Der Monolog ist mehr
als nur ein Selbstgespräch
Der Monolog stellt eine Einzelrede einer Figur ohne einen
Kommunikationspartner dar, an den die Rede gerichtet ist. Insofern stellt er
situativ betrachtet ein tendenziell längeres Selbstgespräch dar. Solche laut
gesprochenen Selbstgespräche führen wir im normalen Leben eher selten, sie
können aber durchaus vorkommen. Dass sie im Drama vorkommen, hat
verschiedene Gründe, vor allem sind sie aber Ergebnis von historisch
bedingten Konventionen, die solche lauten Selbstgespräche vor Publikum als
zulässig angesehen haben - oder eben auch nicht.
Das situative Kriterium allein reicht indessen nicht aus, um die
wesentlichen Aspekte monologischen und dialogischen Sprechens zu erfassen.
Mit einem strukturellen Kriterium, das den Umfang und die Geschlossenheit
einer Replik mit einbezieht, lassen sich Abstufungen monologischen und
dialogischen Sprechens in der ▪ dramatischen Rede
besser differenzieren. Unter Berücksichtung des "Mehr oder Weniger an
Monologhaftigkeit bzw. Dialoghaftigkeit" (Pfister
1977, S.186) lassen sich so wichtige Hinweise zur Analyse und
Interpretation ▪ dramatischer Texte ermitteln.
Etwas vereinfacht ausgedrückt gibt es nämlich Monologe, deren Gegenstand vor
allem in eine einzige, dem Sprecherkontext zugeordnete Richtung weisen, und
andere, die das nicht tun.
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Jene besitzen eine gewisse Geschlossenheit und sind Monologe, die
einen rein monologischen Charakter besitzen, da sich das, was darin
zum Ausdruck gebracht wird, auf einen in sich geschlossenen
kognitiven und affektiven Horizont des Sprechers zurückführen lässt.
Solche "geschlossenen" Monologe kann man, zugegeben etwas
verwirrend, als monologhafte
Monologe bezeichnen.
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Daneben gibt es aber auch Monologe, die anders sind und auf ihre Art
und Weise dialoghaft wirken. Das sind Monologe, bei denen "(sich)
auch in der Rede einer einzelnen Figur (...) mehrere Kontexte
durchdringen und ablösen können." (ebd.,
S.182)
Dialoghaft in diesem Sinne sind z. B. Monologe, in denen sich die
Sprecher in der zweiten Person (Personalpronomen:
Du) in einer Art "innerem Dialog"
selbst anreden (Selbstapostrophierung)
und dieses "Du" im Monolog zu einem Gegenüber oder mehreren
Gegenübern wird.
Als solche können diese auf "eigene" Kontexte zurückgreifen, um z.
B. im "Gegeneinander von Seele und Leib, von Herz und Verstand, von
Pflicht und Neigung, von früherem und jetzigem Sein usw." (ebd.)
mit häufigen und radikalen
semantischen
Richtungsänderungen um eine Entscheidung ringen.
Kommunikationspsychologisch
lässt sich dies als den Widerstreit innerer Stimmen verstehen, wie es Schulz
von Thun mit seinem
Konzept der inneren Pluralität des Menschen vorstellt.
Auch wenn sich eine Figur in ihrem Monolog
ad spectatores
an das Publikum wendet, handelt es sich tendenziell um einen eher
dialoghaften Monolog.
Monologe als Mittel der strukturellen
Gliederung der Dramenhandlung
Vorwiegend dramaturgisch-strukturierende Funktion besitzt der Monolog, wenn er entsprechend
der klassizistischen Regeln der Szenenverknüpfung, die eine leere Bühne
(Nullkonfiguration) untersagt, zwei
Szenen so miteinander verbindet, dass kein Einschnitt entsteht. Neben diesem
Brückenmonolog (auch:
Übergangsmonolog,
technischer Monolog) erfüllen noch
sogenannte Auftritts- und
Abgangsmonologe, mit denen bestimmte Handlungsentwicklungen
vorbereitet und zusammengefasst werden, sowie
Binnenmonologe, die
retardierendes
Moment der Handlungsentwicklung fungieren und damit "reflektierende
Distanz schaffen" (ebd.,
S.186) dramaturgische Funktionen.
