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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
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Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
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Fürst und Land: Dualistischer
Ständestaat in Württemberg- Verfassung in Württemberg
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Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
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Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Ein Land mit festgeschriebenem protestantischer Landeskirche
Württemberg, in dem »Herzog
Ulrich (1487-1650) 1534, erst siebzehn Jahre nach »Martin
Luthers (1483-1546) Thesenanschlag (1517) die »Reformation
einführt, ist ein protestantisches Land. In ihm besitzt der vom »Augsburger
Religionsfriede (1555) abgeleitete Spruch "cuius
regio, eius religio" keine Bedeutung, da der
Landtag von 1564 den evangelischen Glauben
im württembergischen Landesgesetz festgeschrieben hat. (vgl.
Storz 1981, S. 28)
Weil dem so ist, gibt es auch Zeiten, in
denen der Herzog des Landes zwar katholisch, das Land aber stets
protestantisch bleibt, wie dies auch unter der Herrschaft von ▪
Herzog Carl Eugen (1728-93) der Fall ist.
Die württembergische Staatskirche ist Landeskirche, die alle
evangelischen Gläubigen umfasst und in der gewöhnlich der Herzog als
Landesbischof fungiert. Seit der Großen
Kirchenordnung, die von dem württembergischen Reformator »Johannes
Brenz (1499-1570) erarbeitet und von Ulrichs Sohn »Herzog
Christoph (1515-1568) 1559 erlassen wird, ist das Land in Kirchenbezirke
eingeteilt und die Leitung der Bezirke und Gemeinden fest geregelt. Die
Leitung der Landeskirchenorganisation liegt zunächst in den Händen des
Kirchenrats,
später in denen des
Konsistoriums1,
das wiederum in die Regierung, den "Geheimen Rat" inkorporiert ist.2 (vgl.
Storz 1981, S.27)
Da
»Herzog
Christoph (1515-1568) zugleich den gesamten ehemaligen
katholischen Klosterbesitz in Landesbesitz überführt, kommen auf die
Regierung Württembergs natürlich auch eine ganze Reihe neuer
Verwaltungsaufgaben und kirchliche Rechtsprechungsangelegenheiten zu. Diese
werden noch
ergänzt durch Aufgaben, "die heute ein Minister für Gesundheit, Bildung und
Soziales verwaltet." (Vann
1986, S.56)
Die ehemaligen Klöster stellen dabei auch das Rückgrat eines
neuen Bildungs- und Schulsystems dar, wobei vor allem "die groß angelegte
Stiftung für die kostenfreie Ausbildung künftiger Pfarrer bis zum Abschluss
des Universitätsstudiums" hervorzuheben ist (Storz
1981, S.27).
Die Religionsreversalien
Ist der Herzog katholisch, wie dies bei
▪
Herzog Carl Eugen (1728-93) der Fall ist, kann
natürlich die mit der Glaubenseinheit angestrebte "in die Weltlichkeit
hineinreichende Gesinnungseinheit" (ebd.)
des Staatskirchenkonzepts nicht verwirklicht werden.
Und so gehört die
Tatsache, dass Carl Eugen und die ganz überwiegende Mehrheit der in
Württemberg ansässigen Menschen ein unterschiedliches Glaubensbekenntnis
haben, von vornherein zu den Problemfeldern, die zwischen ihm und seinen
Untertanen immer wieder für Zündstoff sorgen.
Wegen deren Sorge vor einer
möglichen Rekatholisierung des Landes musste auch er wie sein zum katholischen
Glauben übergetretener Vater »Carl
Alexander (1664-1737), ehe ihm zum Antritt
seiner Herrschaft gehuldigt wird, die so genannten
Religionsreversalien unterschreiben.
Dieser Vertrag zwischen dem
Herzog und der Landschaft, der sich an dem Vertrag
Augusts des Starken von
Sachsen (1670-1733) nach seinem Übertritt zum Katholizismus (1697) orientiert
(vgl. Vann 1986, S.194), sagt im Kern aus, dass der Herzog jedwedem Versuch zur Rekatholisierung des
Landes abschwört.
Die Reversalien, mit denen der Herzog die Rechte der württembergischen
Landeskirche vor seiner Huldigung anerkennen muss, werden von dem
protestantischen
»Herzog Eberhard
Ludwig (1676 - 1733) angeregt, der damit, nach dem Tode seines eigenen
Sohnes (1731) die Thronfolge für das Haus Württemberg weiter sichern
will. (▪
Herzöge und
Könige von Württemberg 1628-1918)
Diese geht nämlich nach seinem
Tode auf seinen Cousin »Carl Alexander (1664-1737) über, der schon Jahre zuvor (1721) unter lautem
Beifall der katholischen Erneuerungsbewegung im Beisein des katholischen
Kaisers
»Karl VI.(1685-1740) in einer Kapelle der »Wiener Hofburg zum Katholizismus
übertritt.
