Erörterndes Erschließen als Arbeitsform
Das so genannte
▪
erörternde Erschließen gehört zu den drei prüfungsrelevanten
Arbeitsformen,
denen im
schriftlichen Abitur im Fach Deutsch bis 2012 (▪
EPA 2002), ehe diese vollständig von den
▪
KMK-Bildungsstandards für das Abitur (2012) abgelöst und neu
definiert wurden,
bestimmte
Aufgabentypen
zugeordnet sind.
Dabei wird in den ▪
Einheitlichen Prüfungsanforderungen in
der Abiturprüfung Deutsch (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom
01.12.1989 i. d. F. vom 24.05.2002, S.17) unter erörterndem
Erschließen "die eingehende,
methodisch aufgebaute, - im Entstehungsprozess der freien Erörterung auch
monologische - Auseinandersetzung mit einem Thema oder Problem in
schriftlicher Form" verstanden.
Auch wenn in den Einheitlichen Prüfungsanforderungen der Begriff des
Erschließens selbst nicht definiert wird, verweist seine Verwendung auf den
von Fritzsche
(1994, S. 32) gemachten Gebrauch des Begriffs.
Dieser versteht darunter keine Aufsatzformen "als
Grundformen für Texte", sondern betrachtet die entsprechenden Aufgabenarten
als "Erschließungsinstrumente" für
Inhalte, die "dem genauen Wahrnehmen und Verstehen von a) äußerer Wirklichkeit (z. B. Sachverhaltsdarstellung) b) Meinungen, Gedanken, Vorstellungen (z. B. Problemerörterung) und c) Texten (z. B. Inhaltsangabe) (dienen)." (ebd.
S.32, Hervorh. d. Verf.)
In diesem Sinne sprechen auch die Einheitlichen Prüfungsanforderungen von
verschiedenen "Arbeitsformen" des
Erschließens, zu deren Bewältigung bestimmte
Methoden und Arbeitstechniken
gehören (▪
zum
Begriff der Darstellungsform vgl. Fritzsche).
Methoden und
Arbeitstechniken |
Methoden der Informationsbeschaffung und -verarbeitung |
-
Techniken und Verfahren der Informations- und
Kommunikationstechnologien kennen und sach- bzw.
problemgerecht anwenden
-
Informationen zielgerichtet auswählen, ordnen und
verwerten
|
Erfassungsstrategien |
-
wesentliche geistige Operationen beherrschen
-
Erkenntniswege (Bericht, Protokoll, grafische
Darstellung u. Ä.) dokumentieren
-
relevante (schriftliche) Arbeitsprozesse (Planung,
Durchführung, Kontrolle, Überarbeitung, Optimierung)
organisieren und steuern
|
Texterschließungsverfahren |
-
Kenntnis und Fähigkeit zur Entfaltung untersuchender
Erschließungsverfahren: textinterne Elemente und
Strukturen – textexterne Bezüge (Produktions-,
Rezeptions- und Wirkungsbedingungen) - auch von
Medienprodukten
-
Kenntnis und Fähigkeit zur Entfaltung argumentativer
Strategien in unterschiedlichen
Kommunikationszusammenhängen für erörternde
Erschließungsverfahren
-
Kenntnis und Fähigkeit zur Entfaltung gestaltender
Erschließungsverfahren: u.a. Nutzung optischer,
akustischer o. ä. Impulse - Einsatz von Assoziation,
Mindmapping u. a. Strukturierungsverfahren -
Verfügen über literarische Muster und poetische
Repertoires - Verfügbarkeit stilistisch adäquater
Mittel - Eingreifen in Texte - Umsetzung in Bilder,
Grafiken, Statistiken u. Ä.
|
Beherrschung schriftlicher und mündlicher
Darstellungsformen |
-
Arbeitsergebnisse sprachlich angemessen schriftlich
und mündlich unter sach- und adressatengerechter
Hilfsmittel- und Mediennutzung (z.B. Visualisierung)
organisieren und präsentieren (entwickelte
schriftliche Darstellung, Thesenform,
Gliederungsformen, Visualisierung, freie Rede,
notizengestützter Vortrag)
-
wesentliche Schreibstrategien und –formen
beherrschen
-
sach-
und situationsgerecht mündlich kommunizieren:
diskutieren – debattieren - argumentieren – ein
Gespräch führen
-
wertende Aussagen formulieren.
