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Martin Opitz (1597-1639): Trostgedichte in Widerwertigkeit Deß Kriegs (1633)

[Die Widerwertigkeit Deß Kriegs](1633)

Martin Opitz (1597-1639)


FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren Martin Opitz (1597-1639) Kurzbiografie: Stationen eines Gelehrtendichters in unsicheren Zeiten Lyrische Texte
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Kurzbiografie zu Martin Opitz : Stationen eines Gelehrtendichters in unsicheren Zeiten
Barock (1600-1720)
Lyrik des Barock

 ▪ Dreißigjähriger Krieg (1618-1648)
Überblick
Bevölkerungsverluste
Alltag zwischen Krieg und Frieden
Quellenauswahl
Ein Kriegsbericht, 1638
Klagen der Pommerschen Gesandten
Tod und Überleben im Krieg: Bericht eines Pfarrers, 1636
Die Lage nach dem Krieg

Martin Opitz (1597-1639) verfasste seine "Trostgedichte" 1622 im dänischen Jütland, wohin er vor dem herannahenden (Dreißigjährigen) Krieg in Heidelberg geflohen war. Das Versepos, das vier Bücher umfasst, versteht sich als ein Lehrgedicht. Es steht dabei in der Tradition einer seit der Antike bekannten Gattung von Trostschriften, die unter dem Begriff Consolatio (lat. Tröstung) zusammengefasst werden.

Solche Trostschriften wurden anlässlich einzelner Trauerfälle für die Hinterbliebenen als Auftragsdichtung (Gelegenheitsdichtung) verfasst oder auch auch als allgemein gehaltener philosophischer und/oder ethischer Zuspruch und Trost (in schwieriger Zeit) verstanden.

Christlich orientierte Trostschriften nehmen etliche der aus der Antike bekannten Motive auf, richten ihren Trost aber vor allem an der christlichen Heilsgewissheit, der Gnade Gottes und der Aussicht auf das ewige Leben aus.

Martin Opitz (1597-1639)
Trostgedichte in Widerwertigkeit Deß Kriegs (1633)
– Auszüge –
[...] Die grosse Sonne hat mit ihren schönen Pferden
Gemessen drey mal nun den weiten Kreiß der Erden,
Seyt daß der strenge Mars in unser Teutschland kam,
Und dieser schwere Krig den ersten Anfang nam. [...]

