▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
▪
Fürst und Land: Dualistischer
Ständestaat in Württemberg- Verfassung in Württemberg
▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Die ersten sieben
Jahren der Regierungszeit von ▪ Carl
Eugen (1728-1793) vergingen im Großen und Ganzen ohne allzu
große Konflikte zwischen ihm und der Landschaft. Das höfische Leben
in der Stuttgarter Residenz ging mit den üblichen Hoffesten seinen
gewöhnlichen Gang und auch die Vergnügungen, die der junge Herzog
sonst suchte, sprengten offenbar noch nicht den Rahmen, auch wenn er
mit dem Aus- und Weiterbau von Schlössern, der Vergrößerung des
Militärs und seine für die Truppenparaden gedachten Verschönerung
durch neue Uniformen und vor allem mit dem Bau einer Oper
alles dafür tat, die Basis seiner Repräsentation herzoglicher Macht
zusehends zusehends zu erweitern.
Doch schon in
dieser Zeit wurde sichtbar, dass die Ausgaben und Einnahmen des
jungen Herzogs alsbald weit auseinanderklaffen würden, zumal die
Ansprüche die der junge Herzog an seine Hofhaltung hatte ständig
größer wurden.
Carl Eugens Opernhaus in Stuttgart und seine Vorliebe für das
Militär
Das Opernhaus in
Stuttgart, das nach zunächst nach dessen Umbau im großen Saal des
später abgebrochenen Lusthauses untergebracht wurde, blieb trotz
seiner, was Theatermaschinerie und Kostüme anbelangte, erstklassigen
Ausstattung zunächst weit hinter den Erwartungen zurück. So
engagierte man 1750 die international gerühmte
Sopranistin »Marianne Pirker
(1717-1782) und ihren Mann einen europaweit bekannten
Geigenvirtuosen nach Stuttgart und den mit ihnen befreundeten
italienischen Kastraten Giuseppe Jozzi (1710-1784). Zwei Jahre
später ließ Carl Eugen Marianne Pirker und ihren Mann widerrechtlich
acht Jahre lang auf de Festung Hohenasperg in Einzelhaft einkerkern,
weil die Opersängerin angeblich die Herzogin über die außerehelichen
Eskapaden Carl Eugens unterrichtet hatte. Trotz der Verpflichtung
hoch angesehenerer Solisten erlangten die Stuttgarter
Opernaufführungen aber nicht die erwünschte Strahlkraft.
Der ersten Oper "Artarsese" von Pietro Metastasio
, die zu Ehren des Geburtstags der jungen Herzogin im August 1750
aufgeführt wurde, folgte zum Geburtstag Carl Eugens am 11. Februar
schon die nächste und drei Monate später schon die dritte. Künftig
sollten im Karneval an zwei Tagen regelmäßig Opern mit
anschließendem Feuerwerk aufgeführt werden. Dabei galt das Prinzip,
dass jede nachfolgende die vorangehende Oper zu übertreffen hatte.
(vgl. Walter 1987,
S.133ff.)
Die ▪
Opernaufführungen kosteten Unsummen von Geld und die wachsenden
Ansprüche an international bekannte Sängerinnen und Sänger und das
ganze Ensemble und Personal der Oper (Opristen) stiegen ständig an.
Was ein solcher Solist oder eine solche Solisten für ihre Tätigkeit
erhielten, war oft ein Vielfaches von dem, was Regierungsbeamte
bekamen, die oft mit ihren Gehältern allein ihre Familien nicht
ernähren konnten. Der italienische Opernkomponist ▪
Niccolò
Jomelli (1714-1774) z. B. erhielt am Ende ein Jahresgehalt von 6.000
Gulden, ein Mehrfaches von dem, was ein Minister erhielt. (vgl.
ebd., S.116)
Und einzelne ausländische und europaweit bekannte Künstler wie der
Tänzer »Gaetano Vestris
(1729-1808) durfte für ein Dreimonatsengagement
schon mal 12.000 Gulden Honorar einstreichen (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 35)
Honorare, die
Kosten für Dekorationen, Kostüme, Bühnenbild und Anreise und
Unerbringung der zahlreichen ausländischen Künstlerinnen und
Künstler konnte der Herzog schon bald nicht mehr aus seinen
Einnahmen und dem dafür eigentlich widerrechtlich herangezogenen
Kirchengut bezahlen. Daher zweigte er Geld, das ihm die Landschaft
(Stände) für andere Zwecke wie z. B. Kasernenbauten, Schlossbauten
und ähnlichem bewilligt hatte, einfach ab und setzte darauf, dass
ihm die Stände schon mehr Geld zur Verfügung stellen würden.
