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Aspekte der Erzähltextanalyse

Das Ende einer bürgerlichen Klassenillusion?

Franz Kafka (1883 - 1924) Andere kurze Erzählungen Prometheus

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur
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Der • Bedeutungsverlust, den der Prometheus-Mythos im Zuge der Zeit in ▪ Franz Kafkas Text "Prometheus" erfährt, wird unter den Prämissen der materialistischen bzw. marxistischen Literaturwissenschaft in der DDR zu einer Erzählung vom Ende einer bürgerlichen Klassenillusion.

Der deutsche Philosoph Peter Wolfgang Heise (1925-1987), der an der Humboldt-Universität zu Berlin (DDR) utopische Philosophie lehrte, hat sich in einer Vorlesung, gehalten an der Humboldt-Universität zu Berlin nach 1983 mit Franz Kafkas Prosatext "Prometheus" auseinandergesetzt.

Kafka habe unter dem Eindruck der "stürmischen ersten Jahre der neuen geschichtlichen Epoche, die mit der Oktoberrevolution begannen" (Heise 1983/2013, S.198), den  "Sinnverlust einer Tradition" konstatiert, die in der Sagengestalt des Prometheus das Sinnbild emanzipatorischen Strebens, des Aufstands wider die Götter, die himmlischen und irdischen Götter, (ebd.)

Seiner Ansicht nach spricht Kafkas "Prometheusfabel" – Heise spricht sowohl von Fabel als auch Parabel –  [...] aus, "was aus den heroischen Illusionen des Bürgertums in dessen geschichtlicher Praxis geworden ist. Aber – sie verabsolutiert in der Denunzierung das Resultat, begräbt mit der bürgerlichen jede Emanzipation, bestätigt indirekt, was sie entlarvt."  Auch wenn Kafkas "Prometheusdeutung mehr als ein Leerlaufen der bürgerlichen Emanzipationsideologie sei (ebd., S.201), erzähle sein Text doch "die absolute Niederlage prometheischen Ringens, das Ende einer Klassenillusion." (ebd.S.202)

Kafka habe das in der alten Sage reflektierte historische Geschehen bei seinen  deutenden Variationen außen vor gelassen und den Verrat und die daraus entstehende Schuld zum Ausgangspunkt seiner Darstellung gemacht. Indem er sich ausschließlich darauf fokussiert habe, sei auch "in keiner der Varianten [...] noch ein Herakles zu erwarten, der Prometheus befreit. Sein Scheitern ist endgültig."  (ebd.S.197) Auf diese Weise werde der Leidenssinn des »göttlichen Dulders« demontiert.

"Die erste Fassung läßt ihn offen, die zweite reduziert ihn auf die unsägliche Bewegung des Prometheus, der vor Schmerz sich in den Felsen drückt, mit ihm eins wird, sich auslöscht. Die dritte Variation läßt Tat und Urteil im Vergessen versinken, die Götter vergaßen, warum sie Prometheus straften, Prometheus, warum er leidet; nur der fast zeremoniell gesetzte Zustand bleibt, jetzt unerklärlich und sinnlos geworden, da täglich wiederkehrend der Adler die Leber des Gefesselten frißt – die endlose Qual einer nur faktischen, uneinsichtigen Ordnung. In der letzten Variation erstarrt die Bewegung in Müdigkeit. Was vorher noch sinnlos–automatenhaft geschah, wird schließlich müde, steht still, alle Bewegung stirbt. Die grundlose Ordnung verfällt. Wohl schließt sich müde die Wunde, doch kein befreiter Prometheus erhebt sich. Täter, Richter und Henker treffen sich im Zwang bleierner Müdigkeit. Die große Empörung ist vergessen." (ebd.)

Am Ende bleibe nur das Felsgebirge übrig in seiner Unerklärbarkeit. Es ist "Modell dessen, was ist. Die Erklärung, die erwartet wird, ist Erklärung nach Art der Sage, ein verständliches menschlich-göttliches Geschehen, aus dem es als irgend gestiftet und geordnet sich herleitet. Diese Frage bleibt ohne Antwort – ihre Erwartung greift ins Leere.
Kafka endet in religiösem Paradox. Unerklärlichkeit bleibt:  Das Unerklärliche wird zum Signum des Wahrheitsgrundes, die Not des Nichtbegreifens zur Tugend, die Wahrheit verbürgt, während umgekehrt angesichts vorausgesetzter Unerklärlichkeit Wahrheit zum sinnlosen Wort wird. Die Vergeblichkeit prometheischen Kämpfens bestätigt sich in der Unmöglichkeit, den sinnlich greifbaren Fels je begreifen zu können. Unbegreifbar wie er erscheint der Menschen Treiben. Aber dies Treiben wird in den Grundmotiven der von der alten Fassung abweichenden Varianten greifbar: der Schmerz des den Adlern ausgesetzten einsamen Prometheus, das Vergessen seines Sinnes, damit seine Sinnlosigkeit als gewordene, schließlich die unendliche Müdigkeit." (Heise 1983/2013, S.197f.)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 20.12.2024

 
 

 
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