Erklärtes
Ziel von Martin
Opitz (1597-1639)
war es die deutsche Sprache "die deutsche Sprache im humanistische(n) Sinne
literaturtauglich" (Meid
2008, S.5)
zu machen.
Dazu musste sie die ihr von Gelehrten im In- und Ausland immer wieder
angehefteten Urteile, sie ▪
klinge
"barbarisch" und sei ein regelloses Durcheinander, loswerden, um den
"Anschluss an die Elitenkultur des gemeineuropäischen gelehrten
Späthumanismus" (Jaumann
2002, S.200) möglich zu machen, der ▪
in Italien und andernorts schon zu einer humanistisch fundierten
volkssprachlichen Dichtung geführt hatte.
Als besonders geeignetes Terrain erschien Opitz und seinen Anhängern dabei
die Lyrik, auf deren volkssprachliche Werke in Deutschland mit ihrem
holprigen Knittelvers
sie nur mit Verachtung herabsahen, während sie den Leistungen der Italiener,
allen voran denen von »Francesco
Petrarca (1304-1374), größte Bewunderung entgegenbrachten.
Was dessen Werke von denen der volkssprachlichen ▪
Meistersinger
und anderen "poetisch dilettierenden Theologen und Lehrern" (Wels
2018, S.37f.) unterschied, sprang den Humanisten ins Auge: andere Themen und Motive,
ein anderer Klang, andere Reim- und Strophenformen, insgesamt eine
Formenvielfalt mit höchstem künstlerischen Anspruch gestaltet, alles
grundlegend anders als in den von "dichterischer Rückständigkeit und
Stümperei" (Meid
1982, S.11) ohne jede Sensibilität für eine kunstvolle stilistische
Komposition geprägten Dichtungen der "geistlose(n) Vielschreiber" (ebd.,
S.10) der später sogenannten "Volkspoesie".
Wenn es gelang, die Formen
und die metrischen Strukturen des italienischen Vorbilds in deutsche Sprache
so zu übertragen, dass sie als gleichrangig betrachtet werden konnten,
schien das erste Ziel derer erfüllt, die, wie beispielhaft Martin Opitz,
sehr pragmatisch, aber auch ▪
mit viel
strategischem und taktischem Geschick (vgl.
Jaumann 2002,
S.197) in scharfer Abgrenzung zu der "kunstlosen" "Literatur von unten", ▪
mit verschiedenen Strategien eine neue ▪ "Kunstdichtung"
in der deutschen Sprache entgegenstellen wollten und sich vor allem gegen
die bis dahin rundum dominierende ▪
neulateinische Gelehrtendichtung behaupten mussten.
Von der quantifizierenden Metrik der Antike zur qualifizierenden
bzw. akzentuierenden Metrik
Lange Zeit war die
antike Quantitätenmetrik mit ihrer Prosodie
und Versifkation das Maß aller Dinge für
eine anspruchsvolle lyrische Gestaltung.
-
Unter
Prosodie wird
dabei der Bereich der wissenschaftlichen Verslehre, der
Metrik,
verstanden, die mit dem sprachlichen Material zu tun hat, aus
dem die Verse gemacht sind, also z. B. lange und kurze Silben
sowie der
Akzent. Sprachwissenschaftlich handelt es dabei um
sogenannte
suprasegmentale Merkmale,
welche die anderen sprachlichen Merkmale überlagern.
-
Bei der
Versifikation geht es dagegen darum, wie das Material in einem
Gedicht angeordnet ist, als um Dinge wie
Versfüße,
Versmaße,
Versarten oder Strophen- und Gedichtformen.
Das metrische
System der Griechen und Römer, das die Verse streng nach Silben
zählt, auf deren Grundlage Zäsuren einfügt und die Verse endgereimt
werden, ist daher
eine quantifizierende Metrik
bzw. Quantitätenmetrik. (vgl.
Elit 2008, S.71)
Opitz, für den
feststand, dass sich auf der poetologischen und rhetorischen Basis
der bis ins Mittelalter zurückgehenden metrischen Formen das Ziel
der Literaturfähigkeit der deutschen Sprache auf international
konkurrenzfähigem Niveau nicht erreichen ließ, forderte entschieden
die Abkehr von diesen Traditionen. Stattdessen sollte sich die
Metrik, soweit es für das Deutsche passte, grundsätzlich an dem
antiken Vorbild orientieren und damit z. B. den
Knittelvers,
der im 16. Jahrhundert vor allem in der erzählenden und dramatischen
Dichtung vor allem auch in der kleinepischen Sprechspruchdichtung
und in
▪
Fastnachtsspielen von »Hans
Sachs (1494–1576)
populär war, hinter sich lassen.
Dies konnte seiner
Auffassung nach nur dadurch geschehen, das sich für die Volkssprache
taugliche Metrik dem
prosodischen Merkmal des "natürlichen" Wortakzents folgt, wie er auch im
Alltag gesprochen wird (Prosaakzent). Dieses
Betonungsgesetz konnte die antike Quantitätenmetrik (vgl.
Elit 2008, S.71) mit ihren quantifzierenden (auch:
quantitierenden) Verfahren ablösen, wonach die Silben der Wörter
eine bestimmte Länge haben und deren kunstvolle Anordnung die
metrische Struktur eines Gedichtes festlegt.
Zugleich will Opitz, mit allerdings
nur kurzfristigem Erfolg, die deutsche Versdichtung grundsätzlich auf die so
genannte Alternationsregel
festlegen, wonach die
Verse stets im Wechsel von
Jambus und
Trochäus geformt sein müssen.
Schon Buchner, ein Freund von Opitz, wendet
sich dagegen, dass stets nur eine
Senkung einer
Hebung vorausgehen oder folgen darf, zumal die deutsche Sprache eben
auch häufig zwei Senkungen aufweist. Seine Einführung des
Daktylus und des
Anapästs in die deutsche Metrik komplettiert schließlich die vier
Versfüße der deutschen Metrik, die den
Knittelvers, den
Blankvers und auch antike und moderne freie Versformen kennzeichnen.
(vgl. Bautz in:
Biographisch-Blibliographisches Kirchenlexikon, Bd. I, Sp. 792)
Imitatio und Übersetzungen
In den poetologischen
Regelwerken (Poetiken) wird,
orientiert an der antiken Stillehre, vorgeschrieben,
welche Stilhöhe den verschiedenen Ständen der
ständisch gegliederten Gesellschaft angemessen ist.
-
Der
hohe Stil sollmit dem
Alexandriner als bevorzugtem Versmaß vornehmlich geistlich-biblischer
Thematik (z.B. im Lobgedicht) und der Hof-Repräsentation vorbehalten sein.
-
Der
mittlere Stil mit den
Gedichtformen
Sonett,
Ode,
Elegie,
Gelegenheitsgedicht u. a.
ist für höfische und galante Themen sowie den bürgerlich-gelehrten Bereich vorgesehen.
-
Der
niedere Stil wird schließlich sozial-ständisch den Bauern, Hirten
und Bedienten zugeordnet und bleibt für jede x-beliebige
Gelegenheitsthematik, die in
Epigrammen, Satiren und
Parodien gestaltet wird.
Soweit zumindest die Theorie. In Wirklichkeit
sind Mischformen durchaus üblich. (vgl. (Braak 1979, Teil IIb,
S.43)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.12.2023
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