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Mit Leitfragen Alltagsargumentationen analysieren
Angelehnt an die Ausführungen von
Klaus Bayer (1999, S.192-209) lässt sich folgender
Katalog von
Leitfragen zur Analyse von Alltagsargumentationen aufstellen.
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Liegt überhaupt eine Argumentation vor?
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Welches ist die Hauptthese
(Spitzenformulierung)?
Gibt es unter Umständen mehrere?
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Ist die Hauptthese
deskriptiv oder
normativ?
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Ist die
Hauptthese auf
Sachverhalte bezogen und empirisch nachprüfbar? (deskriptiv)
Beispiel: In der Prüfung sind drei Schüler durchgefallen.
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Hängt ihre Geltung von den politischen und moralischen Ansichten und
den Interessen des Sprechers ab? Sind es Aussagen, die ein Sollen
ausdrücken? (normativ)
Beispiel: Das Mitbringen von Handys in die Schule sollte untersagt
werden.
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Verweisen
Hauptthese und
Argumentation auf ein bestimmtes Weltbild?
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Lassen sich die unausgesprochenen (impliziten) Voraussetzungen einer
Argumentation auf ein bestimmtes Weltbild des Sprechers zurückführen?
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Können bestimmte Fehlschlüsse einer Argumentation darauf
zurückgeführt werden, dass ein bestimmtes Weltbild des Sprechers oder
vom Sprecher gestützt werden soll. Problem: unliebsame Argumentationen werden mitunter zu schnell auf
dahinter stehende Weltbilder zurückgeführt, ohne sich mit ihnen sachlich
auseinanderzusetzen
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Welche
Argumente werden vorgebracht?
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Welche Beziehung besteht zwischen den Argumenten?
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Wie lässt sich die Argumentation im Überblick darstellen?
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Lassen sich die argumentativen Strukturen schematisch darstellen (z.
B. Baumdiagramm, allgemeines Argumentationsschema,
Pro-Contra-Tabellenmodell,
Argumentationsmodell von Stephen Toulmin etc.)
Problem: Argumentationsstruktur nicht immer eindeutig darstellbar wegen:
mangelnder hierarchischer Struktur, willkürlicher Reihenfolge und
schwieriger Unterscheidung von Hauptargumenten für die Hauptthese und
Nebenargumenten)
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Um welche Typen von Argumenten handelt es sich?
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Wird in Bezug auf die Hauptthese induktiv (vom Besonderen auf das
Allgemeine) oder deduktiv (vom Allgemeinen auf das Besondere)
geschlossen? Beispiel: Alle Männer, die ich bisher kennen gelernt habe, waren Machos.
Also sind alle Männer Machos. (induktiv) – Alle Wale sind Säugetiere.
Dies ist ein Wal. Dies ist ein Säugetier. (deduktiv) Problem: Wenn die dargestellten Erfahrungen mit Männern wahr sind, ist
der Schluss auf andere Männer u. U. wahrscheinlich, aber keinesfalls
sicher wahr. – Wenn die beiden erstgenannten Äußerungen (Prämissen) über
den Wal zutreffen, ist auch der Schluss "Dies ist ein Säugetier." wahr.
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Wie sind die Argumente mit
normativer
Schlussfolgerung zu analysieren?
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Auf welchen Gegenstand bezieht sich die normative Bewertung?
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Mit welchen Alternativen wird der Gegenstand verglichen?
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Unter welchem Aspekt/ in welcher Hinsicht wird der Gegenstand
bewertet?
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Worin besteht der Istwert des Gegenstandes und worin sein Sollwert?
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Welchen Stellenwert besitzen jeweils der Gegenstand und seine
Alternativen? Welche Ränge nehmen der Gegenstand und seine jeweils
möglichen Alternativen unter Einwirkung personen-, gruppen- oder
gesellschaftsbedingter Sichtweisen in einer Rangordnung ein?
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Welche impliziten Aussagen müssen expliziert werden?
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Welche Aussagen müssen notwendigerweise ergänzt werden, um die
Argumentation klar zu strukturieren und gegebenenfalls verständlicher zu
machen?
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Welche impliziten Aussagen sind mögliche Quellen für
Missverständnisse? Problem: Da Alltagsargumentationen häufig einen impliziten Charakter
haben und trotzdem (!) funktionieren, muss vom Ziel der
Argumentationsanalyse abhängig gemacht werden, wie weit Analyse und
Ergänzung von Fehlendem vorangetrieben werden soll.
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Sind die Argumente korrekt? Gibt es offensichtliche
Fehlschlüsse?
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Welche offensichtlichen Fehlschlüsse lassen sich feststellen?
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Gibt es induktive Argumente, die zwar nicht gänzlich inkorrekt, aber
doch wenig zuverlässig sind?
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Wie lassen sich Pro- und Contra-Argumente gegeneinander abwägen?
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Welche Argumente werden vorgebracht und welche werden (bewusst,
unbewusst) nicht erwähnt?
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Sind die vorgebrachten Argumente
haltbar? Lassen sich die behaupteten Aussagen über Sachverhalte
empirisch nachprüfen? Sind die behaupteten Folgen normativer Aussagen
wahrscheinlich?
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Besitzen die Argumente
Relevanz für die Thesen/Konklusionen?
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Wird die Abwägung der Argumente durch Unsachlichkeit erschwert?
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Werden irrelevante oder unhaltbare Argumente oder unzulängliche
Präzisierungen angebracht, die die Adressaten unzulässig beeinflussen
sollen (tendenziöses Gerede)? Beispiele: Typisch Frau! – Wenn ich so viel Geld hätte wie du, würde ich
auch so reden.
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Werden Fakten falsch oder unvollständig dargestellt, um die
Adressaten unzulässig zu beeinflussen (tendenziöse Faktendarstellung) ?
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Werden bestimmte Argumente so wiedergegeben, dass sie einseitig eine
Position in einer Kontroverse stärken sollen (tendenziöse Wiedergabe)?
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Werden die äußeren Umstände (sprachlicher, medialer, raum-zeitlicher
Kontext etc.) so gestaltet, dass damit eine bestimmte Position
begünstigt wird? Beispiele: Gegenargumente werden als Fußnoten aufgeführt; Mimik, Gestik,
räumliche Platzierung usw. (tendenziöse Präparierung der äußeren
Umstände)?
(vgl.
Bayer (1999, S.192-209, ergänzt)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
09.07.2023
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