▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
▪
Textauswahl:
Gustav Hauber, Der Herzog und die Karlsschule (1907)
Als
▪
Friedrich Schiller
(1759-1805) am 16. Januar 1773 auf Geheiß von
Herzog ▪ Carl Eugen
(1728-1793) in die ▪
Karlsschule eintrat, hatte die
▪
Militär-Pflanzschule schon die stattliche Zahl von 400
Schülern (Eleven) erreicht.
Zwei Monate später
wurde ihr vom Herzog der
Status einer Militärakademie verliehen, was zu einer Ausweitung des
Unterrichtsangebots auf universitäre Fächer führte, die den höheren
Jahrgängen angeboten werden.
In ihrem knapp 24 Jahre dauernden Bestehen
durchliefen fast 1.500 Eleven die Karlsschule, wobei, in ihrer Stuttgarter
Zeit, noch 700 Studierende aus der Stadt selbst dazu kommen. (vgl.
Pfeiffer 1905, S.214)
Der Rever und die Auswahl der Schüler
Vom Beginn des Jahres 1774 an ließ Carl Eugen die
Eltern seiner Eleven einen Revers unterzeichnen,
worin diese sich verpflichten mussten, ihren Sohn nach Abschluss seiner Ausbildung
in die herzoglichen Dienste zu übergeben.
Die Verpflichtung, die die Eltern
damit eingingen, wurde ihnen im Revers mit einer Anstellungsgarantie erleichtert,
die der Herzog den Eleven gewährte (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S.83, 97)
Die Auswahl seiner Eleven nahm der Herzog selbst vor, der über den
Leistungsstand der besten Schüler an den Lateinschulen seines Landes bestens
unterrichtet war. An ihn mussten nämlich die Eltern ihre Gesuche um Teilnahme
an den jährlichen Landexamen richten. Ferner ließ er sich auch jährlich
Übersichten über ihre besten Absolventen vorlegen (vgl.
Buchwald 1959, S.124)
Die
Entscheidung des Herzogs diesen oder jenen Jungen in seine Anstalt zu
beordern, war ein Akt der Willkür. Daran kann auch angesichts
anderslautender Interpretationen eigentlich nicht der geringste Zweifel
bleiben und, wie
Reed (1998, S.6) betont, verfehlt jeder noch so "wohlgemeinte Versuch,
aus sicherer Geschichtsferne die Willkür vermenschlichen zu wollen, [...]
das zentrale Prinzip der Aufklärung, auf das der Herzog sich gern beruft,
nämlich dass sich der Mensch aus sich selbst bestimmen soll."
Die Karlsschule ist "Kaserne, Kloster und Universität" zugleich, wie
Safranski (2004, S. 36) pointiert betont, und schwarz, ja
tiefschwarz, ist die Pädagogik, um mit dem von
Katharina Rutschky (1977/2001)
geprägten Begriff "schwarze Pädagogik"
in einer Steigerung zu spielen, mit der in der "Sklavenplantage" des Herzogs
(Schubart) die Erziehung der Eleven bewerkstelligt wird.
So aufgeschlossen
sich der Herzog gegenüber Ideen und Gedankengut einer
naturwissenschaftlich-praktisch ausgerichteten Aufklärung zeigte, so wenig
hielt er auf der anderen Seite von den Erziehungsprinzipien des französischen
Aufklärers und Philosophen »Jean-Jaques
Rousseau (1712-78), der in seinem »"Emil oder über die Erziehung"
(1762) das allmähliche Wachsenlassen und Entfaltenlassen der Natur zum
Grundprinzip seiner dagegen äußerst liberal wirkenden Erziehungskonzeption
machte (vgl.
Safranski (2004, S. 33), auch wenn ▪
Balthasar Haug (1731-1792) "die Unterstützung und Ausbildung der
entdeckten natürlichen Anlage" (S.17) in der Karlsschule in seinem
Vortrag "Von
den vornehmsten Kennzeichen einer guten Erziehung" anlässlich des
2. Stiftungstages der militärischen Pflanzschule 1772 ausdrücklich
betonte.
