Die nachfolgenden Textauszüge stellen
▪
Peter
Bichsels
▪
Kurzgeschichte
▪»Die Tochter« Hinweise zur
Interpretation von
Peter
Bichsels
Kurzgeschichte
»Die Tochter« dar.
Wenn sie einem nach der ersten Lektüre plausibel erscheinen, kann
man sie als vorläufige Interpretationsthese(n) (= Hypothesen)
aufgreifen und sie zur Grundlage für die weitere Erarbeitung eines
vertieften Textverständnisses nehmen.
Am Text wird dabei überprüft, ob die Hypothese stimmig ist,
modifziert oder gänzlich verworfen werden soll.
- Karl Stocker, 1988:
»Es ist dies eine Geschichte von gestörter Kommunikation, von
Entfremdung, von Einsamkeit in der Familie, von Flucht aus der
Wirklichkeit in eine traumhafte Vorstellung, eine Geschichte, wie sie das
Leben - wohl gar nicht so selten - schreibt.« (Karl
Stocker (1988), S.130)
- Hans Gerd Rötzer, 1994:
»Je nachdem wie man den Schwerpunkt setzt, könnte man sagen:
-
es geht um die abwesende Tochter; oder
-
es geht um das Verhältnis der Eltern zu ihrer Tochter und um die
Wunschvorstellungen, die sie haben.
Beiden Aspekten gemeinsam ist das gestörte zwischenmenschliche
Verhältnis: man spricht voneinander, aber nicht miteinander; man baut
sich Vorstellungen über die Mitmenschen auf - z.B. die Eltern über ihre
Kinder -. Es ist aber auch die andere Seite zu beachten, dass die
Angesprochenen - in Bichsels Erzählung ist es die Tochter - nicht allzu
gesprächsbereit sind. Auf beiden Seiten hätte sich einiges zu ändern.«
(Hans Gerd
Rötzer 1994, S.30)
-
Gert Egle (2019):
»Schwierig für die einzige Tochter, um die sich nicht nur während
der einstündigen Wartezeit für Vater und Mutter alles dreht.
Schwierig aber aller dargestellten Alltäglichkeit auch für die
Eltern. Schwierig für alle, weil sie über ihre Gefühle offenbar
nicht miteinander reden können und sich hinter einem Ritual des
gemeinsamen Abendessens für eine gewisse Zeit lang verbarrikadieren
und das Bild einer funktionierenden Familie inszenieren. In Wahrheit
jedoch spielt sich hinter der Fassade der schon brüchig gewordenen
heilen Familienwelt ein alltägliches Kleinfamiliendrama um die
Ablösung vom Elternhaus ab, das zwar unausweichlich ist, die
Beteiligten aber, so scheint es, gänzlich unvorbereitet trifft.«
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.12.2023