In ▪ Württemberg kommt es
aufgrund der großen territorialen Zersplitterung im deutschen
Südwesten und der landständischen Verfassung, die im ▪
Tübinger Vertag von 1514 niederlegt ist, nicht zur Ausbildung
einer absolutistischen Fürstenmacht.
Der dualistische
Ständestaat in Württemberg ist lange bevor ▪
Carl Eugen (1728-93)
im Jahr 1744 als ▪
16-Jähriger die Regierungsverantwortung übernimmt, mit seinen
wesentlichen politischen ▪
Strukturen des Dualismus von Herrschaft und Landschaft
entstanden. Schon zweihundert Jahre vor seiner Zeit
erlangten die Landstände in Württemberg ein Mitspracherecht, das sonst im Reich seinesgleichen suchen
konnte. Ein ▪
moderner Verfassungsstaat war Württemberg damit allerdings
nicht.
In der
wechselvollen Geschichte Württembergs führte der Antagonismus von
Fürst und Land immer wieder zu Auseinandersetzungen, bei der mal die
eine, mal die andere Seite die Oberhand gewinnen konnte. Immer aber
blieb die Macht der Fürsten eingeschränkt, dem die Stände erst nach
nach der Anerkennung des Tübinger Vertrages und der ▪
Religionsreversalien, mit denen er die Rechte der
württembergischen protestantischen Landeskirche anerkennen musste,
huldigten.
Auch der Vater Carl
Eugens, ▪
Herzog Carl Alexander (1664-1737), der "von einem ausgesprochen
absolutistischen Selbstverständnis und Machtanspruch" erfüllt war (Sting 2005,
S.155), muss erkennen, dass sich sein Traum von einer
absolutistischen Herrschaft über das Land nicht erfüllen lässt.
Aber
auch seine Vorgänger bekamen es, wenn sie in der Auseinandersetzung
mit den Ständen zu weit gegangen waren, auch noch von außen Druck.
So konnte das Alte Reich, das nach den Wirren des ▪
Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) immer noch eine
"fortdauernde Vitalität" (Vann
1986, S. 146) besaß, zumindest in die inneren
Angelegenheiten der kleinen und mittleren Territorien und
Herrschaften hineinregieren, sich auch in solchen Fällen auf die
Seite der Stände stellen und damit helfen, die ▪
Machtansprüche der württembergischen Fürsten zurückzudrängen. In
Württemberg gelang es also nicht, eine absolutistische
Fürstenherrschaft zu etablieren, die sich von den Ständen weitgehend
emanzipieren oder sie in eine bedeutungslose Nebenrolle abdrängen
konnte. (vgl.
Duchardt
1998, S.36)
Die
▪
Schlüsselmonopole staatlicher Herrschaft, die die Großterritorien Deutschlands wie z. B. Brandenburg-Preußen,
Österreich, Sachsen und Hannover mit ihrer den Prozess der frühneuzeitlichen
Staatsbildung dominierenden monarchisch-fürstlichen Spitze nach und
nach unter ihre Kontrolle brachten, gingen in Württemberg nicht
allein in die Hände des Fürsten über, so dass es lange zu den "»Schwellenstaaten«" (Schilling
1994a, S.135) zählte, die auf dem Weg zu moderner Staatlichkeit stecken
blieben.
Neben dem Budgetrecht der Stände, dem nur von deren
Wohlwollen abhängigen Aufbau eines vergleichweise kleinen stehenden
Heeres und der landständisch organisierten Verwaltung waren es vor
allem auch die fehlende Kirchenhoheit und die eingeschränkte äußere
Souveränität, die der Entwicklung eines absolutistischen Regiments in
Württemberg entgegenstanden.
Der "Kommunalismus als Staatsprinzip"
(Wehling
1991, S.17), den die Stände vertraten, vertrug sich jedenfalls
mit dem absolutistischen Machtstreben der württembergischen Fürsten
nicht und führte in Württemberg dazu, dass die württembergischen
Fürsten sich mit einer im Vergleich zu den großen absolutistische
regierten Territorialstaaten (z. B. Frankreich, Preußen, Österreich)
"halbmodernen Landeshoheit" abfinden mussten, die ▪
Reichsgerichten und ▪
Reichskreisen noch die Möglichkeit gab, von außen regulierend in die inneren Angelegenheiten
einzugreifen. (vgl.
