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Was ist eine Parabel? - Literaturwissenschaftliche Definitionen

Parabel

 
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Definitionen der Parabel

Es gibt zahlreiche Definitionen zum Begriff der Parabel.

  1. Harenbergs Lexikon der Weltliteratur

"Parabel (von parabole, griech.: das Nebeneinanderwerfen, Gleichnis), gleichnishafte Beispielgeschichte, die einen ungewöhnlichen Vorgang schildert, um einen abstrakten Gedanken zu veranschaulichen. […] Das eher selbständige Gleichnis bezieht im Unterschied zur P. das Bild direkt auf den Gedanken, den es veranschaulicht, und bleibt im gleichen Objektbereich. […] Von der Allegorie unterscheidet sich die P., indem sie aufklären will. [...]
Im 20. Jh. wurde der Gattungsbegriff der P. formal erweitert: Sie ist nicht mehr nur Trägerin einer Lehre, sondern wird zum künstlerischen Gestaltungsprinzip. […]" (Bd. 4, S.2233, gekürzt)

  1. Otto F. Best, Handbuch literarischer Fachbegriffe (1973)

"Parabel, die: (gr. Vergleichung, Gleichnis) gleichnishafte Rede als lehrhafte Erzählung, die bildhaft allgemein interessierenden Einzelfall darstellt und dem distanzierten erhellenden Überzeugen dient; wendet sich im Gegensatz zur Allegorie nicht an Eingeweihte, Wissende, sondern an Aufzuklärende, »Nicht-Wissende«, um sie im Besonderen das Allgemeine, im scheinbar Fremden das Eigene erkennen zu lassen und für sittliche Ordnung oder Weltanschauung zu werben, deren Fürsprecher der Erzähler ist; argumentierendes Werbemittel ist die parabolische Rede, die Grundbereich und Vergleichsbereich, Bildhälfte und (meist fehlende) Sachhälfte einander gegenüberstellt und zuweilen durch die Vergleichspartikel »so-wie« verbindet; in diesem Sinn stellt die P. die Grundform des epischen (Weltanschauungs-)Theaters dar." (Frankfurt 1973, S. 190f.)

  1. Metzler Literaturlexikon (1990)

"Parabel, f. [gr. = das Nebeneinanderwerfen, Gleichnis], allgemein ein zur selbständigen Erzählung erweiterter Vergleich, der von nur einem Vergleichspunkt aus durch Analogie auf den gemeinten Sachverhalt zu übertragen ist, ohne direkten Verweis wie beim Gleichnis (jedoch oft auch gleichbedeutend verwendet).[...] Aus einem situativen Kontext herausgelöst, kann die P. auch auf eine allgemeine Wahrheit abzielen. Hier ist die Grenze zur Fabel fließend. [...]" (1990, S.340, gekürzt)

  1. Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur (1969)

"Parabel (griech. parabole = Vergleichung, Gleichnis), lehrhafte Erzählung, die e. allg,. sittliche Wahrheit oder Erkenntnis durch e. analogen Vergleich, also Analogieschluss, aus e. anderen Vorstellungsbereich erhellt, der nicht ein in allen Einzelheiten unmittelbar übereinstimmendes Beispiel gibt wie die Fabel, sondern nur in einem Vergleichspunkt mit dem Objekt übereinstimmt, und die im Ggs. zum Gleichnis keine direkte Verknüpfung (so: wie) mit dem zu erläuternden Objekt enthält, wenngleich sie das Beziehungsfeld erkennen lässt, sondern vom Gegenstand abgelöst zur selbständigen Erzählung wird. [...]
In der mod. Lit. wird die P. vielfach zur einzig möglichen Aussage menschlicher Befindlichkeit (Kafka, S. Beckett, H. Pinter) (1969, S.549)"

