▪
Das Basislevel in einer Begriffshierarchie
In der deutschen Literaturwissenschaft hat der Begriff
Thema
einen schweren Stand. Wenn es um Literatur geht, dann werden in
seinem Bedeutungsumfeld eher Begriffe wie
Stoff oder
Motiv, gelegentlich
auch
Sujet bevorzugt
oder, wie im Fall von Motiv auch oft synonym verwendet.
Und: Die Abgrenzung Abgrenzung von weiteren Begriffen wie z. B. "Konzept,
Problem, Haupt-. Leit- und Grundgedanke, Idee, Handlung,
(Roh-)Stoff,
Inhalt,
Plot,
Fabel,
Sujet" (Müller-Kampel
2006, S.403) ist ohnehin schwierig und für den schulischen
Literaturunterricht kaum nachzuvollziehen.
Zudem unterscheidet sich der Themabegriff der literaturwissenschaftlichen Themenforschung (Thematologie), die den
Blick auf die Bildung von Gruppen von Texten zu bestimmten Themen
richtet, erheblich von der didaktisch motivierten Verwendung des
Begriffs Thema im Deutschunterricht (Schreib- und
Literaturunterricht). Bei dieser geht es es in der Regel um einen Text,
dessen Inhalt einem über den Text hinausweisenden, abstrakteren
Thema zugeordnet werden soll.
In diesem Kontext entspricht der
Begriff eher dem im englischsprachigen Raum üblichen ▪
Hauptthema (main idea)
Mit dem Thema bzw. der Thematik ist das
also so eine Sache: Egal,
ob es sich um Sachtexte (
auch: pragmatische Texte,
Gebrauchstexte,
nicht-fiktionale Texte)
oder literarische Texte
(auch:
fiktionale Texte) handelt, niemals ist das Thema eine
objektive Textgröße. Ebenso wenig
besitzt es eine bestimmte Gestalt. (vgl.
Brinker
1985/2001, S. 55; vgl.
Lahn/Meister 2013, S.206)
Weil das Thema keine objektiv
feststellbare Gegebenheit eines Textes darstellt, kann man es im
Allgemeinen auch nicht ohne Weiteres "im" Text finden. Was ein
Rezipient für das Thema eines Textes hält, ist nämlich sehr
subjektiv und hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Dazu
zählen u. a. Horizont, Wissen, Bedürfnisse, Wertvorstellungen
und Leseerfahrungen. (vgl.
Lahn/Meister 2013, S.206)
Ein Rezipient oder eine Rezipientin kann bei der Lektüre den
Text in einen übergreifenden thematischen Zusammenhang stellen
oder nicht. Tut er/sie es, "beginnt es zu wirken. Denn Sehen,
Wahrnehmen und auch Lesen sind aktive und konstruktive Vorgänge,
in denen das aufnehmende Bewusstsein das Aufgenommene (nach
vertrauten Mustern, Vorbildern, Schemata) strukturiert" (Lahn/Meister
2013, S.206) und ihnen auf deren Grundlage Bedeutung
zuschreibt. Insofern kann also jede/r für sich allein, an
bestimmte Textelemente anknüpfen, die gewonnenen Erkenntnisse
verallgemeinern und in abstrahierter Form in einen
übergreifenden (thematischen) Zusammenhang bringen.
Beispielhaft sind dafür die unterschiedlichen ▪
Themenzuschreibungen, die Schülerinnen und Schüler bei der
Analyse und Interpretation der Kurzgeschichte »Nachts
schlafen die Ratten doch« von
Wolfgang
Borchert vorgenommen haben.
▪ Das Thema der Geschichte formulieren (Schülerbeispiel)
Wie immer dies geschieht, es ist ein individueller mentaler
Vorgang, dessen Ergebnisse nicht richtig oder falsch, sondern
bestenfalls im Sinne intersubjektiver Gültigkeit plausibel sein
können. Um ein Thema in Bezug auf einen bestimmten Text anderen
plausibel machen zu können (Intersubjektivität), kann man sich
dabei dennoch gewisser Hilfsmittel und Verfahren bedienen.
