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Bausteine
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Baustein: Literaturwissenschaftliche Definitionen
der Parabel
▪
Eine Parabel interpretieren
•
Überblick
▪
Eine
traditionelle Parabel interpretieren »
▪
Eine
moderne Parabel interpretieren »
Was versteht man unter einer "Parabel"?
Der Begriff
▪ Parabel stammt
aus der antiken
Rhetorik. In der altgriechischen Sprache bedeutet »para« daneben
und »ballein« werfen, Parabel also etwa das Nebeneinanderwerfen.
Wer auf dem antiken
Forum als politischer Redner in einer bestimmten Sache etwas
erreichen wollte, tat gut daran, komplizierte Sachverhalte möglichst
mit Beispielen, Bildern oder erfundenen Beispielgeschichten zu
veranschaulichen. Diese "Erfindungen" (erdichteten Paradigmen) waren
wegen ihrer die jeweilige Argumentation verstärkenden Wirkung
äußerst beliebt. Und so legt zum Beispiel der griechische Philosoph
»Sokrates
(469-399 v. Chr.)
dar, wie unsinnig die Anwendung eines Losverfahrens zur Bestimmung
von Athleten ist, um damit analog zu zeigen, dass die Führer eines
Staates ebenso wenig per Los bestimmt werden können.
Der
Parabelbegriff wurde in der Folgezeit auch auf biblische Gleichnisse
angewendet, insbesondere im Neuen Testament (z. B. ▪
Gleichnis vom verlorenen Sohn,
▪ Parabel/Gleichnis
vom Sämann).
In der
Literaturwissenschaft gibt es zahlreiche
Definitionen zum Begriff der
▪ Parabel. (s.
Baustein) Eine davon lautet:
Die Parabel ist "ein zu einer eigenständigen, lehrhaften
Erzählung erweitertes Gleichnis, das für den Hörer oder Leser
eine sittliche, religiöse oder philosophische Wahrheit bzw. eine
Erkenntnis veranschaulicht und dabei in der Aussage allgemein
bleibt. Wichtig ist dabei, dass jeder Handlungsteil der
Erzählung eine Analogie zur Realität (Lebensverhältnisse der
Menschen) bilden kann, jedoch erst aus dem Gesamten der Parabel
erfasst wird." (Studienbuch
neuere deutsche Literaturwissenschaft, 1999, S.166)
Die
meisten Definitionen sind etwas
•
zu eng und
• nicht flexibel
genug, um allen Erscheinungen von Parabeln gerecht zu werden.
Für die ▪
schulische Arbeit mit Parabeln erfüllen
sie aber ihren Zweck, insbesondere dann, wenn man in ihnen
Arbeitsdefinitionen sieht, mit denen man u. a. Informationen
über die
idealtypischen Merkmale einer Parabel erhalten kann. Diese
können dann zum Merkmalsabgleich in einem konkreten Fall
herangezogen werden.
Der kleinste gemeinsame Nenner
Auf
den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht könnte man für die hier
gemeinte Form der Parabel allgemeinen gelten lassen,
-
dass es sich um einen episch-fiktionalen Text handelt,
-
dass das im Wortlaut Erzählte nicht oder zumindest nicht allein
für sich das Gemeinte ist,
-
dass sich eine der vom Text ermöglichten Bedeutungsoptionen
durch Übertragung des Erzählten in einen überwiegend außerhalb
des Textes liegenden Bedeutungsrahmen bzw. Bezugrahmen
konstruieren lässt.
Traditionelle und moderne Parabeln
In der Praxis macht es Sinn, zumindest zwei Gruppen von Parabeln
zu unterscheiden: ▪
Traditionelle Parabeln und ▪
moderne Parabeln.
Traditionelle Parabel |
Moderne Parabel |
|
-
ohne
didaktische Funktion
-
will
keine Lehre vermitteln
-
löst den
engen ▪
Verweisungszusammenhang von Bildbereich und Sachbereich
zusehends auf
-
im
Allgemeinen keine
expliziten Transfersignale (= ausdrücklich
vorgebrachte Vergleichsaufforderungen) welche die
"Uneigentlichkeit" des Textes signalisieren und eine
Transferrichtung verdeutlichen, sondern allenfalls ein
Komplex gleichgerichteter
impliziter Transfersignale
-
nicht auf
eine einzige Bedeutung oder einen einzigen
Bedeutungsrahmen festzulegen
-
kein
Sinnversprechen, das der Leser durch seine
Sinnkonstruktion einlösen soll
-
liefert
kein in sich geschlossenes, konsistentes Weltbild,
sondern eine von Tradition und Ideologie geprägte Welt
in Auslösung und Widersprüchen
-
statt
hierarchischer Leser-Schüler-Kommunikation: Leser als
Partner des Erzählers, der den Bildbereich oder einzelne
seiner Elemente in dem vom Text eröffneten prinzipiell
sehr weiten Bedeutungsrahmen mit seiner Sinnkonstruktion
eigenständig weiter- und zu Ende führt
-
großer
Freiraum des Lesers bei der Sinnkonstruktion; zugleich
aber auch oft ▪ Erfahrung einer
nicht auflösbaren Fremdheit (▪
alltägliche, ▪
strukturelle
und ▪ radikale Fremdheit)
des Textes, die irritierend oder verstörend wirken kann
(besonders bei
absurden Parabeln)
Musterbeispiele (Prototyp):
Parabeln von
Franz Kafka (1883-1924), z. B.
Gibs auf,
Der Schlag ans Hoftor etc.
andere Beispiele: ▪
Franz Kafkas (1883-1924)
▪
Parabeln: ▪
Der Aufbruch, ▪
Der Schlag ans Hoftor, ▪
Gibs auf, ▪
Heimkehr etc.; »Pär
Lagerkvists (1881-1974) ▪
Der Tod eines Helden oder ▪
Das machte nichts; ▪
Robert Musils (1880-1942) ▪
Das Fliegenpapier oder ▪
Die Affeninsel - vgl.
Parabel,
traditionelle Parabel,
absurde
Parabel,
biblische Parabel,
didaktische Parabel,
verrätselte Parabel,
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
02.10.2024
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