Schilling 1994a, S.135)
Und im Inneren des
Landes ▪
Württemberg wurde von
der ▪ "Ehrbarkeit“ und
der protestantischen Kirche jeder Zuwachs an fürstlicher Macht mit Argwohn belauert, und, wenn irgend
möglich auch, sabotiert.
Insbesondere wenn es darum ging, die Unsummen verschlingende absolutistische
Repräsentationslust einzugrenzen, zeigten sich die ▪"Ehrbarkeit“ im Bunde mit
pietistischen Strömungen ungern zu Kompromissen bereit.
Was später
Herzog ▪ Carl Eugen (1728-1793) zu schaffen
machte, wurde bereits
»Herzog Eberhard III.(1614-1674)
vorgeworfen: Genusssucht und hemmungslose Prachtentfaltung. Als dieser 1638 aus
dem Straßburger Exil nach Stuttgart zurückkehrte, etablierte er
nämlich eine
Hofkultur, die sich am französischen Sonnenkönig »Ludwig
XIV. (1638-1715) und seiner Hofhaltung im »Schloss
von Versailles orientiert:
"Sein Hofzeremoniell, die
märchenhaften Feste, Schau-Essen, Trauer- und Hochzeitsfeierlichkeiten waren
in Europa bekannt und hoben sein Prestige. Von Gold und Silber strotzende
Kutschen ließ er sich für teures Geld aus Paris kommen, Die Remisen füllten
sich mit phantastisch gestalteten Kutschen und Schlitten. Sie waren verziert
mit ausgespannten Segeln, Meerhunden und Meerfräulein, mit Mohren; Blumen,
Walfischen, Hirschen und anderem Galllionsgetier. Ebenso wie die
berüchtigten, mit ungeheurem Personalaufwand betriebenen, rücksichtslos über
die Fluren brausenden ▪
Parforcejagden und die höfischen
▪ Karnevals- und
Maskenfeste nach ▪ venezianischer Manier, wurden auch die Ausfahrten der
Hofgesellschaft als mythologische Galavorstellungen überirdischer Wesen für
das staunende und murrende Volk inszeniert.“ (Rainer
1979, S.128, Verlinkung d. Verf.)
Auch in der Regierungszeit
▪ Carl Eugens (1728-1793) ab 1744 gab es bis zum Jahre 1770
einen
▪ Dauerkonflikt
mit den Ständen, bei dem es im Streit um Geld stets auch um die Macht im
Herzogtum ging.
Allerdings musste sich auch Herzog ▪ Carl Eugen (1728-1793) von Württemberg vom »Reichshofrat
und dem Kaiser 1770
sagen lassen, dass er seine Kompetenzen bei seinen ständigen Steuer- und
Abgabeerhöhungen willkürlich überschritten hatte. Am Wiener Reichshofrat kam
die Steuerpressung, mit der Carl Eugen seine Verschwendungssucht
finanzierte, unter Leitung des kaiserlichen Reichsvizekanzler Fürst »Franz
de Paula Gundaker von Colloredo-Mannsfeld /1731-1807) zur Verhandlung, an deren Ende der
widerstrebende Herzog gezwungen war, die alte ▪
Landesverfassung von 1514
(Tübinger Vertrag) zu bekräftigen, unrechtmäßige Steuererhöhungen rückgängig
zu machen und eine deutliche Einschränkung seiner finanzpolitischen
Spielräume hinzunehmen.
Allerdings
verlor auch der württembergische Landtag wegen seiner Tendenz zu eigenem
Absolutismus, Geheimniskrämerei und Vetternwirtschaft sehr schnell die in
den Auseinandersetzungen mit dem Herzog gewonnene Popularität (vgl.
Fenske 1981, S.17ff.)
Aber auch, wo die Verschwendungssucht des Landesherrn nicht so ausgeprägt
ist wie bei Carl Eugen von Württemberg waren die Einzelstaaten des Reiches
Mitte des 18. Jahrhunderts hoffnungslos verschuldet. Insofern bildete das
Herzogtum Württemberg also keine Ausnahme.
