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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Die Anstalt, die im Allgemeinen einfach
▪
Karlsschule genannt wird, entsteht im Jahr 1770. Als ihr
Stiftungstag, der danach jährlich begangen wird, gilt der 14. Dezember 1770.
Nach dem Tode von
Herzog
▪
Carl Eugen
(1728-1793) (Oktober 1793) endet ihre Geschichte nach mehr
als 23 Jahren, als dessen Nachfolger, Herzog ▪ Ludwig Eugen
(1731-1795), die
Hohe Karlsschule
per Dekret am 4. Januar 1794 aufhebt. Am 18. April 1794 werden ihre Tore
nach einer großen Trauerfeier für Carl Eugen für immer geschlossen.
Die Geschichte der Karlsschule lässt sich in drei
Phasen einteilen, während denen sich die Schule in der ersten auf
der Solitude, während der beiden folgenden in Stuttgart, in der 1740 bis
1745 erbauten Kaserne hinter dem neuen Residenzschloss, befindet:
-
Die
erste Phase in den Nebengebäuden auf dem
Gelände des Schlosses Solitude, zwischen Leonberg und Stuttgart gelegen,
reicht von 1770 bis 1775.
-
Die
zweite Phase,
die "Blütezeit" der Karlsschule (Hauber 1907/1909, S. 6) währt
von 1776 bis 1782.
-
Die
dritte Phase, die sich an die Zeit nach der
Erhebung der Karlsschule in eine wirklich Hohe Schule mit universitärem Rang
durch das kaiserliche Erhöhungsdiplom vom 22.12.1781 anschließt, dauert dann
bis zum Tode Carl Eugens im Herbst 1793. (vgl.
ebd. S.6f.)
Kurzer Abriss der Geschichte
Am
5. Februar 1770 lässt
▪
Carl Eugen
(1728-1793) auf dem Gelände der
»Solitude zwischen
Stuttgart
und Leonberg ein
Waisenhaus
für elternlose Kinder von Militärangehörigen eröffnen, in das
zunächst 14 Militärwaisen im Alter zwischen fünf und zehn Jahren einziehen.
Für seine Gründung hat Carl Eugen im wesentlichen zwei Motive: Zum einen
will er verarmte und verwaiste Soldatenkinder versorgen, zum anderen zwingt
ihn seine chronische Finanznot und der ▪
Erbvergleich von
1770 in der
▪
Auseinandersetzung mit der Landschaft im gleichen Jahr, zu Sparmaßnahmen.
Die Militärische
Pflanzschule
Vor allem bei den ausländischen Fachkräften, die ihn stets besonders teuer
zu stehen gekommen waren, will er fortan sparen. So passt es also auch in
das Konzept des Herzogs, dass schon in den nächsten beiden Monaten weitere
16 Zöglinge dazu kommen, die für Kunst, Musik und Ballett bestimmt werden.
Im Laufe des gleichen Jahres werden noch weitere 65 Zöglinge, überwiegend
Soldatenkinder, von Hauptmann
Christoph von Seeger (1740-1808) auf Befehl des Herzogs oder auch auf Wunsch ihrer
Eltern in die seit dem 11. Februar 1771 "Militärische Pflanzschule"
genannte Einrichtung aufgeno mmen. (vgl.
Hauber 1907/1909, S. 3f.)
Wer in die Anstalt aufgenommen werden soll bzw. eintreten will, muss
bestimmte Aufnahmekriterien
erfüllen:
Kandidaten müssen
-
einer der 'drei christlichen Konfessionen'
(evangelische, reformierte, katholische, später auch noch die griechische)
angehören,
-
gesund und von äußerlichen Gebrechen frei sein und
-
mindestens 7, in der Regel allerdings mindestens 8-9 Jahre alt sein.