Ist noch ein Ort, dahin der Krieg nicht kommen sey,
So ist er dennoch nicht gewesen Furchte frey.
Das Land hat grausamlich von Reuterey erklungen,
Der übergrossen Last zuweichen fast getrungen.
Kein Vorgebürge hat sich weit genug erstreckt,
Kein weiter Wald die Zahl deß Heeres gantz bedeckt.
Waß hilfft es, daß jetzund die Wiesen grüne werden
Und daß der weisse Stier entdeckt die Schoß der Erden
Mit seiner Hörner Krafft, daß aller Platz der Welt
Wie neugeboren wird? Das Feld steht ohne Feld,
Der Acker fraget nun nach keinem grossen Bauen,
Mit Leichen zugesät; er fragt nach keinem Tauen,
Nach keinem Düngen nicht. Was sonst der Regen thut,
Wird jetzt genug gethan durch faistes Menschenblut. [...]
Der arme Bauersmann hat alles lassen ligen,
Wie, wann die Taube sieht den Habicht auff sich fliegen,
Und gibet Fersengelt; er selbst ist in das Land,
Sein Gut ist fort geraubt, sein Hof hinweg gebrandt,
Sein Vieh hindurch gebracht, die Scheuren umbgeschmissen,
Der edle Rebenstock tyrannisch außgerissen,
Die Bäume stehn nicht mehr, die Gärten sind verheert; [...]
Ein jeder ist verzagt. Eh', als der Feind noch kommen,
Da hat die Furchte schon viel Oerter eingenommen
Und Oberhand gehabt. Mir schüttert Haar und Haut,
Wann daß ich dencken wil, was ich nur angeschaut.
Das Volck ist hin und her geflohn mit hellem Hauffen,
Die Töchter sind bey Nacht auff Berge zugelauffen,
Schon halb für Schrecken tod, die Mutter hat die Zeit,
In der sie einen Mann erkant, vermaledeyt.
Die Männer haben selbst erbärmlich müssen flehen,
Wann sie ihr liebes Weib und Kinder angesehen.
Die kleinen Kinderlein, gelegen an der Brust,
So noch von keinem Krieg' und Kriegesmacht gewust,
Sind durch der Mutter Leyd auch worden angereget
Und haben allesampt durch ihr Geschrey beweget;
Der Mann hat seine Frau beweynt, die Frau den Mann,
Und was ich weiter nicht auß Wehmuth sagen kan. 
[...] Wie manche schöne Statt,
Die sonst das gantze Land durch Pracht gezieret hat,
Ist jetzund Asch unnd Staub? Die Mauren sind verheeret,
Die Kirchen hingelegt, die Häuser umbgekehret.
Wie wann ein starcker Fluß, der unvorsehens kömpt,
Die frische Saate stürtzt, die Aecker mit sich nimpt,
Die Wälder niderreißt, läufft ausser seinen Wegen,
So hat man auch den Plitz und schwefelichte Regen
Durch der Geschütze Schlund mit grimmiger Gewalt,
Daß alles Land umbher erzittert und erschallt,
Gesehen mit der Lufft hin in die Stätte fliegen;
Deß Rauches Wolcken sind den Wolcken gleich gestiegen,
Der Feuerflocken See hat alles überdeckt
Und auch den wilden Feind im Lager selbst erschreckt.
Das harte Pflaster hat geglüet und gehitzet,
Die Thürne selbst gewanckt, das Ertz darauff geschwitzet;
Viel Menschen, die der Schaar der Kugeln sind entrannt,
Sind mitten in die Glut gerathen und verbrannt,
Sind durch den Dampff erstickt, verfallen durch die Wände;
Was übrig blieben ist, ist kommen in die Hände[
Der ärgsten Wüterey, so, seyt die Welt erbaut
Von Gott gestanden ist, die Sonne hat geschaut.
Der Alten graues Haar, der jungen Leute Weynen,
Das Klagen, Ach und Weh der Grossen und der Kleinen,
Das Schreyen in gemein von Reich und Arm geführt
Hat diese Bestien im minsten nicht gerührt.
Hier halff kein Adel nicht, hier ward kein Stand geachtet,
Sie musten alle fort, sie wurden hingeschlachtet,
Wie wann ein grimmer Wolff, der in den Schaffstall reißt,
Ohn allen Unterscheyd die Lämmer nider beißt.
Der Mann hat müssen sehn sein Ehebette schwächen,
Der Töchter Ehrenblüth' in seinen Augen brechen,
Und sie, wann die Begier nicht weiter ist entbrandt,
Unmenschlich untergehn durch ihres Schänders Hand.
Die Schwester ward entleibt in ihres Bruders Armen,
Herr, Diener, Frau und Magd erwürget ohn Erbarmen,
Ja, die auch nicht geborn, die wurden umbgebracht,
Die Kinder, so umbringt gelegen mit der Nacht
In ihrer Mutter Schoß; ehe sie zum Leben kommen,
Da hat man ihnen schon das Leben hingenommen:
Viel sind, auch Weib und Kind, von Felsen abgestürtzt
Und haben ihnen selbst die schwere Zeit verkürtzt,
Dem Feinde zu entgehn. Was darff ich aber sagen,
Was die für Hertzenleyd, so noch gelebt, ertragen?
Ihr Heyden reicht nicht zu mit eurer Grausamkeit,
Was ihr noch nicht gethan, das thut die Christenheit,
Wo solcher Mensch auch kan den Christen-Namen haben,
Die Leichen haben sie, die Leichen auffgegraben,
Die Glieder, so die Erd' und die Natur versteckt,
Sind worden unverschämt von ihnen auffgedeckt.
Mehr hat mich Grau unnd Scheu nicht schreiben lassen wollen,
Und derer wegen auch die nach uns kommen sollen
(Wo daß die schlimme Welt noch länger kan besteht)
Wil ich und muß auch viel mit Schweigen übergehn.[...]

Die Cammern sind erschöpfft, das Gold ist auffgeklaubet,
Viel Weiber ihrer Ehr' und Männer quit gemacht,
Sehr vielen Kindern sind die Vätter umbgebracht;
Und nicht nur durch das Schwert; die Lufft ist schädlich worden,
Hat auch das Feld geräumt, und jämmerliches Morden
Durch strenge Pestilentz und Kranckheit angestelt.
Wie mancher kühner Mann, wie mancher freyer Held,
Der hohes Lob gehofft mit Streiten zu erwerben,
Hat müssen ohne Blut deß faulen Todes sterben,
Hat seinem Mörder nicht entgegen können gehn
Und, wie ein Krieger sol, zu seinem Ende stehn.
So ist die Gottesfurcht auch mehrentheils verschwunden,
Und die Religion gefangen und gebunden,
Das Recht ligt unterdrückt, die Tugend ist gehemmt,
Die Künste sind durch Koth und Unstat überschwemmt.
Die alte teutsche Treu hat sich hinweg verloren,
Der Frembden Uebermuth der ist zu allen Thoren
Mit ihnen eingerannt, die Sitten sind verheert,
Was Gott und uns gebührt ist alles umbgekehrt.[...]
Daß aber jemand nun vermessen wolte meynen,
Wir wären ausser Schuld, und unbedacht verneinen,
Gott habe seinem Volck' und Kirchen dieses Leid
Vergeblich zugeschickt, der irret trefflich weit.
Der Herr von Anbeginn, ein Richter aller Sachen,
Der alles sieht und hört, der Augen hat zu wachen,
Dem niemand kan entgehn, der kräfftig umb und an
In allem ist, was ist, was war und werden kan,
Der schickt uns aber zu, der ordnet alle Dinge
Im Himmel und bey uns, wie groß und wie geringe
Sie immer mögen seyn; Glück, Unglück, Leben, Tod,
Krieg, Fried' und Einigkeit kömpt alles her von Gott. [...]