Gemütsspionage und kein individueller Freiraum als pädagogisches
Konzept
Die
institutionalisierte "Gemütsspionage" (Alt) bei gleichzeitiger
Verunmöglichung kleinster privater Freiräume war Dreh- und Angelpunkt des
pädagogischen Konzeptes, das die "Entindividualisierung" des einzelnen
zum Prinzip machte. Dazu kamen die Prinzipien von Subordination, Disziplin
und auch der gegenseitigen Konkurrenz (vgl.
ebd.), die den Alltag der Eleven bestimmten.
In Uniformen gesteckt, wurden die Eleven mit ihren "gestreifte(n)
Zwillichkitteln, dergleichen Hosen, wollene(n) Kappen, Papilloten ohne
Puder" (Erinnerungen von Schillers Mitschüler Scharffenstein, zit. n.
Alt Bd. I, 2004,
S.85) ebenso gleich wie gefügig gemacht.
Und nicht nur die Uniform, sondern
auch die von allen zu tragenden langen Zöpfe waren es, die den Aufsehern
täglich vielfältige Möglichkeiten zur Schikane der Zöglinge lieferten. Mal
saß eben die Perücke nicht richtig, mal schloss die Gürtelschalle nicht
mehr und ein ander Mal waren es Flecken auf der Parade- oder Alltagsuniform
aus stahlfarbenem Tuch, die den Aufsehern Lust und den Eleven Pein bereiteten.
Der Tagesablauf in der Karlsschule
Der Tagesablauf der Eleven folgte
militärischen Mustern und "glich einer Kaserne oder einem Gefängnis" (Walter
1987, S.290). Schon »Christian
Friedrich Daniel Schubart (1739-1791), der als Regimegegner Carl
Eugens von diesem zehn Jahre (177-1787) widerrechtlich auf dem »Hohenasperg
eingekerkert wurde, sprach von einer "Sklavenplantage".
Der Tagesablauf
folgte der folgenden Hausordnung:
-
5 Uhr bzw. 6 Uhr:
Aufstehen im Sommer um 5 Uhr, im Winter um 6 Uhr ((früheres
Aufstehen zur Arbeit war gestattet)
-
Danach Frühstück
-
7-11
Uhr Uhr: Unterricht und Arbeit
-
11-12 Uhr
Anzug
und Reinigung - "Propreté!" führte
Seeger
beständig im Munde
-
12 Uhr Mittagessen,
dann Erholung
-
14--18 Unterricht und Arbeit,
-
18-19
Erholung
-
19 oder 19.30
Abendessen, dann Erholung,
-
spätestens 21 Uhr
Zubettgehen. (Hauber 1907/1909, S.17-21}
Weitere Regeln der Hausordnung an der Karlsschule
Die Hausordnung
regelte das Leben der Schüler in der Karlsschule bis ins kleinste
Detail und sorgte für ihre Rund-um-die-Uhr-Überwachtung und
Kontrolle.
-
Alle Zöglinge
mussten Uniform tragen. Diese b Sämtliche Zöglinge hatten
Uniform zu tragen, 2die dem Stil und Geschmack der Zeit
entsprechend gestaltet war: langer, vorn offener Rock und Weste
aus stahlblauem Tuch mit versilberten Knöpfen und schwarzen
Vorstößen, weiße Beinkleider, im Sommer weißbaumwollene Strümpfe
und Schnallenschuhe, im Winter Stulpstiefel; vorn und hinten
aufgekrempter Hut mit silbernen Borten, und Degen; das Haar
frisiert mit einer gepuderten »Papillote
auf jeder Seite, die bei festlichen Anlässen verdoppelt wurde,
und Zopf; bei den Kavalierssöhnen als Auszeichnung eine silberne
Achselschnur. Indes wurde Hut und Degen nur bei Feierlichkeiten
und beim Ausgehen, die Uniform überhaupt im Hause nur bei den
Hauptmahlzeiten, in den Lektionen dagegen und bei der Arbeit der
so genannte Überrock getragen. Die Stadtstudierenden hatten die
Uniform bei festlichen Anlässen zu tragen, sonst war es ihnen
erlaubt, aber nicht geboten."
-
Bis
1783 gab es überhaupt keine Ferien,
danach
ab zu Ostern und im Herbst je eine Woche.
