Die politischen Verhältnisse in den souveränen Einzelstaaten im
»Heiligen Römischen Reiches deutscher
Nation sind sehr verschieden.
Staaten mit landständischen Verfassungen, in denen ein Landesherr sich mit
einer Ständevertretung, vor allem in Steuer- bzw. Budgetfragen einigen
sollte, stehen rein nach absolutistischer Herrscherwillkür regierten Staaten
gegenüber. Und zwischen diesen beiden Polen existieren Gebiete und
Territorien mit bis ins feudale Mittelalter reichenden Strukturen.
Auf dem
▪ Weg zum modernen Staat kommt es in zahlreichen landständisch verfassten
Territorien zu Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen den souveränen
Fürsten und ihren jeweiligen Standesvertretungen.
Sie haben ihren Ursprung
in der nach den Wirren des ▪
Dreißigjährigen Krieges eintretenden
"Krisensituationen, die die Unfähigkeit der alten Ordnungskräfte erweisen,
territoriale und soziale Desintegration zu verhindern, die die - wiederum in
sich konfessionell zerrissenen - Stände überfordern und die fast
zwangsläufig das Gesetz des Handelns in die Hand eines entschlossenen
Fürsten legen, der die bisherigen Beschränkungen seiner Macht mehr oder
weniger energisch beseitigt, also es versteht, sich von den Ständen zu
emanzipieren oder sie in eine bedeutungslose Nebenrolle abzudrängen." (Duchardt
1998, S.36)
Schon
frühzeitig entstehen solche Konflikte auch in ▪
Württemberg,
wenn ein um absolutistische Herrschermacht ringender Fürst in
Auseinandersetzungen mit den Ständen gerät und die Gewichte im
Dualismus von Fürst und Land immer wieder aufs Neue austariert
werden müssen.
Aber auch, wo die Verschwendungssucht des Landesherrn nicht so ausgeprägt
ist wie bei ▪
Carl Eugen von Württemberg
/1728-1793) sind die Einzelstaaten des Reiches
Mitte des 18. Jahrhunderts hoffnungslos verschuldet. Hofhaltung, Baupolitik,
der wachsende Beamtenapparat und die stehenden Heere verschlingen nicht
selten ein Vielfaches von dem, was den Landesherrn nach Recht und Herkommen
zusteht.
Die Prachtentfaltung der vielfach absolutistisch regierenden
Fürsten ist allerdings nicht allein ihrer persönlichen Geltungssucht
geschuldet, entspricht auch nicht einfach nur einem herrschenden Zeitgeist.
Dies betont auch "Die Repräsentation im Hof und durch den
Hof", betont
Duchardt (1998, S. 532) "Quantität und Qualität des höfischen Aufwandes wurden für
den barock-absolutistischen Fürsten zu einem politischen Mittel, um im
innerreichischen und internationalen Konkurrenzkampf der Dynastien zu
bestehen, einem Wettbewerb, dessen Schwerpunkt sich immer mehr auf die
Architektur verlagerte. Die Bautätigkeit des Herrschers, die im
Residenzschloss gipfelte und in der Anlage von Opernhäusern, Orangerien,
Lustschlössern, ja ganzer geometrisch angelegter Residenzstädte ihre
Ergänzung fand, [...] kann gerade als Gradmesser seiner politischen Macht
eingestuft werden."
Darüber hinaus dient der Fürstenhof im Barock oft auch dazu, den Adel in
seine unmittelbare Umgebung zu ziehen und von da aus besser zu
kontrollieren.
Die Legitimation absolutistischer Prachtentfaltung
Die verschiedenen Formen absolutistischer Prachtenfaltung sind
verschwenderisch, daran darf auch diese Betrachtung nichts ändern, sie
erscheinen aber den Fürsten und vielen Zeitgenossen als zumindest legitim.
Ihre Funktion zur Repräsentation
von gottgegebener Macht wird auch in der politischen Theorie des 17. und
18. Jahrhunderts betont. Sie legitimiert den für unverzichtbar
erklärten höfischen Aufwand rational, indem sie erklärt, dass die höfische
Pracht dem Volk jene starken sinnlichen Reize liefere, die es zum
Verständnis der Rechtmäßigkeit der Herrschaft benötige.
