Ein Themenring zur Eingrenzung des Themas
Um das Thema eines Textes zu erfassen und eingrenzen zu können,
kann man sich mit dem hier vorgestellten Themenring-Modell behelfen.
Das Modell der Themenringe erhebt keinen Anspruch auf
wissenschaftliche Fundierung, sondern dient zur Verdeutlichung,
in welcher Beziehung Inhalt und Thematik eines Textes betrachtet
werden können, wenn sie für schulische Schreibformen eine Rolle
spielen. Es sind pragmatische und vor allem didaktische Gründe,
die es im Kontext der obigen (thematischen)
Plausibilitätsstrategien legitimieren kann.

Das Themenringe-Modell soll verdeutlichen, dass die Themen, die in einem
Text behandelt werden, eine letztlich nie abgeschlossene Menge von
Zuschreibungen darstellt, die mehr oder weniger stark am Inhalt des Textes
orientiert sind. Thema und Inhalt müssen sich dabei plausibel aufeinander
beziehen lassen.
Was jemand für das Thema eines Textes hält, kann von
dem, was ein anderer darin sieht, sehr unterschiedlich sein. Dafür gibt es
eine Vielzahl von Gründen, die entweder mit dem Text unmittelbar
zusammenhängen (textinterne Faktoren) oder mit der Person des
Rezipienten (Weltwissen,
Fachwissen,
Erfahrungen,
Lesekompetenzen und - erfahrungen,
Textstrukturwissen,
Textmusterwissen etc.) sowie sonstigen Kontexten, unter denen
sich die Rezeption des Textes vollzieht.
Dass verschiedene Leserinnen und Leser demselben Text
unterschiedliche Themen zuschreiben, ist also nichts
Außergewöhnliches. Bliebe man mit seiner Meinung darüber für sich,
wäre das auch ohne weiteren Belang. In der Kommunikation mit anderen
über einen Text indessen sollte das, was man für das Thema
(Hauptthema) so plausibel sein, dass es von dem
Kommunikationspartner nachvollzogen werden kann.
Ein Text befasst sich stets mit etlichen Themen
Jeder Text befasst sich mit etlichen Themen.

Dies wird durch
die verschiedenen Themenringe 1-4 ausgedrückt, die um den eigentlichen
Inhalt des Textes gelagert sind.
-
Bei diesem Modell wird der Bezug zwischen
dem Inhalt und dem ihm zugeschriebenen Thema von innen nach außen immer
abstrakter, das Thema wird, wenn man so will, dadurch immer allgemeiner
formuliert.
-
Am Ende kann es soweit vom Inhalt entfernt sein, dass man beim
besten Willen kaum noch einen einigermaßen konkreten Zusammenhang zwischen
Thema und Inhalt feststellen kann. Dann sind auf dem Weg der Abstraktion
also mehr und mehr inhaltliche Aspekte weggefallen.
Entscheidend ist also für die Bestimmung des Themas etwas, das
man in der Kognitionswissenschaft bzw. ▪
Kognitionspsychologie das
Basislevel (basic level) in einer
Begriffshierarchie nennt, also jene Schwelle, bei der man in der
Begriffshierarchie von oben nach unten, also vom weitesten Begriff
zum engsten, zu einer Ebene gelangt, bei der "der Informationsgehalt
über ein Objekt (...) am vorteilhaftesten (ist)" (Jäkel/Meyer
2013, S.312). Dies ist die Ebene, auf der die
Kohärenz "sprunghaft ansteigt." (ebd.)
Ski ist kohärenter als Wintersportgerät, Alpin-Ski kohärenter als
Ski: Wer z. B. über ein Objekt weiß, dass es sich um ein
Wintersportgerät handelt, weiß viel weniger über das Objekt, als
wenn er/sie weiß, dass es sich Ski handelt.
Das Basislevel ist allerdings keine objektive Größe, sondern
hängt natürlich wiederum von einer ganzen Reihe weiterer, vor allem
kontextueller Faktoren ab.
Beispiele
Stellen wir uns vor, in einer Geschichte wird erzählt, wie eine Frau
herausfindet, dass ihr Mann eine Geliebte hat, ihn zur Rede stellt und
danach darüber nachdenkt, wie es weitergehen soll. So weit der schlichte
Kurzinhalt.
Das Thema? Nun es könnte lauten:
Folgen von Untreue in einer
Beziehung, Beziehungskrise zwischen Mann und Frau oder vielleicht auch
Selbstbehauptung von Frauen in modernen Paarbeziehungen. Alle drei
Formulierungen liegen im Themenringe-Modell unterschiedlich nahe um den
Inhalt des Textes.
Gehen wir den umgekehrten Weg. Das Thema "Liebe" kann in einer Erzählung
inhaltlich ganz unter-schiedlich gestaltet werden. Setzen wir es der
Einfachheit halber auf den äußersten Ring. Auf dem Weg nach innen, zum
eigentlichen Inhalt, nehmen die Informationen über die Geschichte mehr und
mehr zu.
Ob es
inhaltlich dann eine herkömmliche Liebesgeschichte zwischen Mann und Frau
wird, die Liebe eines Mädchens zu seinem Pferd oder die Geschichte von der
Biene und der Blume ... usw., geht jedenfalls zunächst aus der Formulierung
des Themas nicht hervor.
Wohlgemerkt: "Richtig" ist das Thema "Liebe" schon, fragt sich
nur, ob es den thematischen Kern (übergeordnete Hauptthema) so
erfasst, dass ein Bezug zum Inhalt nachvollzogen werden kann, also
jenen "Schwellenwert" erreicht, von dem oben die Rede war. Schließlich
hat das Ganze ja die Funktion über einen Text zu informieren. Würde jemand
jedenfalls zu der knapp skizzierten Geschichte das Thema "Leben auf dem
Planeten Erde" angeben, hätte sich dieser Bezug zwischen Thema und Inhalt in
die Weite des Weltalls verflüchtigt.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
12.12.2022
|