Zwar ruft dies im weit entfernten Württemberg, vor allem wegen
des autoritären Herrschaftskonzepts katholischer Monarchen, einige kritische
Stimmen auf den Plan, aber angesichts der vergleichsweise geringen Aussicht
auf die Thronfolge des Konvertiten in Württemberg verstimmen diese recht
bald wieder. (vgl.
Vann 1986, S.202)
Der Herzog erkennt mit den Religionsreversalien die evangelische als Staatsreligion im Land
an und versichert
zugleich, "nichts Katholisches, weder in Bauten und Bildern, noch im
Alltagsleben, wie Prozessionen und öffentlichen Versehgängen, vor allem
nicht das 'soviel Unruhe erregende Simultaneum Catholicum' zu dulden oder
neu einzuführen und selbst den 'allergeringsten actus eines catholischen
Gottesdienstes' außer dem Privatgottesdienst des Herzogs zu verhindern." (Uhland
1984, S.228f. zit. n.
Sting 2005, S.150f.)
Außerdem wird in den Vertragsvereinbarungen
bestimmt, dass nur solche Männer Prälaten und Beamte werden können, die sich
zum protestantischen Glauben des Landes bekennen. Sollte ein solcher das
Bekenntnis wechseln, ist vorgesehen, ihn seines Amtes zu entheben.
Da aber
die Befürchtungen der protestantischen Württemberger damit noch nicht
gänzlich ausgeräumt sind, wohl auch um künftigen Konfliktstoff zu vermeiden,
stimmt der Herzog darin auch zu, im Tausch gegen eine neu zu bauende
private Kapelle auf den katholischen Gottesdienst in der bisherigen
Hofkapelle in Stuttgart zu verzichten.
Und schließlich überträgt
»Carl Alexander (1664-1737), um die Gemüter in Reich und Land zu beruhigen, am 30.3. 1734
seine landesbischöflichen Rechte über die evangelische Landeskirche dem
▪ Geheimen Rat. Dieser kann dadurch wieder eine wichtigere Rolle einnehmen.
Seit
»Herzog Eberhard
Ludwig (1676 - 1733) sich nämlich um die Etablierung eines
persönlichen Regiments, unabhängig von der Dreinsprache der Landschaft,
bemüht hatte, war der Einfluss des Geheimen Rates deutlich zurückgegangen.
Die von ihm gebildete Zentralregierung, die einst vermittelndes Organ
zwischen dem Fürsten und der Landschaft gewesen war, wird von der
herzoglichen Kabinettsregierung (kitchen cabinet), die nur vom Fürsten
abhängig ist, für längere Zeit ins Abseits gedrängt. (vgl.
Vann 1986, S.195)
Konfessionalismus und frühmoderne Staatsentwicklung in Württemberg
Konfessionalismus und frühmoderne Staatsentwicklung in Württemberg
Für die ▪
württembergische Entwicklung zum
(früh-) modernen Staat erwächst aus der unterschiedlichen
Konfession des Herrschers und seiner Untertanen eine besondere Problematik.
Der ▪
monarchische Weg über eine absolutistische Herrschaft, in
zahlreichen Ländern Stufe zur Entstehung des modernen Staates, ist
in Württemberg nämlich nicht zuletzt deshalb verbaut, weil der
Herzog sich das ▪
Schlüsselmonopol der Kirchenhoheit nicht sichern kann. Nicht nur
aus diesem Grund, aber wohl sehr stark davon abhängig, erlangt
Württemberg nur eine ▪ "halbmoderne
Landeshoheit" (vgl.
Schilling 1994a, S.135)
Dafür sind unter
dem Aspekt der fehlenden Kirchenhoheit drei Gründe maßgebend:
-
Zum einen fehlt dem Landesfürsten schlicht das Geld, das ihm
bei alleiniger Verfügungsgewalt über die Einnahmen aus dem Kirchengut hätte zufließen
können.
-
Zum zweiten fehlen ihm die
psychologischen und propagandistischen Mittel der Kirche, um seine
Alleinherrschaft zu legitimieren und zu konsolidieren, mithin auch die
Unterstützung des andersgläubigen Volkes.
