▪
Literarische
Gattungen
▪ Textmusterwissen
▪
Textprozeduren
▪ Funktionstypen (Heinemann/Viehweger 1991)
Wie und nach welchen Kriterien Texte
geordnet und welchen
Textsorten sie
zugeordnet werden hängt vor allem davon ab, "was der jeweils
Ordnende für zweckmäßig und notwendig hält." (Heinemann/Heinemann 2002,
S.159) Immer gibt es also, abhängig von zahlreichen Faktoren (Wissen,
Interessen, Aufgabenstellungen ...) also "unterschiedliche
Zuordnungsmöglichkeiten und Einbettungen ein und desselben Textes in
bestimmte Interaktionszusammenhänge." (ebd.,
S.160)
Dementsprechend gibt es
auch, darüber besteht heute weitgehend Einigkeit, "kein mehr oder minder
verbindliches allgemeines und in sich geschlossenes System", um Texte
und Textsorten zu ordnen, "sondern eine außerordentlich große
Flexibilität und Variabilität der Klassenbildung und des
Miteinander-in-Beziehung-Setzens von Texten" (ebd.,
S.159)
Angesichts dieser
Situation geht es
nicht so sehr um die Typologisierung, sondern eher darum, "eine
bestimmte Teilmenge von Texten – immer mit dem Blick auf bestimmte
Zwecke und die Bezogenheit auf andere Textmengen – überschaubarer zu
machen, weil dann spezielle sprachliche und nichtsprachliche Routinen
zum Tragen kommen, die die Handelnden bei ihren kommunikativen Absichten
entlasten." (ebd.)
Um dies zu erreichen,
-
kann man sich nicht
allein auf textinterne Merkmale stützen, weil sie "über das, was man
mit Texten in der gesellschaftlichen Kommunikation machen kann" (Heinemann/Viehweger
1991, S.146), eigentlich nichts aussagen und damit nicht erklären
können, wie Texte kommunikativ funktionieren.
-
muss man das
Textmusterwissen der an der Kommunikation mit Texten beteiligten
Kommunikationspartner stets zu den Zielen und Strategien in
Verbindung setzen, die beide dabei verfolgen. Allerdings darf dabei
aber auch
das jeweils Textspezifische nicht zu kurz kommen, weil schließlich
auch "unterschiedliche Textstrukturen (aber auch
praktisch-gegenständliche Handlungen zur Erreichung desselben Ziels
geeignet sind." (ebd.)
So kann man das Ziel, ein Auto zu reparieren, durch ein
Telefongespräch mit der Werkstatt, einem Brief an diese oder mit einer
persönlichen Vorsprache bei der Werkstatt (Dienstleistungsgespräch)
verfolgen, oder es, ohne jeden Text, schlicht selbst angehen, wenn man dazu in
der Lage ist. (vgl.
ebd.)
-
ist die
Historizität typischer Textstrukturierungsmuster zu
berücksichtigen, die sich "entsprechend den Veränderungen von
gesellschaftlichen Aufgabenstellungen und Bedürfnissen ändern
können" (ebd.)
und damit dem ▪
gesellschaftlichen Strukturwandel unterworfen sind.
Diesen Prinzipien
versuchen die sogenannten Mehr-Ebenen-Klassifikationen gerecht zu
werden, die davon ausgehen, "dass das Textmusterwissen durch
multidimensionale Zuordnungen von prototypischen Repräsentationen auf
unterschiedlichen Ebenen (Schichten) zustande kommt." (ebd.,
S.147) Die Prototypik von Textsorten, die Praxis also, "Textsorten
als Abstraktion über einer Menge von Textexemplaren aufzufassen" (Gansel/Gansel
2006, S.52) wird dabei herangezogen, um Textsorten bei der
Klassifikation von Texten auf einer unteren Hierarchieebene anzuordnen,
"die prototypentheoretisch als Basisebene zu charakterisieren ist." (ebd.,S.52,
vgl.
Heinemann/Heinemann 2002,
S.144)
Der
Mehr-Ebenen-Ansatz geht davon
aus, dass die Klassifikation von Texten in Texthierarchien
"als Resultate des Zusammenwirkens von Merkmaltypen und
Komponenten mehrerer Typisierungsebenen, als Merkmalbündel, als
'Ensembles' relevanter integrierter Eigenschaften von
Interaktionseinheiten unterschiedlicher Stufe" (Heinemann/Heinemann 2002,
S.159) zu verstehen ist.
