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Aspekte der Erzähltextanalyse

Interpretationsansätze

Franz Kafka (1883 - 1924) Andere kurze Erzählungen Prometheus

 
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Glossar Literatur
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Stereotype Deutungsansätze vs. Analyse von Codes

Bei einer schulischen Textinterpretation ▪ Franz Kafkas Text "Prometheus", die den parabolischen Charakter des Textes zur Grundlage einer textnahen Interpretation macht, kommen wohl vor allem die nachfolgenden Interpretationsansätze zum Tragen. Dabei gilt es natürlich zu betonen, dass es stets einen Pluralismus toleranter Interpretationen gibt, der durch die nachfolgende Auswahl nicht eingegrenzt werden soll. Der in den "Daten" eines Textes verborgene Textsinn lässt sich nämlich auch bei bestem Willen im Text nicht finden, denn "welchen Sinn, welche Bedeutung man mit literarischen Texten verbindet, ist ... eine Entscheidung, die der Interpret fällt." (Horst Steinmetz 1995, S.475).

Kafkas Text als Parodie des griechischen Mythos

Wer die Überlieferungsgeschichte des Prometheus-Mythos berücksichtigt, weiß, dass schon in der Antike unterschiedliche Versionen des Mythos kursierten. Zugleich gab es immer wieder den Versuch, den Mythos in einer Art Original zu rekonstruieren. Ausgehend von diesen Überlegungen kann die in den knappen Sätzen dargebotenen Versionen der Sage als spöttischer Kommentar zu einem von vornherein zum Scheitern verurteilten Vorhaben damit als Parodie seiner vermeintlich wíssenschaftlich-akribischen Fixierbarkeit einer dynamischen Mythosentwicklung gelesen werden. (vgl. Kalman 2007, S.53f.) So könnte die Tatsache, dass die dargestellten Versionen den Eindruck hinterlassen, sie gehörten gar nicht zum selben Mythos als ironischer Kommentar zu einer vereinheitlichenden Rekonstruktion und Interpretation des Mythos verstanden werden. Kafkas Prometheus kann also unter diesem Blickwinkel als die Geschichte der vergeblichen Bemühungen der altmodischen, bodenständigen Philologie gelesen werden, mit einer vollständigen positivistischen Analyse und Zusammenstellung der überzeitlichen Wahrheit des Mythos näher zu kommen. (vgl. ebd.) Kafka, so erscheint es auch Reffet (2001, S.191), "möchte zeigen, dass die Mythologie unzulänglich gedeutet wurde."

Der Mythos als eine Summe seiner verschiedenen Versionen

Eng im Zusammenhang mit der obigen Interpretation, steht nach Kalman (2007, S.53f.) die These, dass Kafka damit den Mythos als eine Summe seiner verschiedenen, sich überschneidenden Formen darstellen will. Um die Geschichte in ihrer Tiefe zu verstehen und sie überhaupt zu studieren, müsse man alle Varianten kennen und den Mythos Zusammenhang mit der Gesamtheit verwandter Geschichten lesen. Allerdings könnten wir auch dann, das machen die letzten Sätze des  "Prometheus" deutlich, auch damit dem prinzipiell Unerklärlichen nicht ausweichen.

Die verschiedenen Versionen als unterschiedliche Aspekte des Mythos

In einer weiteren textnahen Interpretation können, so Kalman (2007, S.54), die verschiedenen Versionen der Sage als unterschiedliche Aspekte der Geschichte aufgefasst werden. Dabei sei die erste Version zeitlos, insofern sie sich in einer sich ständig wiederholenden Zeit abspiele und damit Teil einer mythischen Zeitstruktur, in der eine Handlung unendlich oft wiederholt wird, bis zum Ende der Zeiten. Die Version gehöre hingegen zu in einer Welt, in der die Zeit fortschreite. So hinterließen die sich immer wiederholenden Handlungen sichtbare Spuren in der realen Welt: Langsam und allmählich verschwinde der Held Prometheus , "bis er [,,,]eins wurde“ mit dem Felsen. In der zweiten Version der Geschichte gäbe es damit ein Ende (so wie es auch einen Anfang und eine Mitte gebe. Die dritte Version der Sage habe zwar eine ähnliche Struktur, allerdings lasse sie den Leser weiter im Unklaren darüber, was tatsächlich geschehen sei: So wisse er nicht, ob das Vergessen ein langsamer Prozess oder eher ein plötzliches Ereignis gewesen ist. Ebenso wenig sei auch der  auch der Schluss ist nicht klar, so dass der Leser sich am Ende frage, was tatsächlich in diesem Vergessenprozess geschehen sei, ob die die Qualen von Prometheus einfach aufgehört, die Adler einfach so von ihm abgelassen hätten. Auch die vierte Version der Sage habe eine gewisse Ähnlichkeit mir der dritten, denn in beiden seien die Handlungen (das Vorwärtskommen und das Ermüden) Ergebnis des Fortschreitens der Zeit. Allerdings hätten die Akteure keine Möglichkeit den fortschreitenden Prozess wahrzunehmen und zu kontrollieren, zumal er auch nicht mehr von den Adlern abhänge, sondern von einer  bedeutungslos gewordenen Angelegenheit.

