Die narrative Kommunikation basiert auf dem
Zusammenwirken verschiedener einander über- bzw. untergeordneter
Kommunikationssysteme
Die Kommunikation zwischen
realem Autor
und realem Leser
verläuft bei einem epischen Text über ein ineinander verschachteltes,
dadurch einander über- oder untergeordnetes System von drei bzw. vier
verschiedenen Kommunikationssystemen. (vgl.
Schmid
1973, 2005,
S.48;
Pfister 1977, S.20f.) Man kann sie sowohl unter der Fragestellung ▪
"Wer erzählt? ", als auch der Frage ▪ "
Wie wird erzählt?" betrachten.
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Dabei ist allerdings zu beachten, dass der ▪
abstrakte Autor (implizierte Autor) mit seiner
anthromomorphisierenden
Bezeichnung eigentlich keine Senderinstanz im Modell literarischer
Kommunikation darstellen kann, weil er sich nicht mit einer "Stimme" im
Text artikuliert, "ihm kein einzelnes Wort im Erzähltext" zugeschrieben
werden kann
Schmid 2005, S.61). Letzten Endes ist er nur eine Vorstellung, die
sich ein Leser anhand von unterschiedlichen Anzeichen (Symptomen)
über die verschiedenen schöpferischen Akte (Erfinden einer aus
Situationen, Handlungen, Personen bestehenden Geschichte und deren
Konkretisierung in einer Erzählung usw.) macht. Dessen ungeachtet wird
der abstrakte Autor dennoch in das Kommunikationsmodell eingefügt, weil
man mit seiner Hilfe verdeutlichen kann, dass auch ein noch so
allwissend und allmächtig daherkommender Erzähler, dessen Text und seine
Bedeutungen auf Textebene gestaltet sind. (ebd.,
S.64) Darin erschöpft sich aber wohl das Konzept im Bereich der
Literaturdidaktik und des Literaturunterrichts in der Schule.
So wirken das äußere und das innere Kommunikationssystem
zusammen
Im Gegensatz zur ▪ dramatischen Kommunikation ist die Sprechsituation
bei narrativen Texten auf zwei werkinternen
Kommunikationsebenen angelegt:
-
N1 - (S(ender)/E(mpfänger)1↔S/E
1)
Im Bereich des inneren Kommunikationssystems
(N1) findet die dialogische Kommunikation zwischen
den fiktiven Figuren einer Erzählung statt.
-
(N2)
- (S2→E2):
Das vermittelnde Kommunikationssystem
bildet die Kommunikation zwischen dem Erzähler (S 2) als
Vermittler der erzählten Geschichte in der Kommunikation mit dem im Text
formulierten fiktiven Hörer/Leser als Adressaten (E 2) ab.
Dazu
kommen die beiden äußeren
Kommunikationssysteme:
-
N3 - S3→E3:
Auf Textebene Kommunikation zwischen
abstraktem (=
impliziertem) Autor mit seinem Gegenstück dem
implizierten Leser;
(geht man, wie oben formuliert davon aus, dass der abstrakte Autor keine
Senderinstanz ist, wird diese Ebene als Ebene der Kommunikation
wegfallen)
-
N4 - S4→E4
Kommunikation des
empirisch, real
oder konkret
genannten Autors (S4) als historische bzw. lebende Person mit dem
tatsächlichen Leser bzw. der prinzipiell unendlichen Anzahl von möglichen
oder schon gewesenen Rezipienten eines Textes (E-4)
Die
Differenzierung der drei unterschiedlichen Kommunikationsebenen
(N1, N2 und N3/4) verdeutlicht u. a. die Unterschiede zwischen dem
fiktiven Erzähler und dem realen historischen Verfasser sowie zwischen dem
fiktiven Leser und dem tatsächlichen empirischen Leser und macht die
Unterschiede zur dramatischen Kommunikation deutlich, bei der "die
Positionen S2 und E2 nicht besetzt sind, das vermittelnde
Kommunikationssystem also ausfällt." (Pfister 1977,
S.21)
Das Kommunikationsmodell und Stanzels Konzept der
Erzählsituationen
im älteren Konzept der ▪
Erzählsituationen/Erzählperspektiven (Stanzel) kann das Modell der
narrativen Kommunikation die Strukturen beim auktorialen, bei der Ich-Erzählung und
beim personalen Erzählen verdeutlichen:
-
Beim ▪
auktorialen Erzählen werden die beiden Positionen S2
(Erzähler/Erzählstimme) und und E2 (der im Text formulierte Hörer/Leser
als Adressat) durch eigenständige Figuren besetzt
-
Bei der ▪
Ich-Erzählung wird S2 durch eine Figur besetzt, die auch im inneren
Kommunikationssystem fungiert
-
Beim ▪
personalem Erzählen werden die Positionen S2 und E2 tendenziell auf
den Wert Null gesetzt ("asymptotische Annäherung an das dramatische
Kommunikationsmodell",
Pfister 1977,
S.20f.)
Das Kommunikationsmodell in der Erzähltheorie Genettes
In der Erzähltheorie von »Gérard
Genette (1930-2018) (1972,
dt. 1994)
entsprechen die beiden Erzählebenen Ebene des
Erzählten und Ebene des Erzählens (histoire
und discours) dem inneren
Kommunikationssystem (histoire) und dem vermittelnden
Kommunikationssystem (discours).
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
19.12.2023
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