezeichnet Foucault Systeme, Ordnungssysteme,
die nicht darauf beruhen, dass Aussagen sich wirklich dadurch
ordnen lassen, dass man sie nach einem bestimmten inneren
Prinzip strukturiert, sie irgendwie zu übergeordneten Einheiten
zusammenfasst oder auf ihren Begriff bringen will. Stattdessen
gehe
man von einem "System der Streuung" (ebd.,
S.58) aus. Dies besagt, dass die Aussagen von ihrer "sukzessiven Erscheinung, Korrelationen in ihrer
Gleichzeitigkeit, bestimmbare(n) Positionen in einem gemeinsamen
Raum, ein(em) reziproken Funktionieren, verbundene(n) und
hierarchisierte(n) Transformationen" (Foucault
1981, S.57) zu betrachten seien. Sobald man "bei
Objekten, den Typen der Äußerung, den Begriffen, den
thematischen Entscheidungen eine Regelmäßigkeit (eine Ordnung,
Korrelationen, Positionen und Abläufe, Transformationen
definieren können, wird man übereinstimmend sagen, daß man es
mit einer diskursiven Formation zu tun hat". (ebd.)
Als "Menge
verstreuter Ereignisse" (Foucault 1973/1981,
S.34) werden die diskursiven Ereignisse "nicht auf
einen inhärenten Sinn befragt [... ], sondern allein aus ihren
Beziehungen untereinander untersucht". (Rosa/Strecker/Kottmann
32018, S. 293) Das Vorgehen, mit dem das
geschehen kann, bezeichnet Foucault als •"archäologisch"
und hat es in seinem Werk
»Archäologie des Wissens
(1969) ausführlich beschrieben. Es bezeichnet "ein
diskursanalytisches Verfahren, das die Grundlagen der
Wissenssysteme einer Epoche zum Vorschein bringen soll" (Sich
2018, S.10) bzw. "Strukturen des Denkens einer bestimmten
Epoche feststellt, um sie den entsprechenden Konfigurationen
einer anderen Epoche gegenüberzustellen." (Sarasin
2005/22006, S.71)
Die •
(Diskurs-)Analyse
geht also wie Foucault das nennt, •"archäologisch" vor: Sie sucht und
gräbt, um im Bild zu bleiben, im Rahmen historischer Schnitte nach "positiven" Fakten", d. h. feststellbaren und/oder nachweisbaren
Fakten. Sie trägt ihre Funde zusammen, die zu einem bestimmten
Aussagesystem gehören.