In Finanzprobleme
kam der junge Herzog aber auch wegen seiner Vorliebe für sein
Militär, das bei seinem Regierungsantritt ungefähr 2.400 Soldaten in
Württemberg, etwa 1.000 Mann sogenannter Kreistruppen und 1.400 Mann
Haustruppen umfasste. (vgl.
Walter 1987,
S.116). Die Vergrößerung der Truppenstärke, die Einführung neuer
Uniformen sowie die als Hoffest inszenierten ▪
Lustlager der Truppe konnte aus dem von der Landschaft
bewilligten und auf diese Weise bald erschöpften Militärbudget in
Höhe von 460.000 Gulden pro Jahr nicht mehr bezahlt werden.
Carl Eugen erschließt sich eigene Geldquellen: Privatkredite und
Subsidienheere
Da die Stände bzw.
die ▪ Ehrbarkeit den
wachsenden Finanzbedarf des Herzogs aber als Verschwendung ansahen,
waren sie nicht gewillt, die vom Herzog geforderten Geldsummen
aufzubringen. Daher setzte Carl Eugen zusehends auf Konfrontation. Dabei
ging er zu persönlichen Kreditaufnahmen über und fing an, mit dem
Militär Geld zu verdienen, das direkt und ohne Umwege über die
Landschaft in seine Kassen floss.
Von dem
französischen Philosophen und gut dotierten Kammerherrn am
preußischen Hof
»Voltaire (1694-1778), der gerade wegen dubioser Finanzgeschäfte von
»Friedrich II.
(1712-1786) aus Preußen ausgewiesen worden war, erhielt er einen
hohen Kredit von 260.000 Gulden, indem er diesem linksrheinische
Besitzungen zur Sicherheit anbot, die von der Verwaltung und den
Ständen unabhängig waren.
Vor allem begann er
aber, wie andere Fürsten, allen voran in Hessen, Truppenkontingente
an andere, größere Staaten zu vermieten. Vor allem Frankreich und
England sorgten für eine rege Nachfrage nach derartigen
Söldnertruppen. 1752 machte Frankreich etlichen deutschen
Kleinstaaten in Deutschland das Angebot, für die ▪
Bereitstellung von
Truppenkontingenten, sogenannten Subsidientruppen, eine Menge Geld zu
bezahlen. Dass dies für Carl Eugen die Gelegenheit war, zumindest
für eine gewisse Zeit aus seinen Finanzproblemen herauszukommen, war
nicht weiter verwunderlich.
Mit seiner
Verschwendungssucht verprasste der Herzog allerdings auch die
französischen Zahlungen, die, einer übliche Praxis folgend, im
Voraus geleistet wurden, um die kostspielige Werbung, Aufstellung
und Ausrüstung der Söldnertruppen überhaupt erst zu ermöglichen.
Carl Eugen (1728-1793) dachte nicht im entferntesten daran,
die entsprechende Anzahl von Soldaten für den
Bedarfsfall auszurüsten. So schaffte er es gerade mal, einen Bruchteil der
vermieteten Truppen aufzustellen und sie so mit Uniformen und Waffen
und dem Bau von Kasernen zu versorgen, dass sie im Kriegsfall an der
Seite Frankreichs hätten eingesetzt werden können. Was aber in
seinem solchen Fall auf das Land zukommen würde, blendeten sowohl
Carl Eugen als auch die Stände in Württemberg aus und hofften wohl,
die sechs Jahre, für die der Subsidienvertrag mit Frankreich
abgeschlossen wurde, "aussitzen" zu können.
