▪ Martin Opitz -
ein Gelehrtendichter mit sozialen Aufstiegsambitionen
»Martin
Opitz (1597-1639)
war einer der bedeutendsten Dichter und humanistischer Theoretiker des
Barock. Unter dem Begriff
»Schlesische
Dichterschule
wurden von der Literaturgeschichtsschreibung dabei erschiedene Autoren zusammenfasst, die in seiner
stilistischen
Nachfolge
stehen. Opitz gilt als wichtigster Vertreter der neuen Kunstdichtung, mit
der vorwiegend protestantische Humanisten auf der Grundlage einer Sprach-
und Literaturreform in klarer Abgrenzung z. B. zum ▪
Meistergesang u. ä. in der frühen Neuzeit
"die deutsche Sprache im humanistische(n) Sinne
literaturtauglich" (Meid
2008, S.5) machen wollten.
Martin Opitz wurde am 23.
Dezember 1597 in »Bunzlau/Bober,
das zum »Herzogtum
Schweidnitz-Jauer gehörte, als Sohn eines Metzgers und Ratsherrn in
mittleren, aber insgesamt bescheidenen bürgerlichen Verhältnissen geboren.
In seiner Heimatstadt besuchte er ab 1605 die »Lateinschule,
seit dem Mittelalter eine höhere Schule, die über den Unterricht der
Elementarschulen, auch "teutschen Schulen“, hinausgeht und aus denen später
häufig die Gymnasien hervorgehen. Zu den Lateinschulen haben lange Zeit nur
Jungen Zugang, von denen im Allgemeinen nur verlangt wurde, dass sie
einigermaßen lesen konnten. Trotzdem stand der Besuch einer Lateinschule
nicht allen Schichten der (städtischen) Bevölkerung offen. Wer arm war,
blieb außen vor, und musste sich, wenn überhaupt mit einer gewissen
Grundbildung in einem in sich geschlossenen System (vgl.
Wehler Bd. I, 1987, S.288) und mit dem Besuch einer Elementarschule
begnügen, der keine weiteren Bildungshorizonte und davon abhängende soziale
Aufstiegschancen eröffnete. Wer hingegen Lateinkenntnisse erwerben konnte, und auch die Möglichkeit besaß,
elaborierte Lese- wie auch Sprechfähigkeiten zu lernen, erwarb damit
eine höhere Bildung, die auch soziale Aufstiegschancen eröffnen konnte. Da
Latein zudem lange Zeit "Amtssprache" bleibt, wird auch der Unterricht
gehobener Art nur in lateinischer Sprache abgehalten. Lateinkenntnisse
verschaffen damit auch Zugang zu Berufen, die dem Bildungsbürgertum
vorbehalten sind.
Literarisch interessierte
und gelehrte Gönner in
»Breslau
ermöglichten Martin Opitz mit einem Stupendium 1614/15 den Besuch des
Magdaleneums, des späteren
»Maria-Magdalenen-Gymnasiums in
dem etwa 100 km entfernten schlesischen Breslau, einem der literarischen
Zentren der frühen Neuzeit und als eine der größten Städte in Deutschland
seiner Zeit mit ca. 20.000 Einwohnerinnen* (vgl.
Schulz 2014,
S. 553).
2017 wechselte er für ca. ein Jahr an das Gymnasium von Beuthen, einem Ort
in der Nähe von Kattowitz ca. 150 km südöstlich von Breslau und besuchte das
"Schönaichianum",
das nach ihrem Stifter
»Georg
von Schönaich (1557-1619) benannten Gymnasium. Es wurde wohl zur
"entscheidenden, sein Leben prägenden Bildungsinstitution"
(Garber 2014,
S.290), zumal es
als "eine Pflanzstätte modernster Konzepte"
(ebd., S.287)
galt, während der Zeit als Opitz das Gymnasium besuchte.
In dieser Zeit kam er wohl erstmals mit Auffassungen in Berührung, die
Deutsch als Amtssprache weiterentwickeln wollten. Davon wohl übernahm er den
Anspruch, auch Deutsch als eine Literatursprache so weiterzuentwickeln, dass
es auch die Grundlage gehobener Literatur werden konnte und das Stigma einer
"barbarischen Sprache", das ihr die italienischen Humanisten angeheftet
hatten, abstreifen konnte. (vgl.
