Nicht jeder / jede weiß bekanntlich auf allen
Gebieten gleich Bescheid. Das ist natürlich auch beim Schreiben und
insbesondere bei der Beurteilung von Schreibprodukten nicht anders.
Das Expertenteam ist eine Methode, bei dem
im Rahmen einer
förderlichen Begleitung des Schreibprozesses das Schreiben im Team
schrittweise kooperativ (interactive writing)
gestaltet wird.
Fritzsche (1994,
S.206) spricht in diesem Zusammenhang von "Spezialisten".
Während bei einer Lehrkraft vorausgesetzt wird, dass
ihr Wissen alle dafür nötigen Bereiche abdeckt, ist dies bei
Schülerinnen und Schülern selbstverständlich nicht der Fall. Dennoch
ist es für die
Schreibentwicklung des Einzelnen
und für seine Schreibmotivation ungeheuer wichtig, dass er / sie im
Gespräch und Austausch mit anderen Schülerinnen und Schülern,
erfährt, wie es um sein Schreiben bestellt ist. (Peer-Feedback)
Aber auch die Übernahme einer Experten-Rolle beruht
auf einer guten Selbsteinschätzung und verlangt, dass man über sein
Wissen und seine Fähigkeiten Bescheid weiß. (metakognitive
Kompetenz)
Und schließlich verlangt das
Feeback-Geben als Experte bzw. Expertin ebenso ein hohes Maß an
sozialer Kompetenz, die nicht unterschätzt werden darf. Wie das
förderliche
Feedback-Geben und
Feedback-Nehmen funktioniert, sollte den Beteiligten also klar
sein, sie sollten schon ein wenig Erfahrung damit haben, bevor sie
als Experten "auf andere losgelassen werden." Mediale Vorbilder aus
diversen Casting-Shows im Fernsehen taugen dabei wenig.
Expertenteam - schreibdidaktisch ausgedrückt
Die Expertinnen und Expertern identifizieren in einer
Strategie des planvollen Untersuchens und Überarbeitens (Baurmann
2002/2008, S.93) für ihre jeweilige
Revisionsebene
bestimmte Missverhältnisse, Mängel oder Auffälligkeiten, diagnostizieren die Unzulänglichkeiten und
bestimmen im Rahmen der jeweiligen
Revisionsklassen
(Nachträge,
Korrekturen,
Verbesserungen,
Umsetzungen
(Redigierungen),
Neufassungen
(Reformulierungen) geeignete
Revisionshandlungen, um den Text zu optimieren.
Experten müssen anhand von klaren Kriterien Feedback
geben
Die Methode Expertenteam ähnelt in manchem der
Schreibkonferenz. Sie ist allerdings stärker als diese an Kriterien
orientiert.
Die Spezialisten überarbeiten in einer Gruppe von
drei bis fünf Experten einen Text und prüfen dabei je nach Spezialgebiet
des jeweiligen Expertenden
Um Motivationsproblemen entgegenzuwirken, ist es ratsam,
mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam
Kriterienkataloge für die Experten zu erarbeiten.
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Diese müssen genau erfassen,
worauf sich die Aufmerksamkeit des jeweiligen Spezialisten richten soll.
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Sie sollten den um einen Tisch herumsitzenden
Experten auf einem jeweils andersfarbigen Papier (u. U. wegen mehrfacher
Verwendung auch foliert) vorliegen. (vgl. (Becker-Mrotzeck/Böttcher
2006/2011, S.48)
Grundsätzlich sollte von den Experten jeweils ein
fremder Text begutachtet, mit Überarbeitungshinweisen versehen oder auch
überarbeitet werden.
Allerdings ist es auch möglich, in einem
Experten-Team eigene Texte zu behandeln, sofern der jeweilige Autor auf
Schreib- bzw.
Revisionshandlungen in seinem Spezialgebiet beschränkt bleibt.
Die Methode riecht ein wenig nach dem alten Korrigieren
und Verbessern
Das Wort "Verbesserung" führt bei Schülern und
Lehrkräften häufig schon zum Stirnrunzeln, weil offenbar kein
Schreiber, insbesondere wenn es sich um eine schon benotete
Schreibaufgabe handelt, sich noch einmal motivieren kann, an dem
"abgehakten" Text noch einmal etwas zu korrigieren. So werden
eingeforderte Verbesserungen eben zu "Verschlimmbesserungen".
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Da das
Expertenteam-Verfahren also "dem üblichen Korrigieren und
Verbessern" sehr ähnelt, kann es, so
Fritzsche (ebd.),
von Schülern oft als eher stur und langweilig empfunden" werden.
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Allerdings konstatiert er auch, dass einzelne Schülerinnen und Schüler
bei der Ausfüllung ihrer Expertenrolle auch einen beachtlichen Ehrgeiz
entwickeln können. (s. o. die Ausführungen zum
Feedback)
Das Überarbeiten von Texten verlangt Förderung der
Überarbeitungskompetenz
Motivationsprobleme dieser Art sind nicht zuletzt
auch einem Deutschunterricht geschuldet, der lange Zeit dem
Überarbeiten von Texten viel zu
wenig Bedeutung beigemessen hat.
Dringend nötig ist heute ein schreibdidaktisches
Curriculum, welches dem Überarbeiten von Texten in allen Schulstufen das
gebührende Gewicht gibt.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.07.2020
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