-
Urlaub wurde nur in äußerst
seltenen Fällen erteilt, ab 1783 wurden die Genehmigungen etwas leichter
-
Wenn sich die
Beschäftigung der betreffenden
Schülergruppe änderte, musste bei jedem Wechsel im Rangiersaal angetreten
werden und auf Kommando im Tritt an den betreffenden Platz, in
den Lehrsaal, Speisesaal usw. marschiert werden
-
Im Durchschnitt kam
auf etwa 9 Zöglinge eine
die
Aufsicht führende Person.
-
In
ihren Schlafsälen wurden die Zöglinge ununterbrochen
beaufsichtigt. Dafür stand ein eigens dafür bestelltes, meist
militärisches Aufsichtspersonal bereit, das Kommando des
Intendanten unterstellt war. Es bestand 2 Stabsoffizieren, 6
Hauptleuten, 10 Leutnants und 15 weiteren Aufsehern, neben
Unteroffizieren auch bürgerliche Leute, teilweise auch
Unterlehrer, so genannte "Hofmeister".
-
In jedem der großen und kleinen
Schlafsäle schliefen auch ein Offizier und zwei Aufseher,
die darin Aufsicht führten.
-
Beim Ankleiden,
während des Essens, der Privatarbeitszeit in den einzelnen Hörsälen
aber auch während der Erholung waren Offiziere und Aufseher
ständig zur Aufsicht
abgestellt.
-
Wenn es in den
Unterricht ging, wurde die entsprechende Schülergruppe der
Aufsicht der jeweiligen Lehrkräfte überlassen. Nach
Unterrichtsschluss wurden sie aber wieder direkt von ihren
Aufseher übernommen, so dass sie keinen Augenblick
unbeaufsichtigt blieben.
-
Das Gelände zu
verlassen und in die Stadt zu gehen, war den Zöglingen bis 1783
gänzlich verboten. Danach durften sie sonntags zwischen
dem Mittagessen und 15 Uhr das Haus ihrer Verwandten besuchen.
Voraussetzung war, dass das Haus, wohin der Zögling wollte,
vorher angegeben und der Besuch dort genehmigt wurde und
der jeweilige Verwandte oder
Lehrer den Zögling der Akademie abholte und um 15 Uhr wieder in
der Karlsschule ablieferte.
-
Auch
gemeinsame
Ausgänge von Schülergruppen, Spaziergänge am Sonntagnachmittag
z.B. oder mitunter auch werktags in den
Erholungsstunden, standen immer unter dem Befehl und der Aufsicht eines
Offiziers. Dies galt auch dann, wenn sie z. B. zu botanischen Lehrzwecken
u. ä. stattfanden.
-
Ein
Briefgeheimnis gab es für die Schüler nicht. Ihre ein- und
ausgehende
Korrespondenz wurde vom Aufsichtspersonal
gelesen. Gab es darin etwas, was Anstoß erregte. wurde dies dem
Intendanten gemeldet. In einem solchen Fall wurde der
entsprechende Zögling wegen des missliebigen Inhalts von
Briefen, scharf zur Rede gestellt und gerügt.
-
Besuche von Angehörigen waren nur in
Ausnahmefällen und dann nur in Gegenwart von Aufsehern
zugelassen. "Erwachsene ledigen Frauenzimmern" war der Besuch
gänzlich untersagt.
-
Dir älteren
Zöglinge durften über ein
kleines Taschengeld frei verfügen,
die jüngeren mussten alles, was sie ausgeben wollten, einzeln
von den Aufsehern genehmigen und verrechnen lassen.
-
Wenn etwas wie z.
B. Esswaren aus der Stadt dafür gekauft werden sollten, wurde
die Ware vom Dienstpersonal der Karlsschule eingekauft.
-
Jedem einzelnen
Schüler wurde die Anzahl seiner
Unterrichtsstunden und die
Unterrichtsfächer genau vorgeschrieben.
-
Dies galt auch
für Zeitdauer, die ein Schüler
für seine
Privatarbeit aufzuwenden hatte. Bis 1782 war dabei auch festgelegt, wie
lange er sich dabei mit einzelnen Fächern zu beschäftigen hatte.
-
Während der
Privatarbeit hatten die
bestellten Aufseher aufzupassen, dass auch nichts anderes
getrieben wurde, als das was auf dem Programm stand.
