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Literaturepoche Barock (1600 - 1720)

Didaktische und methodische Aspekte


FAChbereich Deutsch
Glossar
Literatur Autorinnen und Autoren Literarische Gattungen Literaturgeschichte Didaktische und methodische Aspekte Überblick Literatur auf dem Weg in die Moderne Literaturepochen Überblick Epochenüberblick Literatur des Mittelalters (ca. 750-1500) Frühe Neuzeit, Renaissance und Humanismus (1300-1600 [ Barock (1600-1720) Didaktische und methodische Aspekte ÜberblickAnnäherungen: Spuren, Zeugnisse und Zugänge zu einer fremden Welt Historischer HintergrundWichtige AutorenDie Literaturreform von Martin Opitz Barocklyrik EmblemeBarockdrama und Barocktheater Barockroman und  andere Erzähltexte Literarische und nicht-literarische Zweckformen (Briefe, Lehrbücher, Predigten, Konversationsliteratur...) Textauswahl Bausteine ▪ Häufig gestellte Fragen (FAQs) Links ins Internet ] Aufklärung (1720-1785) Empfindsamkeit (1740-1780) Sturm und Dang (1760-1785) Weimarer Klassik (1786-1805) Jakobinismus (1789-1796) ▪ Romantik (1793-1835) Biedermeier (1820-1850) Das junge Deutschland und die politische Dichtung des Vormärz(1830-1850) Realismus (1850-1890) Naturalismus (1880 - 1910) Gegenströmungen zum Naturalismus (1890-1930) Expressionismus (1910-1925) Literatur der Weimarer Republik (1918-1933) Deutsche Exilliteratur (1933-1945) ▪ Literatur nach 1945 Literatur nach 1989 Literatur im 21. Jahrhundert Motive der Literatur Grundlagen der Textanalyse und Interpretation Literaturunterricht Schreibformen  Operatoren im Fach Deutsch

 

Fremdheitserfahrungen thematisieren
Vanitas-Lyrik: Didaktische und methodische Aspekte

Die ▪ Literaturepoche des ▪ Barock bietet trotz ihrer auf den ersten Blick so weit entrückten Zeit besonders reizvolle didaktische Möglichkeiten für die Arbeit im Literaturunterricht. Allerdings muss man auch sehen, "dass sich die Barockzeit durch eine große Fremdartigkeit ihrer Texte und Denkweisen auszeichnet" (Niefanger 32012, S.1).

Die Literaturdidaktik wird bei der erforderlichen didaktischen Reduktion daher auch stets bemüht sein, jene Aspekte, die Poetik, Rhetorik, Politik und Philosophie der Barockzeit betreffen, mit großer Sorgfalt und Bereitschaft zu umfangreichen Hilfestellungen mit Hilfe von Übersichten. Übersetzungen und Worterklärungen zu geben, um unnötige Verständnisbarrieren abzubauen und eine Vielfalt von Zugängen zu den Texten und den Besonderheiten der Epoche zu ermöglichen.

Erfahrungen kognitiver Dissonanz berücksichtigen

Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass den Schülerinnen und Schülern barocke Texte, die barocke Gesellschaft, und das barocke Lebensgefühl, um nur wenige Aspekte zu nennen, fremd und in vielem unverständlich vorkommen. Sie können daher oft mit der von solchen Texten ausgelösten »kognitiven Dissonanz, d. h. die Erfahrung, dass das, was man gelesen hat, einfach nicht so kognitiv zu verarbeiten ist, wie man das gewohnt ist, nicht ohne Hilfe umgehen. Um Frustrationen zu vermeiden und die Motivation und volitionale Bereitschaft, sich auf das Fremdartige einzulassen, zu stärken, muss der Literaturunterricht der Tatsache bewusst sein, dass den Schülerinnen* im Umgang mit den literarischen Zeugnissen des Barock im Allgemeinen die bewährten Muster fehlen, mit denen sie dem Gelesenem Bedeutung bzw. Sinn zuschreiben.

Dazu sollten die ▪ Fremdheitserfahrungen thematisiert werden, die von Schülerinnen gemacht werden und zur "Spurensuche" genutzt werden, um zu einem vertieften Textverständnis zu gelangen. Dabei muss auch reflektiert werden, welche Form von Fremdheitserfahrung die Grundlage der kognitiven Dissonanz darstellt.

Bei Texten aus dem Barock dürften vor allem die ▪ alltägliche und die ▪strukturelle Fremdheit von Bedeutung sind.