Für
▪ Mehrebenen-Modelle kann man folgende Prinzipien als besonders
charakteristisch betrachten:
Typologisierungsebenen
Die Zuordnungen, mit
denen die Kommunikationspartner bestimmte Prototypen von Texten einem
bestimmten Textmuster zuordnen, können nach
Heinemann/Viehweger (1991, S.148-169), auf fünf unterschiedlichen
Typologisierungsebenen erfolgen.
Diese Ebenen sind:
Für größere Ansicht bitte an*klicken*tippen!
Auf der Ebene der
▪ Funktionstypen, bei der es um
die Zuordnung von Texten aufgrund ihrer kommunikativen Funktion im
Rahmen von Interaktionen geht, lassen sich Texte mit vier
Primärfunktionen unterscheiden, zwischen denen es auch fließende
Übergänge gibt. In solchen Fällen gelingt die Abgrenzung nur durch die
Bestimmung einer dominanten Textfunktion.
Die vier kommunikativen
Primärfunktionen sind (vgl.
ebd., S.148-153)
Situationstypen
Auf der Ebene der
Situationstypen geht man bei der Klassifikation von Texten zunächst
einmal von der grundlegenden interaktionalen Tätigkeit aus. Diese
lässt sich auf vielfältige Weise untergliedern.
-
Auf einer
allgemeinen Ebene kann man dabei
interaktionale Rahmentypen
unterscheiden, bei denen man z. B. auf einer mittleren Ebene
gegenständlich-praktische und geistig-theoretische Tätigleiten
unterscheiden kann.
-
Für die
überwiegende Zahl
institutionell geprägter Tätigkeiten, die von
gesellschaftlichen Einrichtungen "zur Lösung spezifischer
Aufgaben der Gesamtgesellschaft", ausgehen, können u. a. die
folgenden Differenzierungen möglich sein (vgl.
ebd., S.155ff.):
Untergliederung nach der sozialen Organisation der Tätigkeit und
des dafür jeweils charakteristischen Kommunikationsbereiches
(z. B. materielle Produktion; Handel und Dienstleistungen;
staatliche und kommunale Verwaltung; Rechtswesen; Wissenschaft;
Kultur; Volksbildung; ....) Im Rahmen dieser Bereiche werden
jeweils institutionelle Tätigkeiten mit "mit Handlungen nach
mehr oder minder fest intereriorisierten Handlungsmustern
(Tätigkeitsstandards)" vollzogen, die von der Gesamtgesellschaft
festgelegt sind und "die Individuen als Träger spezifischer
sozialer Rollen erscheinen (lässt)." (ebd.,
S.156)
-
Texte können
auch nach der Anzahl der an der Kommunikation Beteiligten
unterschieden werden (z. B. 2 Partner, Kleingruppe, Großgruppe)
-
Werden die
sozialen Rollen der Interagierenden für die funktionale
Textklassifikation spielt das Kriterium des sozialen Status oder
Ranges d.,
-
Auch die
Wahrnehmungssituation oder Umgebungssituation kann zur
Unterscheidung von Textklassen herangezogen werden. So macht es
unter diesem Aspekt natürlich einen Unterschied, ob eine
Kommunikation Face-to-face auf gesprochener oder als sogenannte
"Aufzeichnungskommunikation" auf geschriebener Kommunikation
basiert. (vgl.
ebd., S.157f.)
Verfahrenstypen
Texte können auch
durch die besonderen Verfahren klassifiziert werden, die
Textproduzenten und -rezipienten verwenden müssen, um erfolgreich
kommunizieren zu können. Grundlegend für die Textproduktion und
Textrezeption sind dabei spezielle strategische Konzepte. Sie
beruhen auf entsprechenden Erfahrungen und Wissen
(Strategiewissen), "welche Verfahren in der Verbindung mit
bestimmten globalen Mustern sich in bestimmten Situationen als
erfolgreich erweisen haben."
(ebd., S.158) Die Verfahrensentscheidungen, die dabei jeder
Textproduzent für sein Vorgehen bei der Textstrukturierung fällt und
in seiner Strategie "als das Resultat einer Kette von – in der Regel
bewusst ablaufenden – Auswahl- und Entscheidungsoperationen"
(ebd., S.214) gebündelt sind, können sich dabei in einer großen
Zahl von "Prozeduren bei der Interaktionsabwicklung"
(ebd., S.159) zeigen.