Hofhaltung, Baupolitik,
der wachsende Beamtenapparat und die stehenden Heere verschlangen nicht
selten ein Vielfaches von dem, was den Landesherrn nach Recht und Herkommen
zusand.
Die Prachtentfaltung der vielfach absolutistisch regierenden
Fürsten war allerdings nicht allein ihrer persönlichen Geltungssucht
geschuldet und entspracj auch nicht einfach nur einem herrschenden
Zeitgeist.
Die Repräsentation der fürstlichen Souveränität und Macht im Hof und durch den
Hof und die "Quantität und Qualität des höfischen Aufwandes wurden für
den barock-absolutistischen Fürsten zu einem politischen Mittel, um im innerreichischen und internationalen Konkurrenzkampf der Dynastien zu
bestehen, einem Wettbewerb, dessen Schwerpunkt sich immer mehr auf die
Architektur verlagerte. Die Bautätigkeit des Herrschers, die im
Residenzschloss gipfelte und in der Anlage von Opernhäusern, Orangerien,
Lustschlössern, ja ganzer geometrisch angelegter Residenzstädte ihre
Ergänzung fand, [...] kann gerade als Gradmesser seiner politischen Macht
eingestuft werden."
Duchardt (1998, S. 532)
Darüber hinaus diente der Fürstenhof im Barock, wenngleich dies für die
württembergischen Verhältnisse kaum zutrifft, auch dazu, den Adel in
seine unmittelbare Umgebung zu ziehen und von da aus besser zu
kontrollieren.
Die verschiedenen Formen absolutistischer Prachtenfaltung waren verschwenderisch, daran darf auch diese Betrachtung nichts ändern, sie
erschienen aber den Fürsten und vielen Zeitgenossen als zumindest legitim.
Ihre Funktion zur Repräsentation
von gottgegebener Macht wurde schließlich auch in der politischen Theorie des 17. und
18. Jahrhunderts betont. Sie legitimierte den für unverzichtbar
erklärten höfischen Aufwand rational, indem sie erklärte, dass die höfische
Pracht dem Volk jene starken sinnlichen Reize liefere, die es zum
Verständnis der Rechtmäßigkeit der Herrschaft benötige.
Ein besonders
anschauliches Beispiel für solche rationalen Legitimationsstrategien
höfischer Prachtentfaltung gibt der Rechtshistoriker Johann Christoph Lüding
1718 in seinem weit verbreiteten "Musterbuch" zeremonieller Regeln am Hof:
"Die meisten Menschen, vornehmlich aber der Pöbel, sind von solcher
Beschaffenheit, dass bei ihnen die sinnliche Empfind- und Einbildung mehr
als Witz und Verstand vermögen, und sie daher durch solche Dinge, welche die
Sinne kitzeln und die Augen fallen, mehr als durch die bündig- und
deutlichsten Motiven commoviret werden. Wenn man dem gemeinen Volk hundert
und aberhundert mal mit auserlesensten Worten und Gründen vorstellte, dass
es seinem Regenten deswegen gehorchen sollte, weil es dem göttlichen Befehl
und der gesunden Vernunft gemäß wäre, dieser aber sich in Kleidung und
sonsten in allem schlecht, als ein gemeiner Führer aufführte, so würde man
wenig ausrichten. Allein man stelle demselben einen Fürsten vor, der
prächtig gekleidet, mit vielen Hofleuten umgeben, von verschiedenen
auswärtigen Prinzen und Gesandtschaften verehrtet, auch von einer
ansehnlichen Guarde bedecket ist, so wird es anfangen, sich über dessen
Hoheit zu verwundern, diese Verwunderung aber bringet Hochachtung und
Ehrfurcht zuwege, von welcher Untertänigkeit und Gehorsam herkommen." (zit.
n.
Oßwald-Bargende 2004, S.98f.)
Wo immer es geht, so will es das zeitgenössische (Selbst-)Verständnis
absolutistischer Fürsten, musste die fürstliche Machtvollkommenheit in Szene
gesetzt werden, damit die Öffentlichkeit in Erstaunen über die
Exklusivität des Hofes versetzt werden konnte. Diesen Zielen waren auch
die zahlreichen Regeln untergeordnet, die einen zeremoniellen Hof mit seinen
oft bis ins Detail festgelegten immer wiederkehrenden Ritualen ausmachten wie z. B. das
herzogliche »Lever, das morgendliche Aufstehen und Anziehen des Herzogs, oder die penibel geplanten Tischordnungen bei Tischgesellschaften.