Meid
2008, S.3)
Was er in Beuten hörte,
gab ihm wohl die entscheidenden Anstöße für seinen sprachliches und
literarisches Reformprojekt, die er 1617 in einer dort erschienenen und als Rede in
(noch) in lateinischer Sprache
abgefassten Schrift (Aristarchus
sive de contemptu linguae Teutonicae)
programmatisch darstellte.
Für kurze Zeit wechselte er dann an die
»Viadrina,
die brandenburgische Universität in Frankfurt an der Oder, um sich
juristischen Studien zu widmen, ging aber dann, als ihn ein Ruf an die
dortige kurpfälzische Universität im Heidelberg erreichte, in das
reformierte Heidelberg, das zu dieser Zeit ca. 6.000 Einwohnerinnen
zählte. Dort verbrachte er die "einschneidenste Zeit seines Lebens" (Garber
2014, S.289) und studierte Philosophie und Jura und arbeitete als
Hauslehrer eines kurpfälzischen Beamten.
Die Jahre 1619 bis 1621 führten Martin Opitz auf der
Flucht vor dem
▪
Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), der auch Heidelberg erreichte, nach
Holland und bestritt seinen Lebensunterhalt dort ebenfalls aus Hauslehrer.
1622 reiste er in das dänische
»Jütland.
Dort entstanden seine
▪
Trostgedichte in Widerwertigkeit deß Kriegs,
die allerdings erst 13 Jahre später veröffentlicht wurden. In diesem
etwa 600 Verse umfassenden Lehrgedicht ist, ganz im Gegensatz zu
seinen anderen Werken, die "vom politischen Tagesgeschäft im engeren
Sinne oft weit entfernt sind"
(Jaumann
2002, S.203)
"ein durchaus politisches Engagement"
(ebd.)
zu erkennen: "Es enthält drastische Beschreibungen der Kriegsgräuel, die
Täter werden beim Namen genannt und die Unterdrückung der Gewissensfreiheit
wird an den Pranger gestellt."
(ebd.)
Kein Wunder angesichts seiner Lage, dass er das Werk, in dem er sich
"ausdrücklich an die Seite der Protestanten (stellt) und (...) an den
siegreichen Kampf der Niederländer gegen die spanische Despotie der
Habsburger (erinnert)"
(ebd.),
erst dreizehn Jahre später in Druck gibt, als
der katholische Graf
von Dohna, für den Opitz, nach seinem
Jütland-Aufenthalt tätig war 1632 aus Schlesien vertrieben und ein
Jahr später gestorben war.
Von Jütland aus folgte Opitz
einer Einladung des
»Siebenbürgischen
Fürsten »Gábor
Bethlen
(1580-1629), dem Anführer von
anti-habsburgischen Aufständen im »Königreich
Ungarn auf
dem Gebiet der heutigen Slowakei
zwischen 1619 und 1626 während des »Dreißigjährigen
Krieges
(1618-1648)
und zog nach nach »Weißenburg
(Alba Iulia) in »Siebenbürgen,
einer Region im heutigen Rumänien. An der von
dem Fürsten gegründeten protestantischen Akademie lehrte er Philosophie und »schöne
Wissenschaften.
Von Heimweh getrieben, kehrte er 1623
als weitgereister und inzwischen berühmter Dichter und Theoretiker in seine
»schlesische
Heimat nach Breslau zurück.
Schon ein Jahr später avancierte er zum
»Hofrat
des Herzogs Georg
Rudolf von Liegnitz
(1595-1653),
der als großer Förderer von Musik und Literatur bekannt war und schon
im jugendlichen Alter die nach ihm benannte »Liegnitzer
"Bibliotheka Rudolfiana" gegründet hatte, die er selbst mit zahlreichen
Büchern von seiner 1614 unternommenen »Bildungsreise
(Grand Tour) (überwiegend Literatur aus den Bereichen Theologie, Medizin
und Musik) bestückte. Wie später Martin Opitz (1629) auch, war Georg Rudolf
unter der Bezeichnung "Der Wunderbare" seit 1622 Mitglied
Mitglied der
»Fruchtbringenden
Gesellschaft,
der wohl bedeutendsten
Sprachgesellschaft
der Zeit, die sich u. a. der Pflege der deutschen
Sprache widmeten.
1624 erscheint sein Hauptwerk
das »Buch
von der Deutschen Poeterey
in Breslau, 1625 die drei Bände der weltlichen und geistlichen
»Poemata.