-
Die Pulte und sonstigen Geräte der einzelnen
Schüler wurden in regelmäßigen Abständen durch Lehrer und Aufseher untersucht.
Wenn dabei etwas
Unerlaubtes wie z. B. Rauch- und
Schnupftabak, dessen Genuss verboten waren, entdeckt wurde, oder auch
ungeeignet erscheinende Bücher, wie Romane, abgenommen und unter Umständen
Bestrafung veranlasst.
(vgl.
Hauber 1907/1909, S.17-21, vgl.
Walter 1987,
S.290f.)
Der Intendant der Schule: Christoph von Seeger
Wer
in der Karlsschule Aufsicht über die Eleven
führte, war in ein streng
hierarchisches System eingegliedert. An dessen Spitze stand als "Intendant"
(Leiter) der Einrichtung »Christoph von
Seeger (1740-1808), ein Patriarch alter Schule zwar, der aber von
den Schülern doch wegen seiner Umgänglichkeit, seinem in Konfliktfällen
gezeigten Verständnis und seiner Liberalität wegen durchaus geschätzt.
wurde (vgl.
Alt Bd. I, 2004,
S.84). Aber natürlich konnte auch er "nur ausgleichen, mildern und in Ordnung
halten, was der Herzog bestimmte." (Buchwald 1959,
S.122).
Der Sohn eines evangelischen Geistlichen besuchte in seiner Jugend die
Seminare Blaubeuren und Bebenhausen, zog aber einer weiteren Ausbildung
als evangelischem Pfarrer eine Militärkarriere vor. Nach ersten
Kriegserfahrungen in einem Kürassier-Regiment durfte er mit Erlaubnis des
Herzogs in Tübingen Mathematik studieren, um seine Erkenntnisse für das
Militärwesen einzubringen. 1761 wurde er zum Leutnant befördert und bekam
ein paar Jahre später (1765) die Aufsicht über Planierungsarbeiten und den
Gartenbau auf der »Solitude.
Sein Nachfolger in diesem Amt wurde später der
Vater ▪
Friedrich Schillers
(1759-1805) ▪
Johann Caspar Schiller, der 1775 zum
▪
Intendanten der Hofgärtnerei auf der Solitude ernannt wurde.
Zum
Hauptmann befördert (1768) wurde Seeger 1770. Nicht zuletzt wegen seiner
Kenntnisse in der Gartenbaukunst wurde zum Intendanten des ▪
Militärwaisenhauses
auf der »Solitude ernannt, an dessen Entwicklung er, Obrist geworden, weiter
als Intendant teilhatte. Er blieb auch noch 1782 im Amt, als die Karlsschule,
mittlerweile in Stuttgart, zur ▪
Hohen Karlsschule erhoben wurde und vom
Kaiser den Rang einer Universität zugesprochen bekam. (vgl.
Sting
2005, S.553.f)
Unter der Leitung Seegers sorgten in der
"Bildungskaserne" (Alt Bd. I, 2004,
S.81) mehrere Offiziere und
ihnen zugeordnete Unteroffiziere für Disziplin und Ordnung. In einer vier Mann starken Wachformation am streng gesicherten Schlosstor
sollten sie auch verhindern, dass sich einer der Eleven zeitweilig oder gar auf Dauer aus dem
Staube machte.
Auch einfaches Dienstpersonal und
Hilfslehrer wurden zur Aufsicht über die Eleven eingesetzt.
Wenn es zum
Essen in die Speisesäle ging, sorgten sie miteinander für den militärischen
Gleichschritt auf dem Weg dahin, wachten über das beim Essen verordnete
Schweigen der Eleven, beaufsichtigten sie bei den Reinigungsarbeiten im Haus
und drillten die Zöglinge bei der durch und durch militärisch geprägten
Körperertüchtigung.
Die Strafdisziplin des Herzogs
Gewöhnlich verfügte
Carl Eugen (1738-1793)
die ▪ Bestrafung von Verstößen gegen die Hausordnung durch einen der
Zöglinge selbst. Nur bei längerer Abwesenheit war es dem Intendanten
Seeger erlaubt, Strafen zu verhängen. Körperliche Strafen als
Mittel der Erziehung, außer den von ihm selbst erteilten "Ohrfeigen"
lehnte der Herzog ab (vgl. ▪
Hauber 1907/1909,
S.10-25). Ohnehin setzte er eher auf sein ausgeklügeltes
Konzept der
gegenseitigen sozialen Kontrolle.