  1. Meyers kleines Lexikon, Literatur (1986)

Parabel [von griechisch parabolé "Gleichnis", eigentlich "das Nebeneinanderwerfen"]: ein zu einer selbständigen Erzählung erweiterter Vergleich, der durch Analogieschluss auf den gemeinten Sachverhalt (von der Bildebene auf die Gedankenebene) zu übertragen ist. Der Begriff wird oft synonym mit Gleichnis verwendet. Doch im Gegensatz zum Gleichnis enthält die Parabel keine direkte Verknüpfung (verdeutlicht durch so - wie) mit dem zu erläuternden Sachverhalt. Auch wird im Gleichnis meist ein allgemein gültiger Regelfall gestaltet (Erzählzeit: Präsens), in der Parabel jedoch meist ein prägnanter Einzelfall (Erzählzeit: Präteritum). Wesentlich ist die lehrhafte Tendenz der Parabel. (Meyers Lexikonverlag 1986, gekürzt)

  1. Studienbuch neuere deutsche Literaturwissenschaft (1999)

    "Ein zu einer eigenständigen, lehrhaften Erzählung erweitertes Gleichnis, das für den Hörer oder Leser eine sittliche, religiöse oder philosophische Wahrheit bzw. eine Erkenntnis veranschaulicht und dabei in der Aussage allgemein bleibt. Wichtig ist dabei, dass jeder Handlungsteil der Erzählung eine Analogie zur Realität (Lebensverhältnisse der Menschen) bilden kann, jedoch erst aus dem Gesamten der Parabel erfasst wird." (Studienbuch neuere deutsche Literaturwissenschaft, 1999, S.166)

  2. Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der Germanistik (2006)

"Eine P. ist ein episch-fiktionaler Text mit mindestens einem Expliziten oder Impliziten Transfersignal zur Richtungsänderung des Bedeutens. Dabei kann die Richtungsänderung ausdrücklich gelenkt werden, kann aber auch offen bleiben im Rahmen des Bedeutungspotentials des Textes. In keinem Fall enthält der Text global anthropomorphisiertes Figural aus der bekannten Realität." (Zymner 2006, S.306)

  1. Silke Lahn und Jan Christoph Meister: Einführung in die Erzähltextanalyse (2. Aufl., 2013)

"Die Parabel [gr. paraballein: nebeneinanderstellen; parabole: Gleichnis] ist eine kürzere Erzählung, die ihren Gegenstand skizzenhaft verknappt darstellt und meist eine didaktische Absicht verfolgt. Das Genre unterliegt nahezu keinerlei inhaltlicher Beschränkung; einzig Tiere oder Pflanzen, die menschlich handeln. kommen nicht vor. Die Parabel erfordert eine Übertragungsleistung von den Lesern: Mit expliziten oder impliziten Transfersignalen fordert sie dazu auf, das Dargestellte nicht nur im buchstäblichen Sinne, sondern auch in einer übertragenen Bedeutung zu verstehen. Diese Richtungsänderung der Bedeutung kann ausdrücklich gelenkt sein oder offen bleiben. Die Parabel wird dabei häufig auch als Gleichniserzählung bezeichnet; während aber das Gleichnis den Anaologieschluss selbst erklärt, bedarf die Parabel der Auslegung." (Lahn/Meister 2013, S.55)

9.Sabina Becker, Christine Hummel und Gabriele Sander (2. Aufl. 2018)

"Die Allegorie (...) ist eine ausgestaltete oder durchgeführte Metapher und fungiert als verschlüsselter Ausdruck zur Verbildlichung von Abstraktem bzw. als bildliche Darstellung eines Gedankens. Das Symbol verweist auf etwas anderes, während die Allegorie >ist<; oft handelt es sich um eine allegorische Personifikation (Fortuna, Amor, Justitia). Fabel und Parabel sind allegorische Gattungsformen (ebenso wie das biblische Gleichnis), deren allegorischer Sinn aus dem wörtlichen Sinn erst erschlossen werden muss." (Becker/Hummel/Sander 22018, S,56

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 02.10.2024

   
    
   Arbeitsanregungen:
  1. Untersuchen Sie, welche der in den verschiedenen Definitionen der Parabel genannten Merkmale auf den Text anwenden lassen, den Sie analysieren sollen.
  2. Arbeiten Sie die in den verschiedenen Lexikoneinträgen genannten Merkmale der Parabel heraus.
  3. Gestalten Sie Ihre Arbeitsergebnisse in Form eines Mindmaps.
  4. Grenzen Sie die Parabel von den ihr verwandten Formen ab.
  5. Welche Bedeutung hat dieses Textsortenwissen für einen Leser?
     
 
 
 

 
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