-
Zum dritten
schließlich ist er "aus dem Netz der Protektion ausgeschlossen", das die
Landeskirche strickt und kann so weder seine eigenen Gefolgsmänner ernennen,
noch sich seiner Gegner in dieser lukrativen und überall gegenwärtigen
Organisation entledigen. (vgl.
Vann 1986, S.276)
Was schon unter »Carl
Alexander (1664-1737) die Loyalität des Volkes gegenüber dem
katholischen Landesherrn beeinträchtigt, tut dies auch unter der Herrschaft
seines Sohnes:
"Für die Bewohner der württembergischen Amtsstädte und Dörfer
blieb der Katholizismus eine fremde Macht. Konfessioneller Argwohn hinderte
diese Männer und Frauen, die sonst übliche Loyalität gegenüber dem
Landesherrn auch Karl Alexander entgegenzubringen. Ohne eine nachhaltige
Zustimmung des Volkes waren die legislativen und administrativen
Befugnisse, die ein Herzog besaß, zu schwach, um sich gegen den gemeinsamen
Widerstand der Landschaft und der Bürokraten durchzusetzen." (ebd, S.199)
Carl Eugens (1728-93) provozierendes Spiel mit den
Religionsreversalien
Die ersten Konflikte jedenfalls die in der ersten Phase der Regierungszeit
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Herzog Carl Eugen (1728-93) mit der Landschaft entstehen, gehen, auf sein provozierendes
Spielen mit den Schranken zurück, die dem souveränen Fürsten von den Religionsreversalien auferlegt worden waren. Ernsthafte Rekatholisierungsbestrebungen des jungen Herzogs sind es indessen nicht.
Seine Vorliebe für punkvolle Inszenierungen, die auch sein Schwelgen in den
Zeremonien des Katholizismus durchzieht (vgl.
ebd., S.239), wird an Ostern und
Fronleichnam 1749 deutlich.An diesen Tagen lässt Carl Eugen prunkvolle
Prozessionen auf der offenen Galerie des Stuttgarter Schlosses veranstalten,
die Glocken dazu läuten und sogar Salutschüsse abgeben.
Natürlich handelt es
sich um eine gezielte Provokation des jungen Fürsten, aber im Ganzen jedoch
wohl um nicht mehr als einen "Sturm im Wasserglas" (Walter
1987, S. 92), auch wenn sich darin schon im Kleinen die Machtproben
abzeichnen, die sich später zwischen Fürst und Land abspielen.
Aber für eine
Weile jedenfalls gibt Carl Eugen den Protesten nicht nach, sondern setzt
beim Fronleichnamfest in Ludwigsburg ein Jahr darauf noch einmal etwas
obendrauf. Mit ca. 1.000 Beteiligten nimmt er an einer Prozession im
Schlossterrain teil, das von der Straße gut einsehbar ist und lässt das
Ganze wieder mit Glockengeläut und Salutschüssen untermalen. Und was in den
Augen protestantischer Fanatiker vielleicht besonders "teuflisch" ist, die
Salven müssen auf Befehl des Herzogs sogar von protestantischen Soldaten
abgegeben werden! (vgl.
ebd., S. 91)
Anmerkungen
1↑
In
der Kanzleiordnung von 1553
wird der Kirchenrat eine Behörde der Regierung und zugleich in zwei Ämter
eingeteilt, in ein weltlich und ein geistlich ausgerichtetes Amt. Das
weltliche Amt, der so genannte "politische
Kirchenrat" verwaltet den Kirchenbesitz und führt dabei den "Kirchenkasten",
die zentrale Kasse, in die alle Einnahmen der Kirche fließen. Gesondert
verbucht werden allerdings die Einnahmen aus den 14 ehemaligen Klöstern,
deren Gewinne zur Bestreitung des Kosten und Aufgaben der Verwaltung,
aber auch zur Füllung Kriegskasse des Herzogs vorgesehen sind. Während sich
der Kirchenrat, der meistens mit Juristen besetzt ist, mehr oder minder
stark von den Interessen des Herzogs geleitet, um die Finanzen aus dem
Kirchengut, um Gesundheitswesen, Armenfürsorge und um das Bildungswesen
kümmert, ist die Auslegung der religiösen Lehre die Sache der theologisch
gebildeten Mitglieder des Konsistoriums. (vgl.
Vann 1986, S.56f.)
2 Seit 1770 bzw. 1775 ist ein gelehrter Geheimer Rat
zugleich Konsistorialpräsident. (Wintterlin
1907, S.171)
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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
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Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht ▪
Fürst und Land - Verfassung in Württemberg
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Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
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Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.09.2023
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