Als Frankreich im »Siebenjährigen
Krieg (1756-63) das gemietete Truppenkontingent anforderte, stand der
Herzog mit dem Rücken zur Wand. "Nichts war vorhanden, weder
Soldaten, noch Montur, noch Waffen, noch Munition." (Sting 2005,
S.444)
Ihm blieb, da in Württemberg Truppen nur für den Fall der
Landesverteidigung ausgehoben werden dürfen, nur der offene
Verfassungsbruch, um seine Verpflichtungen zu erfüllen und den weiteren
Zufluss von Hilfsgeldern zu garantieren. Mit den im Land verhassten ▪
Zwangsauhebungen von Soldaten, die oftmals reinen Menschenjagden
glichen, gelang es ihm aber schließlich, die erforderliche Zahl
von Söldnern zusammenzubringen. Ihr ▪
Einsatz im Krieg gegen Preußen 1757 endete aber in einem mehr
oder weniger großen Desaster.
Die Klage der Stände vor dem Reichsgericht 1764
Aber auch nach dem Ende des Krieges
war Carl Eugen nicht bereit, die
Ausgaben für sein Heer dauerhaft zu senken. Mehr noch: Durch seine
erwachende Vorliebe für die Kunst, das Theater, das Ballett und die Oper,
sowie seine unzähligen Feste führte er ein überaus verschwenderisches Leben,
das er mit seinem absolutistischen Herrschaftsanspruch und Imponiergehabe
stets als gerechtfertigt ansieht.
Und immer geht es dabei ums Geld, das zu
bewilligen ihm die Landstände angesichts der ihnen während des Krieges
auferlegten Lasten nicht bereit sind.
Doch das Kriegsregiment hatte Carl
Eugens Position gegenüber den Ständen gestärkt, zumal er schließlich gegen
die Garantiemächte der
▪
Religionsreversalien zu Felde gezogen war. Während des Krieges hatte er
den schwächelnden Landständen zudem das so genannte Staats- und
Kabinettsministerium mit von ihm abhängigen Mitgliedern wie dem Grafen
»Montmartin
(1712-1778) vorgesetzt, mit dessen und Oberst »Riegers
(1722-1782) Hilfe er seine massiven
Geldforderungen und seinen ▪
Hunger nach Soldaten
durchsetzen wollte.
Herzog Carl Eugen betrieb dazu noch eine profitable Ämterpatronage und
Pfründenwirtschaft, die in einem Umfeld das ganz entscheidend vom »Pietismus geprägt ist, ebenso
wie die herzögliche Verschwendung unter besonderer Beobachtung steht. Dabei
hat die pietistische Kritik an solchen Auswüchsen schon Tradition.
»Herzog Eberhard
Ludwig (1676 - 1733), hatte das schon 1717 erfahren müssen.
Sein eigener Hofprediger »Samuel Urlsberger
(1685-1772) hatte ihm da eine regelrechte
"Gardinenpredigt" gehalten und von "von der Kanzel der Schlosskirche herab gegen
die »Sittenverderbtheit« des Hofes" geschumpfen und dabei "Katastrophen, Missernten und
Kriege [...] als Gottestrafen für die Sündhaftigkeit des »höfischen
Babels«" gedeutet. (Oßwald-Bargende
2004, S.102)
Wenn
jedenfalls Carl Eugen Geld brauchte, das nicht mehr durch
Steuerpressungen oder durch Kredite seines bevorzugten Bankiers »Aron
Elias Seligmann (1747-1824) hereingeholt werden konnte, entwickelte er mit seinen
Beamten stets eine außergewöhnliche Kreativität, um alles Mögliche zu Geld
zu machen. Ämter jeder Art werden verkauft, Steuern jahrelang einfach
doppelt eingetrieben, Abgaben auf Salz und Zucker in schwindelnde Höhen
getrieben; von Pferdebesitzern werden Akzisen eingezogen, es sei denn das
Tier wird dem Herzog zu einem Sonderpreis überlassen; wer wegen seiner
überaus hoch besteuerten Getreidevorräte in Rückstand gerät, muss damit
rechnen, binnen kurzer Zeit geplündert zu werden. (vgl.