Ein besonders
anschauliches Beispiel für solche rationalen Legitimationsstrategien
höfischer Prachtentfaltung gibt der Rechtshistoriker Johann Christoph Lüding
1718 in seinem weit verbreiteten "Musterbuch" zeremonieller Regeln am Hof:
"Die meisten Menschen, vornehmlich aber der Pöbel, sind von solcher
Beschaffenheit, dass bei ihnen die sinnliche Empfind- und Einbildung mehr
als Witz und Verstand vermögen, und sie daher durch solche Dinge, welche die
Sinne kitzeln und die Augen fallen, mehr als durch die bündig- und
deutlichsten Motiven commoviret werden. Wenn man dem gemeinen Volk hundert
und aberhundert mal mit auserlesensten Worten und Gründen vorstellte, dass
es seinem Regenten deswegen gehorchen sollte, weil es dem göttlichen Befehl
und der gesunden Vernunft gemäß wäre, dieser aber sich in Kleidung und
sonsten in allem schlecht, als ein gemeiner Führer aufführte, so würde man
wenig ausrichten. Allein man stelle demselben einen Fürsten vor, der
prächtig gekleidet, mit vielen Hofleuten umgeben, von verschiedenen
auswärtigen Prinzen und Gesandtschaften verehrtet, auch von einer
ansehnlichen Guarde bedecket ist, so wird es anfangen, sich über dessen
Hoheit zu verwundern, diese Verwunderung aber bringet Hochachtung und
Ehrfurcht zuwege, von welcher Untertänigkeit und Gehorsam herkommen." (zit.
n.
Oßwald-Bargende 2004, S.98f.)
Dauerinszenierung fürstlicher Machtvollkommenheit
Wo immer es geht, so will es das zeitgenössische (Selbst-)Verständnis
absolutistischer Fürsten, muss die fürstliche Machtvollkommenheit in Szene
gesetzt werden, damit die Öffentlichkeit in Erstaunen über die
Exklusivität des Hofes versetzt werden kann.
Diesen Zielen sind auch die zahlreichen Regeln untergeordnet, die
einen zeremoniellen Hof mit seinen oft bis ins Detail festgelegten
immer wiederkehrenden Ritualen ausmachen wie z. B. das »Lever, das morgendliche Aufstehen und Anziehen des
Fürsten, oder die penibel geplanten Tischordnungen bei Tischgesellschaften.
Aber auch die prachtvoll üppigen Hoffeste, ja die ganze Pracht dieser
Hofkultur, haben hierin ihre rationalen Wurzeln. Allerdings kann auch dies nicht darüber
hinwegtäuschen, dass es sich angesichts der sonst herrschenden
misslichen Lebensverhältnisse der meisten Untertanen um pure Verschwendung
handelt.
Die
Hof haltenden Fürsten versuchen ihrem finanzpolitischen Fiasko durch alle
erdenklichen Formen von Steuern und Abgaben Herr zu werden. Da sind Abgaben
zu zahlen, wenn Waren verkauft werden, dort werden Nutztiere oder der
Verbrauch von Grundnahrungsmittel besteuert, und wenn Waren über die
Landesgrenze gehen, sind Zölle fällig, die sich bei der Kleinstaaterei in
Deutschland für einen Händler schnell zu großen Beträgen summieren können.
33 Zollstationen müssen hier z. B. passiert werden, wenn Waren auf einer Strecke
von ca. 220 Kilometern zwischen Bamberg und Mainz auf dem Main verschickt
werden, an 32 Landesgrenzen gilt es Gebühren zu entrichten, wenn Waren
rheinabwärts von Straßburg an die holländische Grenze gehen und elbaufwärts
von Hamburg nach Magdeburg sind es noch 14 solcher Grenzstationen, die die
Kassen der Landesherren füllen sollen (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 11) Dem Erfindungsreichtum, neue Geldquellen für den
Fürsten zu erschließen sind keinerlei Grenzen gesetzt.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
04.09.2023
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