Euer
Beifall macht mich freier,
Mädchen, hört ein neues Lied.
Doch
verzeiht, wenn meine Leier
Nicht
von jenem heil'gen Feuer
Der
geweihten Dichter glüht.
5
Hört
von mir, was wenig wissen,
Hört's, und denket nach dabei:
Dass,
wenn zwei sich zärtlich küssen,
Gern
sich sehn und ungern missen,
Es
nicht stets aus Liebe sei.
10
Lyde
brannt von einem Blicke
Für
Aminen, er für sie;
Doch
ein widriges Geschicke
Hinderte noch beider Glücke,
Ihre
Eltern schliefen nie.
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Wachsamkeit wird euch nichts taugen,
Wenn
die Töchter unser sind;
Eltern, habet hundert Augen,
Mädchen, wenn sie List gebrauchen,
Machen hundert Augen blind.
20
Listig hofft sie, eine Stunde
Ihre
Wächter los zu sein.
Endlich kommt die Schäferstunde,
Und
von ihrem heißen Munde
Saugt Amin die Wollust ein.
25
So
genoss, entfernt vom Neide,
Er
noch manchen süßen Kuss.
Doch
er ward so vieler Beute
Überdrüssig. Jede Freude
Endigt sich mit dem Genuss.
30
Ist wohl bei des Blutes
Wallen,
Denkt
er, immer Liebe da?
Liebt
sie mich denn wohl vor allen?
Oder
hab ich ihr gefallen,
Weil
sie mich am ersten sah?
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Einst
spricht er, dies auszuspüren:
»Ach,
wie quält mein Vater mich!
Fern
soll ich die Herde führen -
Himmel! Dich soll ich verlieren!
Ha,
das Leben eh'r als dich!
40
Liebste, nein, ich komme wieder,
Doch
der beste Freund von mir«
(Hier
sah sie zur Erde nieder)
»Singet angenehme Lieder,
Diesen Freund, den lass ich dir.«
45
Lyde
denkt an keine Tücke,
Weint
und geht es weinend ein.
Ungern flieht Amin sein Glücke,
Listig bleibt der Freund zurücke,
Oft
ist er mit ihr allein.
50
Viel
singt er von Glut und Liebe,
Sie
wird feurig, er wird kühn.
Sie
empfindet neue Triebe,
Und
Gelegenheit macht Diebe.
Endlich - Gute Nacht, Amin.
55
Kinder, seht, da müsst ihr wachen,
Euch
vom Irrtum zu befrein.
Glaubet nie den Schein der Sachen,
Sucht
euch ja gewiss zu machen,
Eh
ihr glaubt, geliebt zu sein.
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