Solche Verfahren und Hilfsmittel sind z. B. die
(textlinguistisch fundierte) Themenanalyse, die
Analyse der thematischen
Rahmung oder auch das Themenringe-Modell. Geht man nur nach dem eigenen Gefühl und
Gutdünken vor, "besteht die Gefahr, dass Leser lediglich ihre
privaten, subjektiven Vorstellungen auf den Text projizieren." (ebd.,
S. 207)
Daher gibt es auch keinen bis ins Detail gehenden
"Königsweg", auf dem man zielgenau auf
das einzig richtig formulierte Thema eines Textes zusteuern könnte.
Was der Leser / die Leserin einem Text thematisch zuschreibt -
meistens sind dies sogar mehrere Themen -, geschieht im Rahmen
seines vorwärtsschreitenden Rezeptionsprozesses, der ihn von
seinem Vorverständnis zu seinem Gesamtverständnis des Textes
führen kann. Dies ist ein konstruktiver und interpretativer Vorgang,
der auch Vermutungen darüber beinhaltet, worauf der Text hinaus
will (Textintentionen).
Damit die Themenzuschreibung insbesondere im Zusammenhang mit
▪
Formen der Textwiedergabe
den Anspruch einer möglichst "objektiven" Wiedergabe erfüllen
kann, sollte das, was man selbst für plausibel hält, zumindest
mit auf den Text bezogenen Aussagen, insofern nachweisbaren
Textindizien, und/oder dem historischen Kontext begründet werden
können. Dabei können einem die nachfolgenden Plausibilitätsstrategien helfen. Was sie ermöglichen sollen,
kann dabei nicht mehr als "eine sinnvolle Diskussion über die
Thematik mit rationalen Argumenten" (ebd.)
Thema als gleichartiges Inhaltselement literarischer Texte
Wird der Begriff in der deutschen Literaturwissenschaft
verwendet, dann wird er z. B. als "gleichartiges Inhaltselement
verschiedenartiger Dichtungen" bezeichnet, das in der behandelten
Problematik gleich bleibt und "variabel in der Ausgestaltung von
Situationen und Handlungsabläufen wie in der örtlichen, zeitlichen
und figuralen Konkretisierung" ist. (Fricke/Zymner
1993, S.148)
In der englischsprachigen Fachdisziplin ist der Themabegriff
indessen weiter verbreitet und wird als
Hauptthema (main idea)
verwendet. Damit wird so etwas wie der Grund- bzw.
Leitgedanke eines fiktionalen Textes bezeichnet. Er steht dabei Seite an
Seite neben Begriffen wie
Handlung,
Charakter,
Schauplatz oder Stil und zählt zu den Grundelementen der
literarischen Fiktion.
Das Thema als Gegenstand der (literaturwissenschaftlichen) Forschung
Die Frage, worum es in einem fiktionalen literarischen Text geht,
kann entweder auf den Inhalt oder das Thema des Textes zielen.
Dabei ist das, was die beiden
Begriffe bedeuten, gar nicht so klar, wie es auf den ersten Blick
scheint.
Oftmals wird der Begriff Thema nämlich auch synonym für
Motiv benutzt und
die Abgrenzung von anderen Begriffen wie z. B. "Konzept,
Problem, Haupt-. Leit- und Grundgedanke, Idee, Handlung,
(Roh-)Stoff,
Inhalt,
Plot,
Fabel,
Sujet" (Müller-Kampel
2006, S.403) ist ohnehin schwierig und für den schulischen
Literaturunterricht kaum nachzuvollziehen.
Und selbst Fachleute, die es wissen sollten, können hier keine
eindeutige Auskunft geben. So hat denn auch die
Thematologie, die sich "mit der
vergleichenden Analyse einer themenbezogenen Textreihe"
beschäftigt, deren Textcorpus in einem "(konventionellen)
Überlieferungszusammenhang" steht, auf einem "verdichteten
intertextuellen Bezugssystem" beruht oder "ein anthroplogisches
Grundmuster" bildet (Lubkoll,
2009, S.747 f.) keine verbindlichen Antworten parat, zumal sie
sich selbst zwischen zwei Polen bewegt.
-
Als
"literaturwissenschaftliche Inhaltsforschung" (Müller-Kampel
2001, S.1) ist ihr Rahmen sehr weit gezogen.
