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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
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Die Karlsschule
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Überblick
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Kurzer Abriss der Geschichte
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Die
Schüler der Karlsschule
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Erziehung und militärischer Drill
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Lehr- und Unterrichtspraxis
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Privatleben - Fehlanzeige
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Ständische Ungleichheit
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Umzug nach Stuttgart 1775
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Textauswahl
"Der weitaus wichtigste Religionsunterricht an der Karlsschule war natürlich
der evangelische, welcher der Konfession des Landes
und der großen Mehrzahl der Zöglinge entsprach. […] Der Besuch des
sonntäglichen Gottesdienstes in der Akademiekirche, für die jüngern Zöglinge
auch der Kinderlehre Sonntag nachmittags, ferner eines jeden Donnerstags
10-11 Uhr stattfindenden Wochengottesdienstes war für alle Akademisten
verbindlich - freilich mussten wegen Allotriatreibens während der Predigt
immer von neuem Verwarnungen erlassen werden -; Vor und nach jeder Mahlzeit
(auch dem Frühstück) wurde von einem Aufseher, bei festlichen Anlässen vom
Religionsprofessor ein - eigens für die Schule abgefasstes - Gebet, darauf
von einem jüngern Zögling das Vaterunser gesprochen (von den Katholiken in
der katholischen Form, doch mit einer Pause vor dem Amen); auch wurde auf
regelmäßige Andacht jedes Zöglings im Schlafsaal gesehen.
Bei der Aufnahme in die Anstalt wurden die Zöglinge auch in der Religion
geprüft; bei den öffentlichen Jahresprüfungen bildete die Prüfung in der
Religion, die unter Mitwirkung von zwei Deputierten des Konsistoriums
vorgenommen wurde, einen ständigen Teil, und es wurden jedes Mal auch Preise
in diesem Fach erteilt. [...]
Namentlich aber war der Religionsunterricht selbst Gegenstand
sorgfältiger Pflege, und der Herzog suchte für dessen Erteilung geeignete
und tüchtige Lehrer, Männer 'von reiner Lehre', aber zugleich 'von geistig
freier Denkart' und von anerkannt gutem Charakter zu gewinnen.
Im ersten und teilweise auch zweiten Jahr der Anstalt beschränkte sich der
Unterricht im 'Christentum' auf Lesen und Erklären des Katechismus durch
Unterlehrer, nebst Auswendiglernen von Sprüchen und Liedern. Im Laufe des
Jahres 1771 übernahm
Jahn, 1772 auch Drescher und 1733 die anderen Professoren je
an ihren Abteilungen den Religionsunterricht, der sich - in 2-3 Stunden am
Sonntag - außer dem obigen Lesen der Bibel, Erklärung der sonntäglichen
Evangelien vor der Predigt und nachheriges Abfragen über den Inhalt der
gehörten Predigt des 'Hofstaatspredigers' Pfeilsticker von Gerlingen
erstreckte, welche letzterer auch den Konfirmandenunterricht erteilte.
Anlässlich einer Beschwerde des Konsistoriums wurde im Jahr 1773 ein eigener
Religionslehrer ernannt […]. Damit trat zugleich die weitere Änderung
ein, dass der Religionsunterricht in den ordentlichen Unterricht eingereiht
und in den werktäglichen Stundenplan aufgenommen wurde, und zwar so, dass an
den unteren Abteilungen in 6-2 Stunden (mit dem Aufsteigen der Klassen
abnehmend) [...] unterrichtet wurde. […]
In welchem Geist der Religionsunterricht erteilt wurde, ergibt sich
schon aus dem oben Gesagten; es war der streng evangelisch-lutherische der
Landeskirche. Das Konsistorium verhütete argwöhnisch jede Abweichung in
dogmatisch-konfessioneller Richtung, und der Herzog verlangte, dass ein
ebenso gründlicher als auf das Gemüt wirkender Religionsunterricht erteilt
werde, 'Freigeisterei' aber gänzlich ausgeschlossen bleibe. [...]
Was den stufenmäßigen Gang und Betrieb des Religionsunterrichts
betrifft, so wurde auf Grund der für das ganze Land geltenden Anordnungen
davon ausgegangen, dass derselbe anfangs Gedächtnisunterricht sein müsse; es
wurden also der Katechismus, das Konfirmationsbüchlein, eine bestimmte
Anzahl von Psalmen, Sprüchen und Liedern auswendig gelernt, auch geeignete
Stücke der Bibel gelesen. Dies war die Aufgabe des Lehrmeisters Bernhard
(...), der diesen Unterricht zugleich zur Förderung im Lesen und Schreiben
verwenden sollte, für welche Fächer er eigentlich angestellt war. Doch wurde
wenigstens zeitweise auch von ihm verlangt, dass es das Gelesene nach
Stresow, Elementare Lehre vom Christentum, durch Fragen verständlich und
eindringlich mache, dass er das Konfirmationsbüchlein nach einer von Prof.
Müller geschriebenen Erklärung erläutere und die Kinder nach Hübners
Biblischen Historien mit einzelnen biblischen Geschichten bekannt mache. Bei
der Neuordnung im Jahr 1783 wurde aber verlangt, dass er mit Leuten, die
unter dem 11. Jahr stehen, die biblische Geschichte anfangs nach dem kleinen
Seilerschen Katechismus, sodann nach
dem Seilerschen Erbauungsbuch ohne
eigene Zusätze und Erklärungen kurz durchgehe und bloß über den Inhalt eines
vorgelesenen Stücks nach dem im Buche selbst beigesetzten Fragen zur
Schärfung der Aufmerksamkeit der Kinder frage. […]
Für die übrigen Zöglinge behandelte auf Grund dieses Elementarunterrichts,
der bis zum 11. oder 12. Lebensjahr reichte, der Religionsprofessor an den
zwei oberen philologischen und einer oder beiden philosophischen
Abteilungen, sowie den Abteilungen der Handelsschule und der Künstler die
biblische Geschichte Alten und Neuen Testaments, nebst Bibellesen, teilweise
auch Kirchengeschichte in einem normalerweise dreijährigen (bei den
Kaufleuten zweijährigen) Kurs, teils nach eigenem Entwurf […]
Eine besonders tiefe und nachhaltige Wirkung des Religionsunterrichts auf
die Zöglinge ist von keinem der Lehrer bezeugt, am ehesten von Hartmann und
Plank; andererseits ist auch keine Spur davon zu erkennen, dass dieser
Unterricht auf irgendeiner Stufe von den Zöglingen missachtet worden wäre."
(aus:
Hauber 1907/1909, S.46-51, gekürzt}
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.09.2023