Sonst verfuhr man
so: Der jeweilige Lehrer, Aufseher oder Offizier notierte, wenn er
einen Schüler bestraft haben wollte, dessen Vergehen auf ein Stück
Papier. Diesen Zettel musste der Missetäter sich dann als "Billet"
ans Revers heften. Wenn Carl Eugen dann bei Essen oder bei einer
anderen Gelegenheit die Reihen seiner Zöglinge abschritt, hatte der
so Gebrandmarkte seinem Herzog das Billett zu übergeben. Dieser
entschied dann, welche Strafe angemessen war. Meistens handelte es
sich dabei um Essenentzug und der Übeltäter musste dann an einem
besonderen Tisch, der wie eine Art Pranger fungierte, zusehen, wenn
die anderen aßen. War das Vergehen, das dem Zögling vorgeworfen
wurde, schwerer Natur, dann gab es auch Karzerstrafen oder im
äußersten Fall wurde der Delinquent der Schule verwiesen und musste
die Anstalt verlassen. (vgl. ▪
Hauber 1907/1909,
S.10-25, vgl.
Walter 1987,
S.291f.)
Leistungs- und Prüfungsdruck als Prinzip
Carl Eugen (1728-1793)
war ein klarer Verfechter des Leistungsprinzips. Aus diesem Grunde
heizte er mit unterschiedlichen Maßnahmen die Konkurrenz der
Zöglinge untereinander an, was sicherlich auch zu einer
Entsolidarisierung der Schüler untereinander beigetragen hat.
In der Mitte eines
jeden Monats verkündete der im Rahmen der sogenannten ▪ "Locationen"
in jeder Abteilung der Schule die Zeugnisse. Dies war ein
feierlicher Akt und sollte den Schülern Ansporn sein, vom Herzog
gesehen und aufgrund ihrer Leistungen Anerkennung zu erfahren. (vgl.
▪ Hauber 1907/1909,
S.10-25
Auf der Grundlage
der Leistung, die ein Schüler erbrachte, wurde die Sitzordnung
festgelegt und der beste Schüler einer Abteilung dufte, solange er
diese Position innehatte, ein gelbes Band auf der rechten Schulter
tragen.
Vor dem sogenannten
Stiftungstag der Karlsschule am 14. Dezember jeden Jahres fanden die
öffentlichen Prüfungen statt, die sich über vierzehn Tage
erstreckten. Von neun bis zwölf und vierzehn bis achtzehn Uhr
mussten sich die Zöglinge dabei in Anwesenheit des Herzogs und des
Hofes und zahlreicher anderer zugelassener Honoratioren von ihren
Fachlehren und eigens zur Prüfung angereisten Universitäts- und
Gymnasiallehrer aus Tübingen und Stuttgart prüfen lassen, in die der
Herzog aber auch stets selbst eingegriffen hat.
Wenn der Herzog in
der Prüfung das Wort ergriff, zielte er offenbar oft darauf ab, den
Prüfling bloßzustellen. Allerdings tat er dies oft auch ohne die
nötige Sach- und Sprachkenntnis z. B. in Latein. Mitunter stellte er
auch völlig sinnlose Rechenaufgaben. Eine besondere Vorliebe hatte
er aber für schriftliche Prüfungsaufgaben, die hinter ihrer als
Besinnung getarnten Frage als eine Art Gesinnungsschnüffelei
fungierten. ▪
Typische Fragen waren z. B. Wer ist von Euch der
Geringste? Ist die Tugend beim schönen Geschlecht eine Folge der
Jahre oder der Erziehung? Können große Seelen des weiblichen Geschlechtgs die Standhaftigkeit der männlichen erlangen?