Hinter
wem sich als Zögling die Tore der Anstalt geschlossen haben, der muss, wenn
er nicht der Schule verwiesen wird, den ganzen für ihn vorgesehenen
Bildungsgang durchlaufen. Dabei steht es im Allgemeinen der Anstaltsleitung frei, festzusetzen,
wann der geeignete Zeitpunkt für die Entlassung erreicht ist. Nur jene
Zöglinge, deren Eltern für die Ausbildung in der Karlsschule bezahlen, haben
die Entscheidung über ihren weiteren Fortgang selbst in der Hand.
Auf der Solitude werden für die Anstalt einfache Bauten nordöstlich vom
Schlossbau erweitert und eingerichtet. Zwei Jahre später platzt das Ganze
jedoch angesichts der großen Zunahme der Zöglinge jedoch schon so aus den
Nähten, dass ab dem April 1772 ein groß angelegtes "Erziehungshaus" für 300
Zöglinge nebst Lehrern und Aufsehern gebaut wird. (vgl.
ebd. S.5)
In den ersten Jahren ist das, was man den Kindern in der dem Waisenhaus
angegliederten Schule beibringt, von ihrer späteren beruflichen Verwendung
in Diensten des Herzogs her bestimmt. Unteroffiziere unterrichten die
Zöglinge im Schreiben, Rechnen und in Religion.
Zunächst plant der Herzog, die Schüler
(Eleven) zu Gärtnern ausbilden zu lassen, die später einmal in den
weitläufigen Gärten um die Solitude und das Ludwigsburger Schloss herum
arbeiten sollen.
Als die Schülerzahl aber schon im ersten Jahr so zunimmt, kann der Herzog auch Künstlerklassen einrichten lassen, in denen
Maler, Stuckateure und Bildhauer ausgebildet werden, die den herzoglichen
Baumeistern zugeführt werden sollen.
Zu Beginn des Jahres 1771 hat die Schule, deren "fortschrittliches
Bildungskonzept“ (Sting
2005, S. 237f.) eine bemerkenswerte Anziehungskraft entwickelt,
schon 100 Schüler.
Anfangs war die Karlsschule also durchaus noch für Zöglinge vorgesehen, die
niedere Gewerbe oder Handwerksberufe erlernen sollten. Doch diese werden im
Zuge der weiteren Entwicklung relativ schnell an Waisenhäuser und in
Handwerkslehren vermittelt, um Platz für den Nachwuchs von Adels-,
Offiziers- und Beamtenfamilien aus Württemberg und Mömpelgard zu schaffen.
Schon am ersten Stiftungstag zählt die Anstalt 300 Zöglinge, darunter 50
"Kavaliers- und Offizierssöhne", deren Zahl aber in den Folgejahren rasch
steigt, so dass sie eine eigene Abteilung in der Schule bildeten. Dort
erhalten sie nach einem eigenen Reglement Unterricht in Latein, ▪
Französisch,
Zeichnen, ▪
Arithmetik und Geometrie,
▪ Geschichte,
▪ Geographie, Sittenlehre,
▪
Tanzen, Exerzieren,
▪
Reiten,
▪
Fechten und Musik. Später kommen noch
▪ Philosophie
und Militärwissenschaft dazu. Am Unterricht der "Kavaliers- und
Offizierssöhne" dürfen aber auch ein Teil der anderen Zöglinge teilnehmen.
(vgl.
Hauber 1907/1909, S. 4)
So wie sich die soziale Zusammensetzung der Zöglinge ändert, rückt also
auch das Bildungskonzept von seiner klaren
beruflichen Orientierung ab und das Curriculum der Karlsschule nähert sich dem der
»Lateinschulen der Zeit an. Zwei Professoren unterrichten neben Kunst,
▪ Religion,
▪ Geschichte,
▪ Erdbeschreibung, Mythologie,
▪ Latein und
▪ höhere
Arithmetik, dazu noch, was sonst nicht vorkommt, sogar ▪
Französisch. Dieser
Fächerkanon wird noch ergänzt durch ▪
Leibesübungen, d.h. Unterricht im
▪
Tanzen,
▪
Reiten und
▪
Fechten.
