Der Begriff der Erörterung in der Alltagssprache
Die Alltagssprache kennt
eine ganze Reihe von Begriffen im Umfeld des Begriffs Erörtern. So finden sich
auch in einschlägigen Lexika eine
ganze Reihe sinn- und sachverwandter Begriffe.
Zu ihnen gehören z. B. abhandeln,
verhandeln, auseinandersetzen, darstellen, darlegen, untersuchen,
diskutieren, disputieren, die Klingen kreuzen, sich streiten über,
debattieren, untersuchen, zur Sprache bringen, beraten, bereden, (am
Konferenztisch) besprechen, durchsprechen, durchkauen (ugs.) u. a. m. (vgl.
Duden - Die sinn- und sachverwandten Wörter 1972, S.215)
Im
Alltagsprachgebrauch ist Erörtern auch keineswegs an Schriftlichkeit (Literalität)
gebunden, sondern wird auch für bestimmte Sprachhandlungen des mündlichen
Sprachgebrauchs (Oralität) verwendet.
Der
Begriff des Erörterungstermins in der Gerichtssprache zeigt, wie sehr der
Begriff auch in den Bereich der Mündlichkeit hineingehört. Wenn wir in der
mündlichen Kommunikation von Erörtern sprechen, kann es daher alle jene
Bedeutungsvarianten haben, die vorstehend erwähnt worden sind. Umgekehrt
kann das schriftliche Erörtern dann z. B. auch als eine Form schriftlichen
Diskutierens verstanden werden.
Erörtern als schriftliches Argumentieren
Im schulischen Kontext wird das
▪ Erörtern
überwiegend in den Zusammenhang des schriftlichen Argumentierens
gestellt
und "dient der Klärung von Meinungen, die wir über
Sachverhalte, über
Probleme, vor allem über strittige Fragen haben." (Fritzsche
1994, S.113) Dabei werden Aussagen als Behauptungen in einen
Begründungszusammenhang gebracht, der mit Argumenten hergestellt wird.
Wenn
in diesem Sinne argumentiert wird, sollen
▪ Geltungsansprüche von Aussagen
erhoben,
oder, im Falle der ▪ Gegenargumentation,
bestritten werden. (▪ Argumentieren:
u. a.
▪
Formen der
Argumentation,
▪
Argumentationsmodelle)
Die verschiedenen Bedeutungen des Begriffs Erörtern zeigen sich
auch in der Art, wie die
schulische Schreibform ihr Thema entfaltet. Dabei steht zwar die
argumentative Entfaltung eines Themas
im Mittelpunkt, der Text wird in der Regel aber auch
explikative und
deskriptive Passagen
enthalten (darstellen, darlegen...).
Erörterndes Schreiben eine Mischform verschiedener Textmuster
Erörterndes Schreiben sollte also als eine Mischform verschiedener Textmuster
aufgefasst werden. (vgl.
Fix 2006/2008,
S.103)
-
Dabei ist es beim Erörtern nicht anders
als bei anderen idealtypisch
gewonnenen Textmustern: "Kein Textmuster kann in Reinform gänzlich von den
anderen isoliert werden. Es handelt sich eher um Felder, die sich an den
Rändern überlappen und innerhalb deren funktionale Freiheit herrscht." (ebd.
unter Bezugnahme auf Ossner 2005).
-
Und doch tut sich ein an Prüfungsnormen und an der
Evaluation textmusterkonformem Schreibens gebundene schulische Praxis schwer
damit, das in der ▪ Textlinguistik inzwischen weithin anerkannte
Konzept der Prototypikalität auch im Bereich schulischen Schreibens umzusetzen.
-
Wie weit dies
gehen kann, wird auch ersichtlich, wenn man berücksichtigt, dass
sich das schriftliche Erörtern auch in andere Formen der
Auseinandersetzung mit einem Thema einordnen lässt, bei denen
ebenso "(neue) Einsichten schreibend gewonnen werden"
(Baurmann
2002/2008, S.15) können. Dies ist z. B. der Fall, wenn im Modus des Erörterns eine
Beispielgeschichte zu dem Thema geschrieben wird. Dadurch wird auch die beim
schriftlichen Erörtern übliche "Textmusterbezogenheit" überwunden.
Erklärend und argumentierend Schreiben (KMK-Bildungsstandards 2012)
Das erörternde
Schreiben ist in den ▪
KMK-Bildungsstandards für das Abitur im Fach Deutsch (BISTA-AHR-D
2012) (2012) im ▪
Kompetenzbereich
▪ Schreiben
verankert und mit bestimmten
▪
Aufgabenarten
verknüpft.
Dabei ist die
Orientierung der von ihnen abgelösten »Einheitlichen Prüfungsanforderungen in
der Abiturprüfung Deutsch (Beschluss
der Kultusministerkonferenz vom
01.12.1989 i. d. F. vom 24.05.2002, S.17) auf die ▪
klassischen Formen (▪
Freie Problem-
und Sacherörterung (▪
Lineare Erörterung
/
▪
Dialektische Erörterung;
▪
Texterörterung und
▪ Literarische Erörterung
von einer umfassenden Kompetenzorientierung abgelöst
worden.

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Erörtern als schulische Schreibform
Weil es sich beim erörternden Schreiben um eine
Mischform verschiedener Textmuster handelt, tut sich eine Typologie
zu den schulischen Schreibformen des Erörterns schwer.
Sie kann unter diesen Umständen daher nur
ein heuristisches Mittel sein, um sich in der großen Vielfalt der
schulischen Textmuster zum schriftlichen Erörtern einen gewissen Überblick
und damit eine gewisse Orientierung zu verschaffen.
Kriterien gängiger
typologischer Ansätze sind
Die nachfolgende tabellarische Übersicht versucht
mit ein paar wenigen Kriterien ein wenig Ordnung zu schaffen. Dabei
ist allerdings klar, dass es mitunter einfach auch um die Dominanz
eines Merkmals geht, wenn eine Schreibform mehrere, einander
entgegengesetzte Merkmale enthält. Die Dominanzen sind farblich
hervorgehoben.
Unterschieden werden dabei drei Hauptgruppen
erörternden Schreibens in der Schule:

Neben dieser Einteilung kann man aus pragmatischen Gründen auch drei verschiedene
Grundformen beim
schriftlichen Erörtern in der Schule unterscheiden:
-
Das freie, weil nicht an
einen vorgegebenen Text gebundene, problem- bzw. sachverhaltsbezogene
Erörtern (Problem- und Sacherörterung, freie literarische
Erörterung)
-
Das textgebundene Erörtern,
bei dem zentrale Aussagen eines vorgegebenen Textes erörtert werden
müssen (Texterörterung, textgebundene literarische Erörterung,)
-
Das
materialgestützte
Erörtern, bei dem aus der Analyse von verschiedenen
kontinuierlichen und diskontinuierlichen Texten in einem eindeutig
prozessorientierten Vorgehen Standpunkte zu erarbeiten und zu begründen
sind. (Materialgestützte bzw. dossiergestützte Erörterung)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.03.2023
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