Im gleichen Jahr erhielt er
von Kaiser
»Ferdinand
II. (1578-1637) eigenhändig die
»Dichterkrone
und wird damit zum Poeta Laureatus (lat. für "lorbeergekrönter Dichter“)
gekrönt, eine Anerkennung und Verpflichtung zugleich, die allerdings nur in
dieser Zeit aus verschiedenen Gründen nur noch Wenigen zuteil wurde. Die
Tradition solcher humanistischer Dichterkrönungen, durch die den so
Ausgezeichneten dauerhafter Ruhm zugesprochen werden sollte existierte schon
seit 1487 als
Kaiser Maximilian I.(1459-1519) die erste Dichterkrönung vornahm. 1627
wird er nobilitiert und kann in seinem Adelstitel den Beinahmen
von Boberfeld führen.
1626 lässt sich Martin Opitz, der selbst Protestant war, zum
Sekretär des Grafen »Karl
Hannibal von Dohna (1588-1633), der nach seinem Übertritt zur
katholischen Kirche sich durch seine besonders unerbittliche Verfolgung von
Protestanten hervortat, Opitz aber völlige Glaubensfreiheit gewährte.
In der Hoffnung seine Anerkennung als Dichter einerseits, aber auch um
die seit der italienischen Renaissance entstandene Theorie vom so genannten
geistigen Adel (nobilitas litterraria), die einen privilegierten Platz in
der Hierarchie der Ständegesellschaft (vgl.
Meid
2008, S.9) begründen sollte, machte Opitz immer wieder Anstrengungen, um
in der »Köthener
»Fruchtbringenden
Gesellschaft
Mitglied zu werden. Die Sprachgesellschaft war eigentlich eine Gründung von
»Angehörigen
des protestantischen Hochadels und blieb dies auch weitgehend. Sie
verfolgte u. a. eine Art "nationalen Tugendprogramms"
(Meid
2008, S.12)
bei ihrer Pflege der deutschen Sprache, sorgte aber auch für Anregungen zur
Literaturproduktion. Dieser Vereinigung konnte man nicht einfach beitreten,
sondern wurde auf Fürsprache anderer Mitglieder aufgenommen. Aber aller
Bemühungen zum Trotz wurde Opitz erst 1629, u. a. auch aufgrund
von Einwänden wegen seiner Tätigkeit als (selbst protestantischem) Sekretär
des berüchtigten Protestantenverfolgers von Dohna,
mit dem in der Gesellschaft üblichen
Gesellschaftsnamen der
Gekrönte
aufgenommen. Er erhielt das Motto mit
Diesem
und als
Emblem
ein Lorbeerbaum mit breiten Blättern (Laurus
nobilis L.).
1630
reiste er im Auftrag des Grafen Dohna nach Paris,
wo er die Bekanntschaft von des niederländischen Philosophen und frühen
Aufklärers »Hugo
Grotius (1583-1645) machte und dessen "Über
die Wahrheit der christlichen Religion" (1631) er in deutsche Verse
fasste.
Als
der Graf
von Dohna, für den Opitz, wie erwähnt als
Sekretär tätig war,1632 aus Schlesien vertrieben und ein Jahr später
verstorben war, 1634 trat Opitz in den
Dienst der schlesischen protestantischen Herzöge von Brieg und
Liegnitz, von denen sich vor allem er Herzog »Johann
Christian von Brieg als sein Gönner verstand. Nach dem »Frieden
von Prag war dieser zusammen mit seinem Bruder Georg Rudolf nach »Thorn geflohen
war, wohin ihnen Opitz folgte und sich in »Danzig niederließ.
Dort hatte er rege Kontakte zu
den bedeutenden Dichtern des Barock »Andreas Gryphius (1616-1664)
und »Christian
Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679) die dort das »Akademische
Gymnasium besuchten.
1636 trat Opitz
als Sekretär und polnischer »Hofhistoriograph in den Dienst von König »Władysław
IV. Wasa (1595-1648)
von Polen.
Am 20. August 1639 starb Martin Opitz im Alter von 41 Jahren
infolge der in Danzig wütenden ▪
Pest.
(vgl. u. a. auch verschiedene Wikipedia-Einträge, vor allem zur Seite
"Martin Opitz". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 8.
Juli 2021, 14:45 UTC.
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Martin_Opitz&oldid=213675995,
abgerufen: 12. Juli 2021
▪ Martin Opitz -
ein Gelehrtendichter mit sozialen Aufstiegsambitionen
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.12.2023