|
Die drei Arbeitsformen in den Einheitlichen Prüfungsanforderungen sind:
Dabei beruhen Aufgaben zum erörternden Erschließen meistens auch auf
▪
Operationen und Leistungserwartungen, die ebenso für das
▪
untersuchende Erschließen gelten. Anders ausgedrückt: Das erörternde
Erschließen ist, wenn es sich auf konkrete Texte bezieht, die entweder zur
Bewältigung der Schreibaufgabe vorgelegt oder aber im Unterricht zuvor
"untersuchend erschließend" behandelt worden sind ( so z. B. bei der
textungebundenen literarischen Erörterung) ohne Anwendung untersuchend
erschließender Methoden gar nicht bzw. nicht sinnvoll möglich.
Die nachfolgende Darstellung ordnet die
materialgestützte Erörterung schon in das Konzept des
erörternden Erschließens ein. In den ▪
Einheitlichen Prüfungsanforderungen
(EPA 2002) gehört sie allerdings nicht zu den
▪
Aufgabentypen. Allerdings ist
festgehalten, dass die zu erörternden Texte auch "Materialien wie
Statistiken, Tabellen, Schaubilder, grafische Darstellungen oder bildliche
Darstellungen enthalten" können, (ebd.,
S.21) Sie wird als sogenannte ▪
Kompendiumsaufgabe in Baden-Württemberg erstmals in den ▪
Abschlussprüfungen für die Realschule eingeführt.

Die Anforderungen, die für das
▪
erörternde
Erschließen in der schriftlichen Abiturprüfung gestellt werden, fallen
je nach konkreten Aufgabentyp natürlich etwas verschieden aus. Allen
Aufgabentypen ist dabei per definitionem
bestimmte Merkmale gemeinsam.
Aufgabentypen ohne Textvorlage
Die
Leistungserwartungen, die für die Bewältigung von Aufgaben des
erörternden Erschließens ohne Textvorlage gestellt sind, sind in
vielerlei Hinsicht gleich, setzen inhaltlich jedoch unterschiedliche
Akzente setzen und verlangen zur Bewältigung der Schreibaufgabe eine
unterschiedlich ausgeprägte
inhaltliche Kompetenz.
Hinzukommen weitere ▪
Anforderungen an die argumentative/diskursive und
sprachlich-stilistische Gestaltung beim erörternden Schreiben.
-
Im Fall der freien Erörterung wird auf das bei Schülerinnen
und Schülern vorhandene allgemeine
Weltwissen rekurriert wird, das
ausreichen muss, um anspruchsvolle gesellschaftspolitische und ggf.
ethisch-philosophische Themen in sachangemessener Weise argumentativ und
sprachlich überzeugend zur Darstellung zu bringen.
-
Bei der literarischen
Erörterung ohne Textvorlage werden darüber hinaus spezifische Kenntnisse im
Bereich der Literaturwissenschaft und Literaturgeschichte verlangt, die auf
der im Literaturunterricht erworbenen
literarästhetischen Rezeptionskompetenz basieren.
Freie Erörterung ohne Textvorlage
(Erörterndes Erschließen einer allgemeinen Fragestellung)
|
Literarische
Erörterung ohne Textvorlage
(Erörterndes Erschließen
einer literarischen Fragestellung) |
-
ein Thema
erfassen, Begriffe bestimmen und erläutern
-
selbstständig
eine Gliederung entwickeln, die der Aufgabenstellung
angemessen ist, und
-
den eigenen
Zugriff auf das Thema deutlich werden lässt
|
-
sachangemessen
und selbstständig einen zu bearbeitenden Aspekt aus dem
sprachlich-kulturellen Leben unter einem thematischen
Leitgedanken strukturieren
-
gesellschaftliche,
philosophische Zusammenhänge und Traditionen
erkennen und herausstellen
|
sachangemessen
und selbstständig einen zu bearbeitenden Aspekt aus der
Literatur oder dem sprachlich-kulturellen Leben unter einem thematischen
Leitgedanken strukturieren
literaturgeschichtliche, motivliche, gesellschaftliche,
philosophische Zusammenhänge und
Traditionen
erkennen und herausstellen
|
-
selbstständig
text- und themenadäquate Untersuchungs- bzw.
