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Didaktische
und methodische Aspekte erörternden Schreibens
Wer einen Sachverhalt bzw.
ein Problem im Rahmen einer
Schreibaufgabe
zur ▪ freien Problem- und Sacherörterung erörtern will, hat eine komplexe Schreibaufgabe
vor sich, die
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Schreibkompetenz
in verschiedenen Bereichen erfordert.
Fix (2008,
S.33) spricht in diesem Zusammenhang von
▪
Zielsetzungskompetenz,
▪
inhaltlicher Kompetenz,
▪
Strukturierungskompetenz
und ▪
Formulierungskompetenz.
Dabei
ist die Akzentuierung von Teilkompetenzen bei den verschiedenen Formen
des erörternden
Schreibens unterschiedlich. Im Fall des traditionellen
Erörterungsaufsatzes wird man hier zu einer besonderen Gewichtung
der
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inhaltlichen
Kompetenz und der
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Strukturierungskompetenz
neigen. Im Übrigen spielen jene Teilkompetenzen eine Rolle, wie sie auch
für das erörternde
Schreiben im Allgemeinen gelten.
Teilkompetenzen der Zielsetzungskompetenz
Wenn die unter herkömmlichen schulischen Bedingungen zu schreibende
freie Erörterung als Ergebnis eines
epistemisch-heuristischen angelegten
Schreibprozesses
vor allem der Selbstaufklärung und eigentlich keinen sonstigen
kommunikativen Zwecken dienen soll, scheinen Gedanken über den/die
möglichen Leser und die Angemessenheit des eigenen Schreibens an dessen
Erwartungen natürlich auf den ersten Blick zweitrangig.
Und doch werden
die traditionellen Erörterungsaufsätze stets in einem bloß vorgestellten
allgemeinen Adressatenbezug verfasst, der unter schulischen Bedingungen
sich konkret in der Person der den Text beurteilenden oder bewertenden
Lehrkraft niederschlägt. Die Frage "Warum und für wen schreibe ich?",
die den Kern der Zielsetzungskompetenz erfasst, lässt sich, das ist das
Grunddilemma eines auf Selbstreflexivität verpflichteten erörternden
Schreibens, unter solchen Bedingungen eben nicht wirklich
widerspruchsfrei beantworten, wenn einem der Selbstaufklärung dienenden
Schreibprozess zugleich eine Adressierung an den mitlesenden Lehrer
unterschoben wird.
Dessen ungeachtet werden allerdings bestimmte Teilbereiche oder
▪
Operationen im Schreibprozess, die mit der Zielsetzungskompetenz in
Verbindung zu bringen sind, bei der freien Problem- und Sacherörterung
erwartet.
Wer eine freie Erörterung verfassen will, muss
Teilkompetenzen der inhaltlichen Kompetenz
Die Frage "Was schreibe ich?", die den Kernbereich
der ▪
inhaltlichen
Kompetenz umreißt, ist eine für die freie Erörterung besonders wichtige
Frage. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Antwort auf diese Frage in einem
schulischen Schreibsetting
mit oder ohne vorgelagerte Recherchemöglichkeiten oder auch im Rahmen von
Konzepten des ▪
Erörterns in
thematischen Projekten gegeben werden muss, stets geht es um den Erwerb
von
Faktenwissen
oder Fachwissen und/oder die Aktivierung
eigenen Vorwissens und
des eigenen allgemeinen Weltwissens.
Gefragt ist vor allem
deklaratives,
systematisch strukturiertes Wissen über den Gegenstand oder
Sachverhalt, um den es beim Schreiben inhaltlich und thematisch geht.
Meistens reicht es auch nicht aus, vorhandenes Weltwissen zu aktivieren. Wer
ein bestimmtes Thema sachgerecht entfalten will, braucht meistens auch
Spezialwissen, anders ausgedrückt: bereichsspezifisches Wissen. Und:
Entweder man verfügt als Ergebnis früherer Lernprozesse darüber, oder man
muss die entsprechenden Informationen erst recherchieren und sich aneignen. Ohne
Lesekompetenz kommt man hier
natürlich nicht weiter.
Es macht natürlich einen großen Unterschied, ob der
Schreibprozess bei der freien Problem- oder der Sacherörterung ohne
Recherchemöglichkeiten zum Thema vonstatten gehen soll oder nicht. Zumindest
in Klausuren und Klassenarbeiten wird die Recherche in der Regel genauso wenig
gestattet, wie ein schrittweise kooperatives Schreiben, das den
Planungsprozess beim Schreiben einer freien Erörterung bei gleichzeitiger
Erhöhung der Schreibmotivation entlasten könnte. Allerdings spricht nichts
wirklich dagegen, hin und wieder auch in Prüfungssituationen so zu
verfahren. (vgl.