Drei dieser
Verfahrensentscheidungen, welche die Basis der
Strukturierungsentscheidungen des Textproduzenten sind:
-
Textentfaltungsprozesse,
die sich auf "das Was der Informationsmenge"
(ebd.) beziehen. Hier gilt es nämlich zu entscheiden, ob ein
bestimmtes Thema überhaupt entfaltet werden soll und damit auch
über die entsprechende Informationsmenge. Solche
Textentfaltungsprozesse sind z. B. die Spezifizierung des
Textthemas, Begründungen für den Sachverhalt, der im Textthema
ausgedrückt wird, Erklärungen dafür oder auch Schaubilder und
andere Schemata.
-
Strategische
Verfahrensschritte beziehen sich auf das "Wie der
INFORMATIONs-Vermittlung
bzw. der STEUERUNG"
(ebd.). Hierbei wird entschieden, ob das kommunikative Ziele
mit einfachen oder komplexeren Verfahren (z. B. narrativen,
deskriptiven, argumentativen) Verfahren erreicht werden kann.
-
Taktisch-spezifizierende Einzelverfahren können zum
Einsatz kommen, wenn man die die grundlegende
Verfahrensentscheidung in besonderer Weise spezifizieren will,
in dem man z. B. die Darstellung des Sachverhaltes vereinfacht
oder verkompliziert. Außerdem kann die grundlegende Entscheidung
auch damit verbunden werden, auf andere als rein sachlicher
Ebene auf den Partner dadurch Einfluss zu nehmen, dass man das
eigene Anliegen emotionalisiert, den Partner irgendwie aufwertet
oder auf irgendeine Art und Weise vereinnahmt. (vgl.
ebd.)
Text-Strukturierungstypen
Da die konkrete
Textproduktion auf einer großen Zahl von prinzipiell möglichen
funktionalen, situativen Entscheidungen sowie vom gewählten
Verfahren abhängt, kann auch kein festes Strukturierungsmuster für jede
einzelne, in Frage kommende Textklasse aufgestellt werden. (vgl.
ebd., S.161)
Da die
entsprechende linguistische Betrachtung in hohem Maße formalisiert
ist, beschränken wir uns hier auf Aspekte, die auch im Bereich
von Schreibprozessen in der Schule von Belang sind.
-
Die "kompositorisch-archiktektonischen
Entscheidungen" (ebd.,
S.162), die ein Textproduzent fällt, betreffen die Ab- bzw.
Reihenfolge von Teiltexten in einem umfangreicheren Gesamttext.
Auf globaler Ebene sind dies z. B. die in der Schule beim
Aufsatzschreiben typischen Gliederungsmuster nach Einleitung,
Hauptteil, Schluss. Bei einem ▪
privaten Geschäftsbrief sind dies z. B. die Berücksichtigung
seiner ▪
Elemente der ▪
äußeren Form der Schreibform (▪
Ausgewählte Regeln zur äußeren Form nach der DIN 5008),
aber je nach ▪
Gegenstand bzw. dominierendem Kommunikationsziel (z. B.
▪
Anfrage,
▪
Reklamation (Mängelanzeige),
▪
Kündigung,
▪
Stellungnahme,▪
Anschreiben für eine Bewerbung
...) auch die Entscheidung, wie der komplexe Text in seinen
Textteilen mit ggf. seinen Erklärungen und Begründungen für das
Anliegen seiner Abfolge nach aufgebaut werden soll (z. B. wenn
etwas beantragt oder reklamiert werden soll).
-
Sequenzierungs-
und Konnexionsprozesse betreffen die interne
Strukturierung von Teiltexten bzw. Teiltext-Komplexen in einem
umfangreicheren Text. Im Einzelnen geht es dabei darum, wie die
Informationen (Propositionen) eines Teiltextes bzw.
Textabschnitts miteinander verknüpft werden. Solche
Konnexionstypen sind z. B., die additive (aufzählend-reihende),
die additiv-chronologische, die bewertend-chronologische (evaluativ-chronologische)
oder die implikative Verknüpfung (= wenn a, dann b).
In der Regel lässt sich lediglich der jeweils dominante
Verknüpfungstyp bestimmen. (vgl.
ebd.,
S.163f.)