Alt 2002/2004, S.37)
Mit dem
ehemaligen Kirchenrätlichen Expeditionsrat und Kirchenkastenverwalter Kaspar
Lorenz Wittleder aus Thüringen stand ihm ein äußerst erfolgreicher
Organisator des Ämterhandels zur Seite, der inmitten der Stadt "eine offene
Verkaufsbude für den Ämterhandel" eröffnen und
betreiben darf." Da wurden Ämter jeder Art, von den höchsten bis zu den
niedrigsten, schriftlich und mündlich als feile Ware angeboten und an den
Meistbietenden verkauft. Statt der Befähigung und des Verdienstes galt hier
allein die Höhe des Angebots. Wer Geld besaß, konnte sich jede Stellen
auswählen, die ihm gefiel. [...] Knaben wurden zu Oberamtleuten,
Jägerburschen zu Expeditionsräten gemacht." (Sting
2005, S.197)
Aber je mehr Geldquellen der Herzog und seine
Beamten auch immer jenseits jeder Legalität für Carl Eugen sprudeln lassen,
so sehr wächst auf der anderen Seite der Unmut der
▪ Ehrbarkeit über die
Missachtung ihrer Rolle.
Und auch die
protestantischen Garantiemächte der Religionsreversalien England,
Preußen und Dänemark konnten
nach einiger Zeit ihr Gewicht wieder deutlicher in die Waagschale werfen.
Doch der Herzog schien, abgeschirmt von "heimtückischen Schmeichlern" (Sting
2005.,
S. 452) wie »Friedrich
Samuel von Montmartin (1712-1778 (im Februar 1758 berufen) und
Kaspar Lorenz Wittleder († 1769) (1757 zum Rat berufen), die
veränderte Wirklichkeit nicht wahrzunehmen.
Als im Juni 1758 in
Stuttgart bekannt wird, dass preußische Truppen in Franken
eingedrungen und sich dem schwäbischen Kreis näherten, erklärte sich
Carl Eugen nicht wie andere Kreise und sogar Bayern nicht für
neutral, wie es auch die Stände forderten. Stattdessen übte er Druck
auf diese aus und verlangte für den "Ausnahmefall" der "Landesdefension
ohne einige Widerrede" sofort die Summe von 50.000 Gulden und fing
an, "eine traurige Truppe [...] Kein einziger war unter
Vierzig - alle Jüngeren dienten schon im Subsidienkorps [...]
Nicht ein einziges Gewehr war vorhanden [...] auch war weder für
Sold noch für Verpflegung gesorgt" (Walter
1987, S.154). Die Stände aber verweigerten sich. Als die Preußen
sich schon bald wieder aus Preußen zurückgezogen hatten, hielten
Carl Eugen und seine Kabinettsminster, die alles daran setzten, die
die württembergische ▪ Ehrbarkeit
zu entmachten, aber weiter an ihrer Forderung fest.
1759
scheute er sich nicht, den Gebäudekomplex der Landschaft von Soldaten der
Stuttgarter Garnison umstellen zu lassen, um die Herausgabe von 30.000
Gulden aus der Landeskasse zu erzwingen. Und noch ein weiteres Mal war
Oberst Rieger im Auftrag des Herzogs, aber ohne Einsatz von Truppen, damit
im gleichen Jahr erfolgreich.
Carl Eugen setzte
weiter auf Konfrontation. Im Juli 1759 ließ er ein Exempel an dem
Wortführer der ▪ Ehrbarkeit,
dem ▪
Landschaftskonsulenten »Johann
Jakob Moser (1701-1785) statuieren. In einer willkürlichen
Rechtsbeugung ließ er ihn verhaften und vier Jahre in Isolierhaft,
"ohne Verbindung zur Außenwelt, ohne Buch, ohne Papier, ohne
Schreibzeug" (Walter
1987, S.154) und danach unter etwas besseren Haftbedingungen
noch bis zum September 1764 auf dem Hohentwiel einkerkern.