Die ursprüngliche mythische Struktur und ihr Wandel

Nach Kalman (2007, S.54) kann eine weitere Deutung davon ausgehen, dass die drei Geschichten die möglichen Ergebnisse der ersten seien und die Variationen Hinweise auf das Verständnis der Natur der Bestrafung gäben.Die ursprüngliche Strafe weise mit ihrer ewigen Dauerdie typische mythische Struktur auf, deren Ergebnis, wie in der weiten Version dargestellt, der unendliche Schmerz und der völlige Untergang von Prometheus, und damit der endgültige Vollzug seiner Strafe, sei. Die dritte beginne mit dem Eintreten des Vergessens, das vielleicht für eine Art Verzeihung stehen könne. Die vierte Version ende hingegen eher zufällig, sei ein rein physischer Abschluss, ohne weitere Motivation. Die Bestrafung kann auf unerwartete und unbeabsichtigte Weise enden. Gegen die Annahme, die Versionen bildeten eine chronologische oder linear-sequenziell Reihenfolge ab, spreche dabei die Tatsache, dass logischerweiseie dann auch vierte Version der dritten vorausgehen müsse und nicht umgekehrt.

Religiöse Interpretation

Die Struktur des Textes mit seinen verschiedenen Mythosvarianten kann, so Kalman (2007, S.54) auch als Nachahmung der jüdischen Midrasch-Struktur durch Kafka verstanden werden.. Der »Midrasch stelle eine Erklärung oder Auslegung der Schrift dar, oder besser gesagt, Erklärungen zusammen mit Erklärungen von Erklärungen. Es sei eine besondere Art und Weise, einen biblischen Vers zu lesen und zu interpretieren. Zu einem Teil der Schrift gebe es natürlich mehrere Auslegungen, und darüber hinaus gebe es eine Reihe von zusätzlichen Text- und Auslegungstraditionen. Auch die Form von Kafkas Text erinnere an die chassidische Tradition erinnern.

Bedeutungsverlust des Mythos

Kafka stellt den zunehmenden Bedeutungsverlust des Mythos im Zuge der Zeit dar. In den vier Versionen kommt dies, wenn sie die Reihenfolge ihrer Darbietung als zeitliches Nacheinander und nicht als Konkurrenz gleichzeitig kursierender Versionen des Mythos sieht, zum Ausdruck, bei der am Ende eigentlich nichts mehr vom ursprünglichen Mythos übrig ist, weil die Erinnerung daran, und die kulturellen Praktiken und Medien, mit denen eine solche Erinnerung wach gehalten und konserviert hätten (z. B. schriftliche Erzählungen des Mythos, bildliche Darstellungen, die Zeit überdauernde kulturelle Riten o. ä.) werden können, offensichtlich nicht existieren. In der mündlichen Überlieferung, die an die Erinnerung bzw. das Erinnerungsvermögen einzelner und bestimmter sozialer Gruppen gebunden ist, geht das Wissen um den Wahrheitsgrund des Mythos ebenso verloren wie über seine konstitutiven Elemente. Intention Kafkas könnte es daher sein, die unaufhaltsame, allmähliche Auflösung einstmals Orientierung und Identität schaffender kultureller und symbolischer Bedeutungen zu zeigen. Zugleich kann man, unter autobiografischer Perspektive, darin auch Kafkas allgemeine Skepsis gegenüber traditionellen Werten und Autoritäten widergespiegelt sehen.

Existenzialistische Interpretation

An die Lesart vom Bedeutungsverlust des Mythos unter zeitlicher Perspektive lässt sich eine existenzialistische Interpretation anschließen. Wenn Mythen, wie der von Prometheus, aus dem die Menschen Halt, Orientierung und Identität gewonnen haben, im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten, geht damit alles verloren, was seine Funktion ausgemacht hat. Am Ende steht der moderne Mensch in einer existenziellen Sinnlosigkeit dar, weil sich alle kulturell, sozial oder individuell konstruierten Sinngebungen ins Nichts auflösen.

Unter dieser Deutungsperspektive können auch einzelne Versionen der Sage interpretiert werden. So kann die Version, in der Prometheus mit dem Felsen verschmilzt, als Metapher für die Preisgabe der eigenen Individualität und damit auch als Entfremdung des modernen Menschen von sich selbst und seiner Umwelt interpretiert werden.

Politische Interpretation

Liest man die die Abfolge der verschiedenen Versionen der Sage als allmählichen Legitimationsverlust der Götter, die auf Dauer nicht in der Lage sind, die Deutungshoheit über den Mythos zu verteidigen, kann man die "Geschichte" auch als zunehmende Ohnmacht der Götter und damit aller Autoritäten sehen, bestimmte Narrative, wie hier das vom "Verrat" von Prometheus zur Legitimation ihrer eigenen Herrschaft für alle Zeit aufrechtzuerhalten.

In ähnlicher, allerdings materialistisch bzw. marxistisch fundiert,  hat der deutsche Philosoph »Peter Wolfgang Heise (1925-1987), der an der »Humboldt-Universität zu Berlin (DDR) utopische Philosophie lehrte, sich in einer Vorlesung, gehalten an der Humboldt-Universität zu Berlin nach 1983, die • politische Botschaft von Franz Kafkas Prosatext "Prometheus" herausgearbeitet, die der Text unabhängig von den Intentionen seines Autors enthalte. Er betrachtet Kafkas Fabel/Parabel als Darstellung des "Leerlaufen(s) der bürgerlichen Emanzipationsideologie" (Heise 1983/2013, S.201) und als "Ende einer Klassenillusion." (ebd., S.202)

Stereotype Deutungsansätze vs. Analyse von Codes

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 19.01.2025

 
 

 
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