Prototypische Formulierungsmuster
Auch wenn die
Formulierungsebene allein generell nicht ausreicht, um Textklassen
zu bestimmen (vgl.
ebd.,
S.168), ist ihre Bedeutung für die Textproduktion und Textrezeption
sehr hoch.
Bei aller
prinzipiell vorhandenen Individualität bei der Textgestaltung,
"(aktivieren wir) bei der Erzeugung von Texten
prototypisches Wissen
über Formulierungsmerkmale bestimmter Textklassen" und "(nutzen)
diese auch beim Textverstehen". (ebd.,
S.165) Diesen Gedanken macht sich auch die ▪
textprozedurenorientierte Schreibdidaktik zu eigen.
Für die
Textklassifikation können verschiedene Gemeinsamkeiten und
Unterschiede beim Formulieren genutzt werden.
-
Zunächst sind
dies
textklassenspezifische Kommunikationsmaximen, die im
Zusammenhang stehen mit den anderen Textklassifikationsebenen,
die die Wahl von Formulierungen einschränken, den
Textproduzenten auf eine Auswahl von Formulierungsmustern
festlegen und damit "den Rahmen für charakteristische
Textformulierungen (bilden)" (ebd.,
S.166). Damit ist allerdings nicht die Auffassung verbunden,
dass "Textformulierungen, die aus diesem Rahmen 'herausfallen'"
(ebd.),
in Bezug auf die verfolgten Kommunikationsziele grundsätzlich
als nicht angemessen oder gar ineffektiv anzusehen sind.
-
Textproduzenten
greifen bei der Texterzeugung auf bestimmte
Formulierungsmuster zurück, die als
Formulierungswissen im
Gedächtnis gespeichert sind. Auf diese Weise gelingt es ihm,
quasi automatisch, im Sinne von "'vorgegeben', vorformuliert'
oder 'beispielhaft'" (ebd.),
und vor allem schnell bestimmte Textstrukturierungen adäquat
auszufüllen.
-
Das können
einzelne
Begriffe bzw. Ausdrücke (Lexeme) sind, wenn sie,
auch nur assoziativ, auf die Textklasse verweisen und vom
jeweiligen Partner entsprechend verstanden werden (z. B.
Plädoyer und Urteil für das Rechtswesen, Unterrichtsgespräch
und Notengebung für die Schule)
-
Wichtiger
allerdings sind Formulierungsmuster, die lexikalische
Einheiten und typische syntaktische Konstruktionen
miteinander verknüpfen. Wie dies geschieht und vor allem
auch, wie viele solcher Formulierungsmuster einem
Textproduzenten oder Textrezipienten zur Verfügung stehen,
hängt vom Ausmaß des in Auseinandersetzung mit der sozialen
Umwelt gewonnenenals
Kollokationswissen bezeichneten Wissens ab.
Die Kollokationen können sich dabei auf einen bestimmten
Kommunikationsbereich beziehen. (vgl.
ebd.,
S.167) So stehen Formulierungsmuster wie z. B. Lehrer und
Erzieher, Klassenpflegschaft, Klassenlehrer*in,
Klassensprecher*in auf den Bildungsbereich. Andere
Kollokationen wirken als Indikatoren für bestimmte
Gebrauchstextsorten (z.B. in stillem Gedanken -
Todesanzeige; freudiges Ereignis - Geburt) oder auch für ▪
literarische Textsorten/Gattungen (Es war einmal
- Märchen).
-
Bestimmte
besonders starke Verknüpfungen lexikalischer Einheiten und
typische syntaktischer Konstruktionen miteinander
verknüpfen. haben einen geradezu formelhaften, stereotypen
Charakter und werden in der Regel als Ganzheiten aktiviert
(z. B. Begrüßungsformeln;bestimmte Textanfänge - Ich nehme
Bezug auf Ihr Schreiben vom, oder Textabschlüsse mit
Grußformeln). Sie werden als
stereotype
Textkonstitutive bezeichnet.
-
Vom
Textproduzenten vorwiegend als Orientierungs- und
Gliederungshilfen für den Textrezipienten gedacht, sind
Gliederungssignale als
"Strukturverweisformeln" (ebd.)
"erleichtern nicht nur das Erfassen der Gliederung des
jeweiligen Textes sondern erlaubendarüber hinaus auch
Rückschlüsse auf die Identifizierung bestimmter
Textklassen". (ebd.
▪
Literarische
Gattungen
▪ Textmusterwissen
▪
Textprozeduren
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
|