Aber auch diese
Willkürakte und auch die Fähigkeit seiner Helfer, immer neue, meist
illegale Geldquellen sprudeln zu lassen (z. B. mit Zwangsanleihen
bei seinen Beamten) wendeten das Blatt in der Auseinandersetzung
zwischen Carl Eugen und den Ständen nicht dauerhaft zu Gunsten des
herzoglichen "Serenissimus", der wohl immer noch davon träumte,
seine absolutistische Herrschaft in Württemberg errichten zu können.
Systematisch
arbeitete er daraufhin, die württembergische ▪
Ehrbarkeit zu entmachten.
Dazu wollte er die württembergischen Ämter der Zentralregierung unterstellen und durch
neu zu schaffende Unterämter, die von durch ihn ernannten Unteramtmänner verwaltet
werden sollten, wollte er sich stärkeren Einfluss auf die Amtsversammlungen
schaffen. (vgl.
ebd.). Alles in allem eine weitere "Kriegserklärung" an die Adresse der
württembergischen Ehrbarkeit, ebenso wie das von dieser abgeschmetterte
herzoglich Konzept einer sozial abgestuften Vermögenssteuer.
Trotz ihrer
wiederholten Kränkung und offenen Missachtung konnte sich die ▪
Ehrbarkeit aber
nie zu einer Revolte gegen den Herzog mit dem Ziel seiner Absetzung
entschließen. Das lag zum einen an ihrem Verständnis von Loyalität, zum
anderen an ihrem langen Atem, der es zuließ, solange zu warten, bis sich
ihre Beschwerden in einem wieder zur Ruhe gekommenen Europa auch auf dem
Rechtswege würden durchsetzen können.
So dauerte es nach dem Ende des
»Siebenjährigen
Krieges (1756-63) auch nicht lange, bis sich die Gesandten der
Garantiemächte der ▪
Religionsreversalien
aus England, Preußen und Dänemark am Stuttgarter Hof die Klinke in die Hand gaben, um sich über
die Beschwerden der Stände ein eigenes Bild machen zu können.
Im Juli 1764
reichten die württembergischen Landstände
Klage beim ▪
Reichshofrat in Wien ein gegen ihren Herzog
ein. Damit gaben sie den Startschuss zu einem für das Reich einmaligen
Rechtsstreit von Untertanen gegen ihren regierenden Landesfürsten. (vgl.
Walter 1987, S.241f., vgl.
Sting 2005, S.453)
Drei Forderungen sollte
Carl Eugen der Anklage nach erfüllen. Man verlangte von ihm
-
den von ihm inhaftierten
▪ Landschaftskonsulenten »Johann
Jakob Moser (1701-1785), einem der Wortführer der württembergischen
▪ Ehrbarkeit , aus seiner Haft auf dem
»Hohentwiel entlassen, wo ihn Carl
Eugen seit 1759 festgehalten hat
-
auf repressive Maßnahmen
gegen die Landschaft verzichten
-
seine Versuche einstellen,
die neue Vermögenssteuer mit Hilfe von Soldaten eintreiben zu lassen
Die Reaktion Carl Eugens auf die Einreichung der Klage der Stände
vor dem Reichshofrat
Zunächst zeigte sich der Herzog eher unerbittlich. Er kündigte die
Verlegung seines Hofes von Stuttgart nach Ludwigsburg an und ließ die Gesandten der
Garantiemächte mehr oder weniger "abblitzen". Zugleich verschärfte
er sogar noch die
Methoden zur Steuereintreibung.
Doch als schon nach zwei Monaten, am 6.
September 1764 ein vorläufiges
Dekret aus dem kaiserlichen Wien
eintraf, das den Forderungen der Landschaft Recht gab, musste Carl Eugen,
der jede Unterstützung in Europa verloren hatte, wenn auch zögerlich,
einlenken.
Am 25. September entließ er »Johann
Jakob Moser (1701-1785) wieder in die Freiheit und
berief am gleichen Tag, allerdings später als es das Dekret gefordert hatte,
den Landtag ein. Allerdings ließ er ihn dann einige Wochen untätig tagen, ehe er
ihm seine Forderung nach 800.000 Gulden für Militär und die Wiedererrichtung
des Mitte November teilweise abgebrannten Stuttgarter Schlosses auf den
Tisch legte.