  • Alltägliche Fremdheit erlebt man beim Lesen eines Textes, wenn man spürt, dass man Wissenslücken hat, von denen man aber zugleich weiß, wie man sie z.B. durch den Einsatz von Lexika oder mit Hilfe des Internets schließen kann.
    Bei einem fiktionalen oder nicht-fiktionalen Text aus dem Barock kann es dabei um Dinge gehen wie die Bedeutung und Lokalisierung geografischer Angaben, um historische Bezüge und Fakten und um die Namen von Figuren u. ä. m., die in den Texten vorkommen.
    Wird die Wissenslücke z. B. bei einem fiktionalen Text geschlossen, werden durch den Lernzuwachs über die dargebotene fiktionale Wirklichkeit auch neue Bezüge möglich, die zu einer möglichen Rekontextualisierung des Textes in seinen "ursprünglichen" Zeitbezügen bzw. Kontexten beitragen kann. (vgl. Leskovec 2010, S. 240)

  • Strukturelle Fremdheit gründet, so Leskovec (2010, S.241) im Anschluss an Waldenfels (1999, S.91), "auf der Scheidung in 'Heimwelt' und 'Fremdwelt'. Was einem fremd erscheint, steht dabei "außerhalb der eigenen Ordnung" (ebd. S.241).
    Das unterscheidet sie auch von der alltäglichen Fremdheit, die "innerhalb der eigenen Wirklichkeitsordnung (verbleibt)" und deren "Lücken" so geschlossen werden können, dass das Fremde in die eigenen Schemata des Denkens und Fühlens integriert werden können.
    Was einem hingegen strukturell fremd ist, kann man sich nicht mit dem Rückgriff auf gespeicherte "Wahrnehmungsgestalten und Handlungssituationen" (Waldenfels (1999, S.91, zit. n. ebd.), auf Schemata aller Art, anverwandeln und damit ohne weiteres in seine vorhandenen Schemata einpassen.
    Entsteht dieses Gefühl im Umgang mit Literatur, so resultiert dort genauso wie in anderen Zusammenhängen, Unsicherheit, weil die Sinnfindung erschwert ist.

    • Dazu kommt noch, dass man  das Gefühl struktureller Fremdheit oft gar nicht so leicht artikulieren und dann darüber kommunizieren kann.

    • Statt diese Fremdheitserfahrung also zu thematisieren, geht man den daraus resultierenden Irritationen und Blockaden lieber dadurch aus dem Weg, dass man eine Abwehrhaltung einnimmt, die von der totalen Ablehnung so "doofer" "schräger", ja "sinnloser" Texte bis hin zu der vehementen Abwehr so "negativer" und "irgendwie bedrückender" Geschichten reicht. Alles letztlich nichts anderes als eine "kognitive Distanzierung",  weil wir Fremdheit dem zuschreiben, "was die Erwartungen auf einen vertrauten Verlauf der Dinge enttäuscht." ( Waldenfels 1999, S.91, zit. n. ebd.)

Die gute Nachricht: Wer im Umgang mit literarischen Texten häufiger Erfahrungen mit struktureller Fremdheit macht, kann dies, sofern die nötige Bereitschaft dafür vorhanden ist, durch Lernen und Umgewöhnung ändern. (vgl. Waldenfels (1999, S.92, zit. n. ebd.)

Dazu gehört aber in jedem Fall, dass man die Tatsache, dass ein fiktionaler Text strukturelle Fremdheit erzeugen kann (vgl. Jahraus 2004, S.21) zunächst einmal akzeptiert, ohne die davon ausgelösten Irritationen prinzipiell abzuwehren. Wer bereit ist, sich intensiver mit dem Text selbst auseinanderzusetzen und ggf. zusätzliche Informationen zum Text recherchiert und heranzieht, kann seine Spurensuche am Ende vielleicht mit neuen, vertiefteren Erkenntnissen über den Text und seine Bedeutung und positiven Gefühlen beenden. Aber auch die Spurensuche braucht Frustrationstoleranz: Gerade ▪ moderne Parabeln verweigern sich häufig allen Formen von Sinngebung und sorgen damit dafür, dass "sich strukturell Fremdes" aller möglichen Kontextualisierungsbemühungen zum Trotz "nur bedingt auflösen lässt." (Šlibar 2005, S.82, zit. n. Leskovec (2010)

Im Übrigen kann die fehlende Bearbeitung von Fremdheitserfahrungen bei einer produktorientierten, individuell anzufertigenden Textinterpretation auch zu  Schreibschwierigkeiten und Schreibstörungen im Schreibprozess führen, denen bei der Bewältigung von Leistungsaufgaben im Leistungsraum von den Schülerinnen und Schülern auch mit den herkömmlichen Gegenstrategien nicht so ohne Weiteres beizukommen sein dürfte.

Die Spurensuche kann damit beginnen, sich damit zu befassen, was und warum etwas den Text, mit dem man es zu tun hat, so fremd erscheinen lässt. Dazu gilt es Inhalte und Strukturen der Fremdheit zu thematisieren, die vom Text evoziert werden. (vgl. Waldenfels 1998, vgl. Leskovec 2010. S.240)

Die Literaturdidaktik wird bei der erforderlichen didaktischen Reduktion daher auch stets bemüht sein, jene Aspekte, die Poetik, Rhetorik, Politik und Philosophie der Barockzeit betreffen, mit großer Sorgfalt und Bereitschaft zu umfangreichen Hilfestellungen mit Hilfe von Übersichten. Übersetzungen und Worterklärungen zu geben, um unnötige Verständnisbarrieren abzubauen und eine Vielfalt von Zugängen zu den Texten und den Besonderheiten der Epoche zu ermöglichen.

Fremdheitserfahrungen thematisieren
Vanitas-Lyrik: Didaktische und methodische Aspekte

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 23.12.2023

 
 

 
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