So ist es verständlich, dass dieses
Bildungsangebot auch für adelige und nichtadelige
Offizierssöhne interessant wird, die keine Waisenkinder sind. Einige
Offiziere, von denen die Bildungsferne ihrer Offizierskameraden auch
öffentlich beklagt wird, sind nämlich solcher Bildung durchaus zugetan
und engagieren sich in der ▪
Ludwigsburger Lesegesellschaft.
Will man den
Charakter der Schule in gängigen Begriffen beschreiben, so lässt sich in den
Kategorien modernen Schulstufenverständnisses sagen, dass die
Karlsschule, so etwas wie die
Unter- und Mittelstufe einer höheren Schule (vgl.
Buchwald 1959, S.120), in den
Kategorien zeitgenössischer Schulkultur eine "allgemeine Lateinschule mit
angegliedertem Militärwaisenhaus“ (Alt Bd. I, 2004,
S.82) darstellt.
Zugleich ähnelt sie mit ihren militärischen
Ritualen und Umgangsformen der »Ritterakademie alten Typs, der exklusiv dem
Adel vorbehaltenen Eliteuniversität (ebd.)
Als 1778, in der "Blütezeit" der Karlsschule alle Disziplinen etabliert
sind, ist "die Schule - nach dem damaligen Begriff und Stand der
betreffenden Disziplinen - Gymnasium, Ritterakademie, Universität (ohne
Theologie, aber erweitert durch Kameral- und Forstwissenschaft),
Kriegsakademie, Kunst-, Musik- und Theaterakademie und Handelsschule" in
einem. (Hauber 1907/1909, S.6)
Die militärische Pflanzschule auf der Solitude ist natürlich keine Schule
für das Volk, das weiterhin auf die Elementarschulen und "teutschen Schulen“
geht.
Eine Schule im Dienst der absolutistischen Herrschafts-,
Verwaltungs- und Repräsentationsbedürfnisse
Anders als die »Lateinschulen, die
hauptsächlich der Ausbildung eines qualifizierten Theologen- und
Pfarrer-Nachwuchs dienen, ist die militärische Pflanzschule ganz den
▪
absolutistischen Herrschafts-,
Verwaltungs- und Repräsentationsbedürfnissen des
Herzogs untergeordnet (vgl.
Reed 1998, S.7). Dafür benötigt er auf allen Gebieten ausgebildete
Fachleute, im Militärwesen ebenso wie in der Staatsverwaltung.
Dass das
Herzogtum in dieser Zeit über keine Anstalt verfügt, in der wie früher in
dem 1588 in »Tübingen gegründeten
»Collegium illustre der Adel für Hof-,
Staats- und Kriegsdienst ausgebildet wird, erweist sich mehr und mehr als
ein großes Hindernis auf dem Weg zu einer modernisierten Verwaltung und
Staatsführung.
Wo der Herzog den Versuch unternimmt, solche
Institutionen wieder zu beleben, scheitert er am Widerstand der Landschaft
(▪ Ehrbarkeit),
die solche Pläne des Herzogs argwöhnisch durchkreuzt.
Aber ohne
militärische Fachleute, das ist
▪
Carl Eugen
(1728-1793) und seinen Beratern klar, ist kein Krieg mehr zu gewinnen, und so reicht auch
adelige Herkunft häufig nicht mehr, zumindest nicht mehr allein aus, um in
höhere Offiziersränge zu gelangen oder eine höhere Beamtenkarriere zu
machen.
Und schließlich kann ein
trotz aller verfassungsmäßigen Einschränkungen nach absolutistischer Macht strebender Fürst
wie Carl Eugen,
wenn er seine Interessen durchsetzen will, nicht gut auf Institutionen und
Berufsgruppen zurückgreifen, die sich, wie im Falle Württembergs geschehen,
im Verfassungskampf mit den Landständen
(▪ Ehrbarkeit)
nicht nur wankelmütig zeigen, sondern häufig auch auf der gegnerischen Seite
Position beziehen.