Der Erbvergleich von 1770
Mit
dem Erbvergleich von 1770, der
von England, Preußen und Dänemark garantiert wurde, musste der Herzog die alten
Rechte der Landstände neu bestätigen und den Landtag und die Ausschüsse als
"corpus repraesentativum des gesamten lieben Vaterlandes" anerkennen. In der
Folgezeit konnte der Landtag indessen seine gewonnene Popularität nicht in
politische Stärke umsetzen, sondern verspielte jene durch seine Tendenz zu
einem eigenen Absolutismus, durch Geheimniskrämerei und Vetternwirtschaft.
(vgl. Fenske 1981, S.19)
Im Erbvergleich muss der Herzog auch die traditionelle Bedeutung des
Geheimen Rats anerkennen und versprechen "den Geheimen Rat beständig zu
erhalten, und selbigen mit qualifiziertem und dem Lande selbst wohl
affektionierten Personen, sie S. H. Durchlaucht solche nach Ihrem freien
Belieben dazu erkiesen und verordnen werden, denen Landesverträgen und
Reversalien gemäß zu besetzen, auch dabei auf Landeingesessene, wenn sie
hiezu tüchtig nach gleichmäßigem Inhalt der Landcompactaten vorzüglich
gnädigste Reflexion zu machen und dass derselbe dahin verpflichtet sein
solle gnädigster Herrschaft und allgemeiner Landschaft Nutzen zu schaffen,
Schaden und Nachteil aber zu warnen und zu wenden." Zudem versichert der
Herzog "in allen Staats- und Landesangelegenheiten denselben collegialiter
vernehmen, dessen Rath und Gutachten dabei erfordern und dasjenige so denen
Landesverträgen gemäß ist, entschließen zu wollen." (CL. I, grav. II, subm.
2, §1 und §3, zit. n.
Wintterlin 1907, S.171)
Der Erbvergleich ordnet zudem alle übrigen
Kollegien dem Geheimen Rat unter und legt fest, dass Berichte über
Angelegenheiten, die vom Herzog zu entscheiden sind, zunächst an den
Geheimen Rat zu gehen haben. Erst dann werden sie mit dem Antrag des
Geheimen Rats zu der betreffenden Angelegenheit an den Herzog zur
Entscheidung weitergeleitet (§4).
Diese Regelung gilt indessen nicht für den
Kriegsrat, der dem Herzog auch weiterhin direkt unterstellt bleibt.
Allerdings können die Geheimen Räte nach dem Erbvergleich nun jederzeit die
Berichte der Gesandten aus dem Ausland und dem Reich einsehen (§5). Die neue
"Geschäftsverteilung" wirkt sich noch weiter aus: Seit dem Erbvergleich wird
kein Unterschied mehr gemacht zwischen Reservatssachen, Angelegenheiten, die
vom Herzog zu entscheiden sind, und Sachen, über die die jeweils zuständigen
Kollegien in eigener Verantwortung selbst entscheiden können. Fortan muss
der Herzog von allen Entscheidungen unterrichtet werden und er kann alle
Entscheidungen an sich ziehen, sofern er das will. Im Allgemeinen verfährt
man jedoch so, dass der Geheime Rat bei der Weiterleitung einer
Angelegenheit an den Herzog dessen Antwort in Form eines Dekrets an den
Geheimen Rat vorformuliert und nur noch zur Unterschrift vorlegt. (vgl.
ebd.)
Herzog Carl Eugens "Wandlung" nach 1770
Nach 1770 und dem Wiener Richterspruch gegen ihn, in der dritten Periode
seiner Regierungszeit (1770-1793), die von einer vorsichtigen Annäherung des
Herzogs an die Aufklärung gekennzeichnet ist (vgl.
Alt
2000/2004,
S.33), zeigte sich Carl Eugen in den Auseinandersetzungen mit den Ständen
kompromissbereiter, umgab sich mit seriösen Fachleuten als Berater und
schränkte seine höfischen Ausgaben ein.