Dazu hielt er lange
Reden, die sorgfältig ausgearbeitet waren, aber vor Pathos strotzten
und zugleich zahlreiche Verstöße gegen die deutsche Grammatik
enthielten. Zu seiner Entschuldigung: Carl Eugen sprach sein Leben
lang Französisch, und ein "schlechtes, mit Mundartbrocken
vermischtes Deutsch"
(Walter 1987,
S.293, (vgl. ▪
Hauber 1907/1909,
S.10-25). Diese standen in einem Kontrast zu seinen "Phrasen über
Tugend, Religion und fürstlich-väterliche Fürsorge in inkorrektem
Satzbau" und seiner Tendenz, sich in unendlich langen Satzperioden
zu verhaspeln oder "abrupt in völlig anderen Zusammenhängen" zu
enden. (ebd.,
vgl. ▪ Hauber 1907/1909,
S.10-25)
Höhepunkt der
jährlichen höfischen Prüfungsrituale war der ▪
Abschluss der jährlichen Prüfungen im Rahmen eines höfischen
Festakts im Lorbeersaal des »Schlosses
Solitude. Bei der ▪
Preisverleihung wegen besonderer Leistungen
erhielten die auszuzeichnenden Prüflinge Silbermedaillen vom Herzog
überreicht. Mehrfachpreisträger bekamen einen "Akademischen Orden"
dazu, der aus einem braun-emaillierten Goldkreuz im Wert von 12
Dukaten bestand und seinem Träger gestattete, den Titel "Chevalier"
zu tragen.(vgl.
ebd.) Die
adeligen Preisträger dürfen bei der Preisentgegennahme den Ring an der Hand des Herzogs küssen,
während die bürgerlichen Preisträger, viel tiefer gebeugt, beim Küssen mit
den Schuhen des Herzogs Vorlieb nehmen müssen. (vgl. ▪
Hauber 1907/1909,
S.10-25)
Ein ausgefeiltes System sozialer Kontrolle
Zu der Machtausübung von oben über die Eleven kam aber noch ein
ausgefeiltes System gegenseitiger
sozialer Kontrolle, das der Herzog seinen Eleven abverlangte.
Er
forderte einzelne Eleven auf, über sich selbst und ihre Mitschüler einen
Rapport zu verfassen. Damit wollte er in erster Linie die Überzeugungen und
den Rang des Eleven in der Elevengruppe in Erfahrung bringen, und wollte sich
darüber informieren, wer als Wortführer anzusehen war.
Zugleich freilich
wollte er mit der darin geübten Kritik und Selbstkritik wohl auch ergründen,
ob seine Eleven über Menschenkenntnis verfügten.
Ohne sich im geringsten
anfechten lassen zu müssen, verlangte ▪
Carl Eugen (1728-1793) 1774 gar von den älteren Eleven,
einen Aufsatz darüber zu verfassen, wer unter ihnen die geringste moralische
Würde besitze.
Als aufgeklärter Monarch wollte er dabei allerdings kein
vordergründiges "Anschmieren" und "Verpetzen" einzelner sehen, sondern ein
auf Psychologie gegründetes Urteil abgegeben haben, das die
Argumentationsfähigkeit des Eleven unter Beweis stellen sollte.
Aber auch das
kann letztlich nicht den Eindruck mildern, dass solche Berichte mit dem Ziel
der Entsolidarisierung "ein System der
wechselseitigen Gemütsspionage, Überwachung, Denunziation, Kontrolle und
Bespitzelung" installierten, "in dem die Eleven nicht nur Opfer, sondern auch
Täter sein konnten." (Alt Bd. I, 2004,
S.95) Kein Wunder, dass "Misstrauen, Furcht, Verstellung und gegenseitiges
Konkurrenzdenken" (ebd.)
viele Beziehungen der Eleven untereinander kennzeichneten.
Immer war aber auch der herzogliche Wille im Unterricht präsent. Denn wie
kaum etwas anderes verfolgte Carl Eugen seine pädagogische Experimentieranstalt
mit einer außergewöhnlichen Hingabe, die für Schüler und Lehrer stets zwei
Seiten hatte: "allerhöchste Gunst, Anfeuerung, unermüdliche Förderung, Schutz
gegen Missgunst von kirchlicher und ständischer Seite - aber auch ständige
Kontrolle, tägliches Hineinreden und Reglementieren, allerdings nur selten
Auswirkungen allerhöchster übler Laune." (Lahnstein
1981, S.43)
▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht ▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.09.2023
|