Kein Wunder also, dass der Herzog die erheblichen finanziellen Lasten der
Anstalt bereitwillig trägt und auch den Zugang zu seiner Schule nicht nach
Herkommen, sondern ganz nach Leistung regelt, "so dass auch begabte Kinder
unvermögender Eltern“ zum Zuge kommen. (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 83) Mit seiner Schule, so sieht es wohl der
Herzog, kann er nicht nur die fähigen Militärs, sondern auch die
erforderliche Beamtenelite rekrutieren, die seinem Herrschaftsinteresse
entsprechen. Dass genau diese Absicht, in einem Land, in dem die Schule in
Stadt und Land praktisch noch ein "Monopol der Landeskirche" ist (Vann
1986, S.218), bei der Kirchenverwaltung, namentlich dem
»Konsistorium, misstrauisch betrachtet und solche Entwicklungen nach
Kräften behindert werden, versteht sich daher fast von selbst.
Die Hohe Karlsschule mit universitärem Rang (1782-1793)
Die dritte Phase der Karlsschule zwischen 1782 und 1793 wird durch die
Erhöhung der Anstalt in eine wirklich Hohe Schule mit universitärem Rang
durch das kaiserliche Erhöhungsdekret »Kaiser
Joseph II. (1741-1790) vom 22.12.1781 eingeleitet.
Der habsburgische
Kaiser hatte schon 1777 auf der Durchreise die Karlsschule besucht und sich
auch später weiter über sie unterrichten lassen. Er erfüllt damit einen von
Herzog
▪
Carl Eugen
(1728-1793) "lang gehegten Wunsch, der ihm in der letzten Zeit durch
hohe Damen, Verwandte des Herzogs, übermittelt worden war. Am 11. Februar
1782, dem Geburtstag des Herzogs, wurde die Erhebung durch ein großes Fest,
verbunden mit der erste Doktorpromotion, gefeiert, das als der Höhepunkt in
der geschichtliche Entwicklung der Karlsschule anzusehen ist." (Hauber 1907/1909, S.7)
Die Schule trägt seitdem die Namen "Herzogliche Karls-Hohe
Schule" oder "Hohe Karlsschule" oder
auch "Academia Carolina" und als ihr Stiftungstag galt fortan der Tag des
Erhöhungsdiploms, der 22. Dezember.
"Umfang und Art des Unterrichts wurde
dadurch nicht verändert, auch die disziplinarischen Einrichtungen der Schule
dadurch an sich nicht berührt; aber die Gliederung der Anstalt und ihre
Verwaltung wurde nun dem an Universitäten Herkömmlichen angepasst. Die
verschiedenen Ausbildungszweige wurden jetzt als 'Fakultäten', welchen Namen
sie schon bisher gelegentlich geführt, je mit ordentlichen und
außerordentlichen Professoren organisiert, und zwar in der Reihenfolge:
juridische, medizinische, militärische, ökonomische, philosophische Fakultät
(welch letztere die allgemein bildenden Fächer umfasste und welcher der
höhere Schulunterricht unterer und mittlerer Stufe nebst Lehrern und
Schülern als 'philologische Abteilungen' angegliedert wurde), und 'Fakultät
(auch Kollegium) der freien Künste'. Der Herzog übernahm die Würde des
Rector magnificentissimus. [...] Noch wichtiger aber war, dass fortan neben
den eigentlichen Akademisten, die in der Anstalt wohnten und verpflegt und
beaufsichtigt wurden, auch 'Stadtstudierende'
oder 'Oppidani', die nur zum Unterricht in die Anstalt kamen, in wachsender
Zahl, unter entsprechender Abnahme der Zahl der Anstaltszöglinge schließlich
bis zur Hälfte, zugelassen wurden." (ebd.,
S.7)
▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht ▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.09.2023
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