▪
Didaktische und methodische Aspekte)
Mit Hilfe der inhaltlichen Kompetenz muss der Verfasser/die
Verfasserin einer freien Erörterung
-
bei der
▪
Stoffsammlung
mit verschiedenen
▪
Methoden
Ideen finden und
-
dabei seine
eigene Vorstellungskraft entfalten und nutzen
-
sein eigenes Vorwissen (Faktenwissen/Fachwissen/Weltwissen/bereichsspezifisches
Wissen),
aber auch die eigenen Einstellungen zum Thema aktivieren und
zusammenzutragen und
-
dabei die geforderte Perspektivenübernahme bei der
Berücksichtigung anderer Meinungen berücksichtigen
-
das
Schreibziel konkretisieren und präzisieren
Teilkompetenzen der Strukturierungskompetenz
Die Frage "Wie baue ich den Text auf?" dreht sich um
die ▪
Strukturierungskompetenz,
die neben der inhaltlichen Kompetenz die bei der freien Erörterung
wohl wichtigste Teilkompetenz der
▪
Schreibkompetenz
darstellt. Auch bei der freien Problem- und der Sacherörterung geht es in
diesem Bereich um das Heranziehen von "Bauplänen" für das Schreiben. Solche
Baupläne liefert das
Textmusterwissen über die freie Erörterung, das ein Schreiber/eine
Schreiberin gelernt und bei der Bewältigung vergleichbarer Schreibaufgaben
angewendet hat. So muss ein Textproduzent einer freien Erörterung wissen,
welche Möglichkeiten zur
Entfaltung des
Themas ihm das Textmuster der freien Erörterung prinzipiell lässt. Dabei
kann dieses Strukturwissen, wie
Fix (2006/2008,
S.30) betont, genau so gut "als abstraktes Rahmenschema vorliegen und
kognitiv gespeicherte Prototypen umfassen" wie
deklaratives
Wissen über geltende Textsortennormen. (▪
Textordnungsmuster
beim schriftlichen Argumentieren) In beiden Fällen steht dieses
Strukturierungswissen in Form eines
▪
kognitiven
Schemas als Textmuster bereit.
Auf der Grundlage der erforderlichen
Strukturierungskompetenz muss der Schreiber/die Schreiberin einer freien
Erörterung
-
bei der
▪
Stoffordnung
das aktivierte Wissen beurteilen und die zu verwendenden
Inhalte bestimmen und festlegen
-
das bei der
▪
Stoffsammlung
aktivierte Wissen strukturieren , z. B. nach Begriffen, Ober- und Unterbegriffen
-
eine
Vorstellung darüber gewinnen, wie der Text aufgebaut und das Thema
entfaltet werden soll und
-
daraus eine
▪
Arbeitsgliederung
entwickeln, z. B. im Rahmen einer
▪
planenden
Schreibstrategie,
-
das darin
zum Ausdruck kommende Textkonzept planen
Teilkompetenzen der Formulierungskompetenz
Bei der
▪
Formulierungskompetenz
dreht sich alles um die Frage "Wie formuliere und überarbeite ich?" . Den
Erörterungstext zu formulieren, die zweite Phase des Schreibprozesses kann
trotz ganz gut gelungener Vorarbeiten in der Planungsphase eine Hürde sein,
die von etlichen Schülerinnen und Schülern nicht so leicht genommen werden
kann. Hat man aufgrund früherer Schreiberfahrungen noch keine "literalen Routinen" (Feilke und
Augst 1989) gebildet, denen schreibend ohne großes Nachdenken
gefolgt werden kann, ist das textmusterkonforme Formulieren eine Aufgabe,
die erst bewältigt werden will.
Die erworbene Formulierungskompetenz hilft dem Verfasser/der Verfasserin
einer freien Erörterung bei seiner
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Niederschrift
Erörtern - ein Zusammenspiel aller Teilkompetenzen der Schreibkompetenz
Auf das Zusammenwirken
inhaltlich-fachlicher,
methodisch-strategischer.
sozial-kommunikativer und
personaler Teilkompetenzen weist
Baurmann
(2002/2008, S.15f.) bei der Abgabe einer
Stellungnahme hin, die auf
begründendem Erörtern basiere:
"Auf der inhaltlich-fachlichen Ebene wird zu
fragen sein, ob in der Stellungnahme eine eigene Entscheidung begründet und
belegt wird. Methodisch-strategisch wird man erwarten können, dass die
gesamte Stellungnahme geplant und organisiert dargeboten wird. Das mag
weitgehend vom Sachverhalt her entschieden werden, nicht außer Acht bleiben
sollten die jeweiligen Leserinnen und Leser, die sich zur angesprochenen
Streitfrage möglicherweise schon eine eigene Meinung gebildet haben (soziale
Kompetenz). Ein hinreichendes Maß an personaler Befähigung ist dort gegeben,
wo der Verfasser zwar engagiert seine eigene Position entwickelt, doch die
möglicherweise abweichende seiner Rezipienten mitdenkt." Nicht zuletzt
diese Fähigkeit zum Perspektivenwechsel hebt das
erörternde Schreiben - auch in
den traditionellen Formen der freien Problem- und Sacherörterung - von eher
subjektiv orientierten Formen argumentativen Schreibens ab.
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Didaktische
und methodische Aspekte erörternden Schreibens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
24.03.2023
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