Verschiedene Typologien zur Erfassung
von Monologen im Drama
Die übrigen Kategorien, mit denen Monologe idealtypisch unterschieden
werden, beziehen sich auf weitere Funktionen, die Monologe in einem
dramatischen Text einnehmen können.
Solche Idealtypen von Monologen können, wenn sie verschiedene Merkmale
miteinander verknüpfen,fast beliebig ausdifferenziert werden. Da ein
Monolog aber selten einem einzigen Typ zugeordnet werden kann, entwickeln
viele dieser Idealtypen eigentlich nur eine geringe
Trennschärfe. (vgl.
Pfister 1977,
S.190)
Literaturdidaktisch machen sie aber durchaus Sinn, wenn sie Grundlage einer
auf den Text bezogenen plausiblen Analyse darstellen und die Kommunikation
über die Funktion bestimmter Dialoge fördern. Wichtiger als
die Zuordnungen zu den Idealtypen, dazu gehört auch Pfisters Unterscheidung
zwischen aktionalen (situationsverändernden) und nicht-aktionalen,
informierenden und kommentierenden Monologen (ebd.,
S.190f.), ist allerdings in der schulischen Dramenanalyse die Beschäftigung
mit den dominanten Sprechhandlungen bzw.
Sprechakte, die in einem Monolog vorgenommen
bzw. vollzogen werden.
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Da wir, wie erwähnt, solche laut gesprochenen Selbstgespräche im normalen Leben eher
selten führen, haben
verschiedene dramatische Konzepte auch grundsätzlich auf Monologe
verzichtet, weil sie dem Anspruch der möglichst natürlichen Sprechweise und
einer möglichst weitreichenden Wirklichkeitsillusion auf der Bühne
entgegenzustehen schienen.
Insbesondere ▪
naturalistische
Dramatiker wie »Gerhart
Hauptmanns (1862-1956) sind gegen den Monolog Sturm gelaufen und
haben monologisches Sprechen bis auf "kurze, herausgestoßene Worte um der
Naturwahrheit willen" von der Bühne verbannt und an dessen Stelle den
sogenannten Gebärdenmonolog gesetzt. ( Reallexikon der deutschen
Literaturgeschichte, hg. Paul Merker und Wolfgang Stammler, 1925-31, zit. n.
Asmuth 62004,
S.83, vgl.
Pfister 1977, S.187)
In der Dramengeschichte hat man auf verschiedene Weise versucht, die
Künstlichkeit des monologischen Sprechens zu reduzieren und ihn in die Nähe
des Dialoges zu rücken. Schon in der ▪ antiken
griechischen Tragödie kennt man den gänzlich
inneren (Konflikt-)Dialog,
indem der Sprecher oder die Sprecherin sich in einer Entscheidungssituation
befindend das Für und Wider der verschiedenen Handlungsoptionen abwägt.
In der Literaturdidaktik kann dieser Form des "inneren Dialogs" sehr gut
eingesetzt werden. (vgl. ▪
Friedrich Schiller, ▪
Maria Stuart:
III,4 - Begegnung der Königinnen). Und auch bei der ▪
szenischen Interpretation
lässt sich das "Spiel" mit den inneren Stimmen als ein internes
▪
Rollengespräch auffassen etwa im Sinne eines
Rollenmonologs.
Zugleich bietet es durch die Aufteilung verschiedener Stimmen auf
unterschiedliche Mitspieler/-innen ausgezeichnete Möglichkeiten zur
weiteren Differenzierung einmal gewonnener Standpunkte in einer Art
▪
szenischer Improvisation.
Beispielhaft dafür:
Innere Stimmen von
▪
Elisabeth
und
▪
Maria Stuart
vor ihrer
▪
Begegnung (III,4)
in
▪
Friedrich Schillers Drama ▪ "
Maria Stuart
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
19.12.2023
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