Aber auch die prachtvoll üppigen Hoffeste, ja die ganze Pracht dieser
Hofkultur, hatten hierin ihre rationalen Wurzeln.
Allerdings kann auch dies nicht darüber
hinwegtäuschen, dass es sich angesichts der sonst herrschenden
misslichen Lebensverhältnisse der meisten Untertanen um pure Verschwendung
handelt.
Die
Hof haltenden Fürsten versuchten ihrem finanzpolitischen Fiasko durch alle
erdenklichen Formen von Steuern und Abgaben Herr zu werden. Da waren Abgaben
zu zahlen, wenn Waren verkauft wurden, dort wurden Nutztiere oder der
Verbrauch von Grundnahrungsmittel besteuert, und wenn Waren über die
Landesgrenze gingen, waren Zölle fällig, die sich bei der Kleinstaaterei in
Deutschland für einen Händler schnell zu großen Beträgen summieren konnten.
33 Zollstationen mussen z. B. passiert werden, wenn Waren auf einer Strecke
von ca. 220 Kilometern zwischen Bamberg und Mainz auf dem Main verschickt
wurden, an 32 Landesgrenzen galt es Gebühren zu entrichten, wenn Waren
rheinabwärts von Straßburg an die holländische Grenze gingen und elbaufwärts
von Hamburg nach Magdeburg waren es noch 14 solcher Grenzstationen, die die
Kassen der Landesherren füllen sollten (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 11)
Herzog Carl Eugen betrieb dazu noch eine profitable Ämterpatronage und
Pfründenwirtschaft, die in einem Umfeld das ganz entscheidend vom
»Pietismus geprägt ist, ebenso
wie die herzogliche Verschwendung unter besonderer Beobachtung stand.
Dabei
hat die pietistische Kritik an solchen Auswüchsen schon Tradition.
»Herzog Eberhard
Ludwig (1676 - 1733), hat das schon 1717 erfahren müssen.
Sein eigener Hofprediger Samuel Urlsberger hält ihm da eine regelrechte
"Gardinenpredigt", schimpft "von der Kanzel der Schlosskirche herab gegen
die »Sittenverderbtheit« des Hofes" und deutet "Katastrophen, Missernten und
Kriege [...] als Gottess trafen für die Sündhaftigkeit des »höfischen
Babels«". (Oßwald-Bargende
2004, S.102)
Wenn
jedenfalls Carl Eugen Geld brauchte, das nicht mehr durch
Steuerpressungen oder durch Kredite seines bevorzugten Bankiers Aron
Seligmann hereingeholt werden konnte, entwickelte er mit seinen
Beamten stets eine außergewöhnliche Kreativität, um alles Mögliche zu Geld
zu machen: Ämter jeder Art wurden verkauft, Steuern jahrelang einfach
doppelt eingetrieben, Abgaben auf Salz und Zucker in schwindelnde Höhen
getrieben; von Pferdebesitzern wuden Akzisen eingezogen, es sei denn das
Tier wurde dem Herzog zu einem Sonderpreis überlassen; wer wegen seiner
überaus hoch besteuerten Getreidevorräte in Rückstand geriet, musste damit
rechnen, binnen kurzer Zeit geplündert zu werden. (vgl.
ebd., S.37)
Berüchtigt und im
Land verhasst waren auch die von
Oberst Rieger in herzöglichem Auftrag
durchgeführten ▪ Zwangsaushebungen von Soldaten, die, gegen ihren Willen, in das
stehende Heer des Herzogs gepresst, zur Konsolidierung der Staatsfinanzen
für ein Kopfgeld als Söldnerheeren an Frankreich verkauft wurden. Das
alles geschah gegen den erklärten Widerstand der Landstände, der sog.
▪ "Ehrbarkeit", die es aber letztlich hinnehmen mussten, wenn der Herzog eine
Staatslotterie ausschreiben ließ bei der jeder Bürger zum Kauf eines Loses
verpflichtet wurde oder einfach neue Monopole festlegte. (vgl.
Sting 2005, S.219)