-
Als systematisch
vergleichende und problemorientierte "Untersuchung literarischer
Stoffe, Motive und Themen im diachronen und synchronen
Vergleich" bezieht sie neben Texten der Weltliteratur auch
andere mediale Bearbeitungen in ihre Untersuchungen mit ein. (Lubkoll
2009, S.747 f.)
Themen als inhaltliche Muster
Der Themabegriff der Thematologie geht von dem Grundgedanken
aus, "dass in der Literatur ebenso wie in den benachbarten Künsten
immer wieder bestimmte inhaltliche Muster tradiert werden, 'die als
gemeinsame Bestandteile und Anordnungen vieler ähnlicher
Ereigniszusammenhänge mental gespeichert bleiben'" (ebd.,
Anz, 2007, S.130)
Was diese inhaltlichen Muster interessant macht, ist vor allem die
Tatsache, dass ihr gemeinsames Thema auch über die Geschichte und
Kulturen hinweg bestehen bleibt.
Zugleich geben die jeweiligen Gestaltungen des Themas (in Figuren,
Konstellationen, Ereignissen und Handlungsmustern) "Aufschluss über
kulturgeschichtliche Rahmenbedingungen, mentalitätshistorische
Kontexte, soziologische Zusammenhänge, psychologische Motivationen
oder auch ästhetische Ausrichtungen, die einen literarischen Text
bzw. andere künstlerische Produktionen in ihren jeweiligen Kontexten
kennzeichnen und wirksam werden lassen." (Lubkoll
2009, S.749)
Auf einen einzelnen Text bezogen gibt es kein "richtiges" Thema
Fragt man nach dem Thema eines literarischen Textes dann ist die
Antwort gewöhnlich eine einigermaßen abstrakt formulierte Aussage
über die allgemeine Bedeutung des ganzen Textes oder einzelner
Teile, eventuell auch so etwas wie seine "Sinnmitte" oder
seine Grundidee oder auch seinen Gehalt.
Die Antworten auf solche Fragen können bei ein und demselben Text
sehr unterschiedlich ausfallen. Das ist in der Alltagskommunikation
kaum anders als im Kreis von Fachleuten. Dies gilt insbesondere für
literarische Texte.
Wer dazu einmal die unterschiedlichen Interpretationsansätze für die
▪ Parabeln
von Franz Kafka in Betracht zieht, kann leicht ermessen, in
welcher Bandbreite sich das von Literaturwissenschaftlern jeweils
zugeschriebene Thema des Textes einordnen lässt. (vgl. z. B.
Allegorische Interpretationsansätze
in der Analyse von Ulrich Gaier (1969)
Und: So wie es keine "richtige" Interpretation gibt, gibt es auch
kein "richtiges" Thema. Wo es einen prinzipiellen "Pluralismus toleranter Interpretationen"
gibt (Gaier (1969),
ist auch die "Sinnmitte", die ein Rezipient in einem literarischen
Text sieht, "eine Entscheidung, die der Interpret fällt." (Horst
Steinmetz 1995, S.475).
Was
als Thema eines literarischen Textes angesehen wird, liegt
dementsprechend vor allem im Auge des Betrachters. Das bedeutet,
dass es von etlichen textinternen und textexternen Faktoren abhängt,
was man für das Thema eines solchen Textes hält.
Richtig oder
unrichtig, wahr oder falsch gibt es also dabei nicht. Allenfalls
kann man von einem
plausiblen Thema sprechen und zwar dann, wenn das, was von einem
dazu gesagt wird, von anderen nachvollzogen und ggf. sogar geteilt
werden kann.
Personale Themen und Situationsthemen
Das können - und hier zeigt sich wiederum die Nähe zu den
oben genannten verwandten Begriffen
- wie
Müller-Kampel (2006, S.405) aufzeigt, neben personalen vor allem
"Situationsthemen" bzw.