Unter dem Einfluss des aufgeklärt-human gesinnten Geheimrats Albert Jakob Bühler
(1722-1794) nahte auch das Ende der
bisherigen Pfründenwirtschaft. Es kam sogar so weit, dass der Herzog ein
Schuldbekenntnis von den Kanzeln des Landes verlesen ließ, in dem er eigene
Fehler, während seiner "wilden Jahre“ einräumte.
"Da wir aber Mensch sind“,
erklärte er, "und unter diesem Wort von dem so vorzüglichen Grad der
Vollkommenheit beständig weit entfernt geblieben und auch vor das Künftige
bleiben müssen, so hat es nicht anders sein können, als dass teils aus
angeborener menschlicher Schwachheit, teils aus nicht genugsamer Kenntnis
und sonstigen Umständen sich viele Ereignisse ergeben, die, wenn sie nicht
geschehen, wohl vor jetzt und das Künftige eine andere Wendung genommen
hätten, Wir bekennen es freimütig, denn dieses ist die Schuldigkeit eines
Rechtschaffenen, und entladen uns damit einer Pflicht, die jedem
Rechtdenkenden, besonders aber den Gesalbten dieser Erden, beständig heilig
sein und bleiben sollte.“ (zit. n.
Alt Bd. I, 2004, S. 40f.)
So
gewinnt das Bild eines cholerisch-unberechenbaren Tyrannen (Heinrich Roller)
in den späten Regierungsjahren Züge eines aufgeklärt-toleranten Regenten,
die jenes Bild des nur "barocke Sinneslust, Verschwendungssucht und
diktatorische Rücksichtslosigkeit“ praktizierenden Despoten (ebd.,
S.28) zwar nicht korrigieren, aber wohl doch modifizieren.
Als Carl Eugen 1793 starb, war sogar ▪
Friedrich Schiller
(1757-1805), der ▪
1782 aus Angst vor Repressalien des Herzogs aus Württemberg
geflohen war, offenbar tief gerührt, wie aus den
Erinnerungen von »Justinus Kerner(1786-1862) hervorgeht:
"Ob bei dem Leichenbegängnisse des Herzogs Karl, wie billig gewesen wäre,
die Schüler seiner Karlsakademie seinem Sarge folgten, weiß ich nicht; ich
glaube nicht, dass diese Veranstaltung getroffen wurde, aber e i n
Karlsschüler und zwar der größte, den diese Schule hegte, befand sich damals
zufällig in Ludwigsburg und sah mit Gefühlen kindlicher Wehmut, die der
lebende Herzog wohl nicht von ihm erwartete, seiner Leiche nach.[...] Als Schiller damals auf einem Spaziergange der Gruft des Herzogs nahe kam,
sprach er zu seinem Freunde ▪
Hoven: »Da ruht er also, dieser rastlos tätig
gewesene Mann. Er hatte große Fehler als Regent, größere als Mensch; aber
die ersten wurden von seinen großen Eigenschaften weit überwogen, und das
Andenken an die letzteren muss mit dem Tode begraben werden; darum sage ich
dir, wenn du, da er nun dort liegt, nachteilig von ihm sprechen hörst, traue
diesem Menschen nicht, er ist kein guter, wenigstens kein edler Mensch.«
(aus: Justinus Kerner: Das Bilderbuch aus meiner Knabenzeit. Hrsg. Raimund
Pissin. Berlin u. a. 1914)
ERLÄUTERUNGEN
Das württembergische Amt stellt eine "Institution zwischen Gemeinde und
Staat" dar, die als Körperschaft sowohl dem Staat als auch den Bewohnern des
Bezirks verantwortlich ist. Für die Zentralregierung und als Mitglied
der Landschaft (z. B. als Wahlkreis für den Landtag) ist das Amt eine
Verwaltungsbehörde, für die Einwohner des Bezirks eine politische
Körperschaft mit autonomer Verwaltung, die Grundbesitz erwerben, Steuern
erheben (den sog. "Amtsschaden") und für Gesundheit, Arme, die Feuerwehr und
die Instandhaltung von Wegen und Brücken sorgt. (vgl.
Vann
1986, S.220)
▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht ▪
Fürst und Land - Verfassung in Württemberg
▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.09.2023
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