Vergleichskriterien ermitteln
-
Auffassungen
abwägen, voneinander abgrenzen und werten
-
strukturiert,
zielgerichtet und sprachlich korrekt argumentieren
-
begründet
Schlüsse ziehen und Stellung nehmen.
|
Aufgabentypen mit Textvorlage
Die Leistungserwartungen für die Bewältigung von Schreibaufgaben des
erörternden Erschließens mit einer Textvorlage (erörterndes Erschließen
eines literarischen oder pragmatischen Textes, EPA,
S.17) umfassen die folgenden Operationen und Leistungserwartungen:
Texterörterung
(Erörterndes Erschließen eines pragmatischen Textes) |
Literarische
Erörterung mit Textvorlage (Erörterndes Erschließen
eines literarischen Textes) |
-
erläuternde
bzw. deutende Wiedergabe der pragmatischen bzw.
literarischen Textvorlage
-
argumentative
Auseinandersetzung mit zentralen Thesen, Argumenten,
Darstellungsformen
-
der Textvorlage
im Rahmen des historischen und aktuellen
Verstehenshorizontes
-
weiterführende
Problematisierung: Aufbau und Entfaltung einer
eigenständigen fachspezifischen Argumentation
-
begründete
Urteilsbildung
|
-
Grundlage:
Untersuchendes Erschließen des Textes
-
Text als Ausgangspunkt für eine Erörterung der
darin enthaltenen Auffassungen, Meinungen und Urteile
-
Schwerpunkt der Arbeit: argumentative
Entwicklung der im Text thematisierten Problemstellungen
-
Ziel: begründete Stellungnahme
|
|
Vorgelegte Texte
-
sollen
Möglichkeiten zur Problemdiskussion bieten
-
beziehen sich in
der Regel auf Inhalte des Deutschunterrichts
-
können
Materialien wie Statistiken, Tabellen, Schaubilder,
grafische Darstellungen oder bildliche Darstellungen
enthalten
|
Textvorlagen können sein:
-
vollständige Texte, meist kürzere Texte wie z. B. Gedichte,
Parabeln
-
Ausschnitten aus Ganzschriften
Themen- und Aufgabenstellung
|
Argumentative Entfaltung des Themas
-
je nach Aufgabenstellung selbstständig
text- und themenadäquate Untersuchungsaspekte ermitteln oder
ggf. nach Arbeitsanweisung vorgehen
-
Gedanken logisch entwickeln, nach Bedeutung gewichten
-
Auffassungen
abwägen, voneinander abgrenzen und werten
-
strukturiert,
zielgerichtet und sprachlich korrekt argumentieren
-
Ausführungen klar und eigenständig gliedern
-
Einzelnes zu einem Ganzen verbinden
-
verständliche Darstellung auf einem angemessenen
theoretischen Niveau
-
zentrale inhaltliche und formale Aspekte differenziert
erläutern
-
den eigenen Standpunkt darlegen und überzeugend begründen
-
die Argumentation durch Beispiele stützen und
veranschaulichen
-
Ergebnisse durch funktionsgerecht ausgewählte und konkret
zitierte Textstellen belegen
-
begründet Schlüsse ziehen und Stellung nehmen
|
Sprachlich-stilistische Darstellung
-
Aussagen präzise
formulieren
-
eine aufgabengerechte
Sprachform verwenden
-
Fachsprache
berücksichtigen
-
sprachlich korrekt
argumentieren
-
differenziert und dem
Gegenstand angemessen formulieren
-
die Sprache
normengerecht gebrauchen
-
lesbar Schreiben im
Rahmen einer leserfreundlichen Gestaltung (Lay-out)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
06.01.2024
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