-stoffe sein wie:
-
Situationen im engeren
Sinn (das Dreiecksverhältnis, der Generationenkonflikt)
-
natürliche Phänomene
-
geo- und
topographische Gegebenheiten (Wald, Ozean, Gebirge; Stadt,
Dorf, Land)
-
Konzepte (Freiheit, Natur)
-
Empfindungen (Liebe, Hass,
Eifersucht)
-
Bereiche der conditio
humana (Glück, Tod, Krieg, Arbeit)
-
immerwährende Gegebenheiten menschlichen Daseins (Träume,
Tod)
-
ständige und immer wiederkehrende menschliche Konflikte und
Konfliktkonstellationen (Konflikt zwischen Illusion und
Realität, die Macht des Schicksal, Libertinage)
-
immer wieder auftauchende Motive in der Literatur und Folklore
(die drei Wünsche, das wüste Land)
Prinzipien und Verfahren der linguistischen Themenanalyse
Das Textthema stellt nach
Brinker 1985/2001 "die größtmögliche Kurzfassung des Textinhalts"
dar. (ebd., S. 56, Hervorh. d. Verf.). Um zu ermitteln, was ein Leser
für das Hauptthema eines Textes hält, kann man drei Verfahren
anwenden:
-
Man kann untersuchen, ob das Thema eines Textes an einer
bestimmten Textstelle, in einem bestimmten Textsegment, mehr oder
weniger explizit genannt wird. Dies sind häufig Überschriften,
es können
aber auch Sätze sein, die an irgendeiner anderen Stelle des Textes
stehen.
-
Zudem kann
man seine Aufmerksamkeit darauf zu richten, ob bestimmte
Textgegenstände häufiger erwähnt werden. Textlinguistisch
kann man das mit dem vergleichsweise aufwändigen Verfahren
zur Analyse der grammatischen Wiederaufnahmestrukturen
machen, die zeigen, wie ein Text einen oder mehrere
Ausdrücke in den nachfolgenden Sätzen als Bezugsausdruck
bzw. Bezugsausdrücke wieder aufnimmt, um dadurch für den
nötigen Textzusammenhang (Kohärenz) in einem Text zu sorgen.
Verkürzt und sehr vereinfacht geht es darum, aus der
Häufigkeit, mit der von einer bestimmten Sache oder auch
einer Person die Rede ist, auf die thematische Orientierung
eines Textes zu schließen, was Aufschlüsse über
nachvollziehbare Haupt- und Nebenthemen geben kann.
-
Ist dies nicht der Fall kann man den Text zusammenfassend
und zugleich verkürzend
paraphrasieren. Was am Ende als "Kern
des Textinhalts" (ebd.)
"übrig" bleibt, lässt sich dann als
Thema auffassen. Dies kann stufenweise erfolgen, wenn die erste
Paraphrase erneut paraphrasiert wird usw.
Über die Rahmenanalyse zum Thema
Ähnlich geht man bei der sogenannten thematischen
Rahmenanalyse vor. Anknüpfend an Ausführungen des Soziologen »Erving
Goffman (1922-1982) (1977,
1981) zur sogenannten »Rahmenanalyse
haben
Silke Lahn und Christoph Meister (2013, S. 206.ff.) ein
Modell zur Bestimmung des thematischen Rahmens von
fiktionalen
erzählenden Texten entwickelt. In seinen Grundannahmen kann
es aber auch auf andere Textsorten angewendet werden.
Goffman sieht in Rahmen Erfahrungen, die jeder bei der
Sozialisation gemacht und in entsprechenden ▪
Schemata gespeichert hat. Im Handeln, Denken und Fühlen
greifen wir stets unbewusst auf solche Schemata zurück. Die Bedeutung von Schemata für die Wahrnehmung von Welt und die
Repräsentation von Wissen ist also außerordentlich groß.
Dies
gilt auch für das Lesen und die Verarbeitung der in einem Text
enthaltenen Informationen während der Lektüre. Denn auch dabei
organisieren wir die Vielzahl der darin enthaltenen
Informationen zu Gesamteinheiten, um ihnen Bedeutung zuordnen zu
können. Dingen, denen wir auf diesem Weg keine Bedeutung
zuordnen, werden oftmals dabei ausgefiltert. Das erklärt auch
zum Teil, warum jede/r sein eigenes Thema aus dem Text "heraus-"
und bei seiner weiteren Lektüre wieder mit "hineinliest."
Schemata sind aber nicht in Stein gemeißelt, sie können sich nämlich,
wenn man auf ihrer Grundlage agiert, immer wieder verändern, d. h.