Die Ordnung der Natur ist worden gantz verwirret;
Die Waffen haben selbst auß heimlicher Gewalt
Von niemand angerührt, geklungen und erschallt.
Das Wasser ward verkehrt, die unbefleckten Brunnen,
Ihr reines Silberquell ist blutig fürgeronnen:
Der Flüsse Vatter auch, der sonsten schöne Rhein,
Hat seine Last gefühlt, daß nun für klaren Wein
Das grosse Kriegesheer der prächtigen Maranen
An seinem Ufer sey, daß ihre stoltze Fahnen
Nun stünden auffgesteckt, wo vor Thriambus war,
Und wo man jetzund noch kan sehen sein Altar,
Er hat, der schöne Rhein, auß Scham sich fast verloren,
Ist weit und breit umbher durch kaltes Eiß verfroren; [...]

Wir sind auß Gottes Huld
Entfallen durch uns selbst umb unsrer Laster Schuld. [...]

Was umb und umb wird seyn, wird alles Frieden heissen;
Da wird sich keiner nicht umb Land und Leute reissen,
Da wird kein Ketzer seyn, kein Kampff, kein Zanck und Streit,
Kein Mord, kein Stättebrand, kein Weh und Hertzeleid.
Dahin, dahin gedenckt in diesen schwären Kriegen,
In dieser bösen Zeit, in diesen letzten Zügen
Der nunmehr krancken Welt; dahin, dahin gedenckt,
So läßt die Todesfurcht euch frey und ungekränckt. [...]
Diß, was ihr suchen solt. Wer Gottes Heimlichkeit
Vermessentlich erforscht, der sägelt gar zu weit,
Und schifft in einer See, durch die er nicht kan kommen,
Muß wider auff den Weg, den er zuvor genommen,
Kömpt unverrichtet heim. Diß, was uns selig macht,
Wird durch die Schrifft genug in Augenschein gebracht
Und deutlich außgelegt. Drumb hier, weil meine Sinnen,
Und diese schwache Hand nicht höher steigen können,
Hier wil ich bleiben stehn; das höchste Gut allein,
So vor mein Anfang war, sol jetzt mein Ende seyn.
Für dich, Herr, kommen wir, dein armes Volck, getretten,
Mit eyffrigem Gemüth' und feurigen Gebetten,
Du, du, bist unser Hort, du starcker Capitain,
Für dem die Könige der Erden Asche seyn
Und minder noch, als Staub! Wir kommen und erscheinen
Für deiner Majestät, du hast die Noth der deinen
Von allen Zeiten her genädig abgekürtzt
Und ihrer Feinde Macht bestritten und gestürtzt. [...]

Nim auch dich unser an! [...]

Schenck uns deß Glaubens Helm, den Sinn, der allzeit wache
Für dich, für unser Land und für gerechte Sache;
Laß uns der Tyranney frisch unter Augen gehn,
Und, also lange wir den Athem haben, stehn.
Ein Mensch, der dir vertraut, der dir sich hat ergeben,
Was kan er weniger verlieren, als sein Leben?
Den Trostspruch wirff uns zu, wann wir im Streiten sind
Und Geist und Blut zugleich uns auß dem Leibe rinnt. [...]

Diß thu, o höchster Gott, umb deines Sohnes willen,
Deß Mittlers dieser Welt, der deinen Zorn zu stillen
Vor uns gelitten hat das letzte Theil der Zeit,
Jetzt lebet und regiert mit dir in Ewigkeit.

(Quelle: Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 270-323, zeno.org, - gemeinfrei)

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Kurzbiografie zu Martin Opitz : Stationen eines Gelehrtendichters in unsicheren Zeiten
Barock (1600-1720)
Lyrik des Barock

 ▪ Dreißigjähriger Krieg (1618-1648)
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Bevölkerungsverluste
Alltag zwischen Krieg und Frieden
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Ein Kriegsbericht, 1638
Klagen der Pommerschen Gesandten
Tod und Überleben im Krieg: Bericht eines Pfarrers, 1636
Die Lage nach dem Krieg

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 23.12.2023

    
   Arbeitsanregungen
  1. Welche Gräuel des Krieges bringt Opitz in seinem Gedicht zur Sprache?
  2. Inwiefern handelt es sich dennoch um ein Trostgedicht, das sich an der christlichen Heilsgewissheit, der Gnade Gottes und der Aussicht auf das ewige Leben orientiert?
  3. Vergleichen Sie die Darstellung des Krieges in den "Trostgedichten" von ▪ Martin Opitz (1597-1639) mit der von ▪ Jakob Christoph (Christoffel) von Grimmelshausens (1622-1676)Simplicissmus Teutsch (1668)", h: ▪ (Simplicius' Residenz wird ausgeplündert, Niemand ist, der die Soldaten verhindert. (1. Buch, 4. Kapitel)
  4. Hat sich Ihrer Ansicht nach das "Gesicht des Krieges" heute im Vergleich zu dem in diesen Texten dargestellten verändert?
  5. Was könnte heute angesichts von Kriegen den Menschen Trost spenden?
 
 
 

 
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