Schemata können der Umwelt auch angepasst werden. Sie können sich
verändern, wenn unser Wissen wächst, können sich immer weiter mit neuen
oder verfeinerten Merkmalen ausdifferenzieren, können, was sie umfassen,
neu organisieren und Dinge und Strukturen mit anderen Aspekten oder
Schemata, z. B.
emotionale Schemata, vernetzen, verknüpfen und damit eine noch
komplexere Struktur schaffen. Ähnliches ist gemeint, wenn Goffmann
(1977, S.376 ,1981)
sagt, erst "die Rahmung mache das Handeln für den Menschen sinnvoll."
Goffman unterscheidet bei seiner Rahmenanalyse zwischen der
sogenannten primären Rahmung und ihrer Modulation (von ihm
selbst Keying bezeichnet). Keying
bezeichnet dabei den Vorgang der Veränderung der primären (Außen-)Rahmung
durch andere Momente, ohne dass sich der Kern der primären
Rahmung dadurch verändert. Keying "moduliert" also in gewisser
Weise die primäre Rahmung.
Zwei Beispiele können verdeutlichen, was damit gemeint ist.
-
Der Streit
zwischen einem Paar (primäre Rahmung) kann durch Keying
moduliert werden als
-
Streit
zwischen einem Ehepaar im privaten Raum der den eigenen
vier Wände
-
Streit
zwischen einer Frau und einem Mann auf einer
Theaterbühne
-
Streit
zwischen zwei Kindern im Sandkasten
-
... (vgl.
Wikipedia)
In jedem
dieser Beispiele greifen wir auf eine Vorstellung von
"Streit" und "Streiten" zurück, die als primäre Rahmung
angesehen werden kann, auch wenn dieser nicht wirklich
trennscharf genug ist, um Missverständnissen vorzubeugen.
Schließlich kann auch in der Realität ein Streit auch nur
vorgetäuscht sein. Zudem hat auch schon Goffman
(1977,
S. 35) eingeräumt, dass wir meistens mehrere Rahmen
gleichzeitig verwenden, um Situationen zu deuten.
- Franz ▪
Kafkas
▪ "Kleine
Fabel" kann mit ihrem Titel, der die
Gattungsbezeichnung "Fabel"
enthält, einem kompetenten Leser, der über das entsprechende
▪
Textsortenwissen zur Fabel
verfügt, zunächst einmal
nahelegen, den Text als Fabel zu lesen und ihn auf dieser
Grundlage primär (thematisch) zu rahmen. Allerdings muss
dies keinesfalls so sein.
Ist dies jedoch der Fall, kann diese primäre Rahmung beim
Gewinnen eines vertiefteren Textverständnisses dadurch
moduliert werden, dass man das "konkrete Geschehen zugleich
explizit als Bild (Allegorie)
für menschliche Verhaltensweisen und eine menschliche
Situation zu sehen und zu deuten (Modulation)."
(Lahn/Meister 2013, S.208) Das, was man gemeinhin mit
einer Fabel verbindet, wird dabei so "umgebaut", dass ein
zusätzlicher thematischer Rahmen zur Primärrahmung
hinzukommt, der einem ermöglicht, das Geschehen
abstrahierend auf Grundbedingungen der menschlichen Existenz
zu übertragen.
Das Modell der Themenringe
Das Modell der Themenringe lehnt sich an das
▪ kognitionspsychologische Modell der
▪ Familienähnlichkeit und die
Idee des sogenannten
Basislevels
(basic level) in
einer Begriffshierarchie ab und zielt auf die Plausiblisierung der
Kohärenz
der
Begriffsbildung bei der Themenbestimmung.
Damit ist gemeint, dass
es in einer von oben nach unten, vom Thema im weitesten Sinne
bis zum engsten Sinne, eine Ebene gibt, bei dem die Kohärenz
des Themas "sprunghaft ansteigt." (Jäkel/Meyer
2013, S.312)
Das ist die Ebene bzw. im vorliegenden
Themenringe-Modell jener Themenring, bei der der
Informationsgehalt über das den Inhalt des Textes "am
vorteilhaftesten (ist)" (ebd., S.312).
Dass die Feststellung dieses Schwellenwerts keine objektive
Größe oder Texteigenschaft sein kann, ist dabei klar. Ob das
Thema also optimal bestimmt wird, hängt natürlich von einer
ganzen Reihe weiterer, vor allem auch kontextueller Faktoren ab.
Das hier vorgestellte Modell der Themenringe dient zur Verdeutlichung,
in welcher Beziehung Inhalt und Thematik eines Textes betrachtet
werden können, wenn sie für schulische Schreibformen eine Rolle
spielen. Es sind pragmatische und vor allem didaktische Gründe,
die es im Kontext der obigen (thematischen)
Plausibilitätsstrategien legitimieren kann.
Schülerinnnen
und Schüler haben nämlich häufig erhebliche Schwierigkeiten
dabei, zwischen dem bei Textwiedergaben immer wieder geforderten
Angeben und Formulieren des (erkannten und plausiblen) Themas
und dem Kurzinhalt des Textes zu unterscheiden.
Auch wenn sich beides sehr überschneiden kann, gibt es
doch Gründe diese Unterscheidung vorzunehmen.
-
Der Kurzinhalt versteht sich in der Opposition beider
Begriffe insofern "die größtmögliche Kurzfassung des Textinhalts"
(Brinker 1985/2001,
S. 56), wenn es gelingt, den inhaltlichen Kern eines Textes
auf der Basis dessen, was dargestellt wird, so knapp
zusammenzufassen, dass ein anderer, darin noch in Grundzügen
erkennen kann, worum es geht. Der Kurzinhalt ist an
inhaltlichen Gegebenheiten des Textes orientiert.
-
Das Thema hingegen stellt den dargestellten Inhalt in einen
größeren, textübergreifenden Zusammenhang und gibt an, wie
der Verfasser bzw. die Verfasserin den Text thematisch
gerahmt hat (primäre Rahmung).
Was er als Thema erkannt hat, ist seine Interpretation und
zugleich eine Aufforderung, sich dieser primären Rahmung bei
der Lektüre des Originaltextes anzuschließen und/oder diese
ggf. zu modulieren. Wenn das formulierte Thema diese Funktion bei der
Textwiedergabe erfüllen soll, muss es plausibel sein und
darf weder zu allgemein gehalten sein, noch darf es geradezu
identisch sein mit dem Kurzinhalt. Genauer
gesagt: Das Thema muss also etwas Allgemeineres über den Text aussagen als
der formulierte Kurzinhalt. So gesehen, spricht der Kurzinhalt in knapper
Form aus, was der Text zum Thema zu sagen hat.
FAQ: "Was ist denn eigentlich der Unterschied
zwischen Thema und Inhalt?
Das Themenringe-Modell (s. Abb. oben) soll verdeutlichen, dass die Themen, die in einem
Text behandelt werden, eine letztlich nie abgeschlossene Menge von
Zuschreibungen darstellt, die mehr oder weniger stark am Inhalt des Textes
orientiert sind.
Mit der grafischen Darstellung wird dabei visualisiert,
dass das, was jemand für das Thema eines Textes hält, sehr unterschiedlich sein.
Dies wird durch
die verschiedenen Themenringe 1-4 ausgedrückt, die um den eigentlichen
Inhalt des Textes gelagert sind.
-
Bei diesem Modell wird der Bezug zwischen
dem Inhalt und dem ihm zugeschriebenen Thema von innen nach außen immer
abstrakter, das Thema wird, wenn man so will, dadurch immer allgemeiner
formuliert.
-
Am Ende kann
es soweit vom Inhalt entfernt sein, dass man beim besten
Willen kaum noch einen einigermaßen konkreten Zusammenhang
zwischen Thema und Inhalt feststellen kann. Dann sind auf
dem Weg der Abstraktion also mehr und mehr inhaltliche
Aspekte weggefallen. Je mehr dies der Fall ist, desto
geringer könnte dabei die Plausibilität einleuchten. Um sie
gegenüber einem möglichen Adressaten wiederzugewinnen, sind
in einem solchen Fall oft umfangreiche Erklärungen nötig
▪
Das Basislevel in einer Begriffshierarchie
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
12.12.2022
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