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Klassifikationsmodelle von Textsorten

Mehr-Ebenen-Klassifikation

Wolfgang Heinemann und Dieter Viehweger (1991)

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Linguistik (Sprachwissenschaft)
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Literarische Gattungen
Textmusterwissen
Textprozeduren

Funktionstypen (Heinemann/Viehweger 1991)

Wie und nach welchen Kriterien Texte geordnet und welchen Textsorten sie zugeordnet werden  hängt vor allem davon ab, "was der jeweils Ordnende für zweckmäßig und notwendig hält." (Heinemann/Heinemann 2002, S.159) Immer gibt es also, abhängig von zahlreichen Faktoren (Wissen, Interessen, Aufgabenstellungen ...) also "unterschiedliche Zuordnungsmöglichkeiten und Einbettungen ein und desselben Textes in bestimmte Interaktionszusammenhänge." (ebd., S.160)

Dementsprechend gibt es auch, darüber besteht heute weitgehend Einigkeit, "kein mehr oder minder verbindliches allgemeines und in sich geschlossenes System", um Texte und Textsorten zu ordnen, "sondern eine außerordentlich große Flexibilität und Variabilität der Klassenbildung und des Miteinander-in-Beziehung-Setzens von Texten" (ebd., S.159)

Angesichts dieser Situation geht es nicht so sehr um die Typologisierung, sondern eher darum, "eine bestimmte Teilmenge von Texten – immer mit dem Blick auf bestimmte Zwecke und die Bezogenheit auf andere Textmengen – überschaubarer zu machen, weil dann spezielle sprachliche und nichtsprachliche Routinen zum Tragen kommen, die die Handelnden bei ihren kommunikativen Absichten entlasten." (ebd.)

Um dies zu erreichen,

  • kann man sich nicht allein auf textinterne Merkmale stützen, weil sie "über das, was man mit Texten in der gesellschaftlichen Kommunikation machen kann" (Heinemann/Viehweger 1991, S.146), eigentlich nichts aussagen und damit nicht erklären können, wie Texte kommunikativ funktionieren.

  • muss man das Textmusterwissen der an der Kommunikation mit Texten beteiligten Kommunikationspartner stets zu den Zielen und Strategien in Verbindung setzen, die beide dabei verfolgen. Allerdings darf dabei aber auch das jeweils Textspezifische nicht zu kurz kommen, weil schließlich auch "unterschiedliche Textstrukturen (aber auch praktisch-gegenständliche Handlungen zur Erreichung desselben Ziels geeignet sind." (ebd.) So kann man das Ziel, ein Auto zu reparieren, durch ein Telefongespräch mit der Werkstatt, einem Brief an diese oder mit einer persönlichen Vorsprache bei der Werkstatt (Dienstleistungsgespräch) verfolgen, oder es, ohne jeden Text, schlicht selbst angehen, wenn man dazu in der Lage ist. (vgl. ebd.)

  • ist die Historizität typischer Textstrukturierungsmuster zu berücksichtigen, die sich "entsprechend den Veränderungen von gesellschaftlichen Aufgabenstellungen und Bedürfnissen ändern können" (ebd.) und damit dem ▪ gesellschaftlichen Strukturwandel unterworfen sind.

Diesen Prinzipien versuchen die sogenannten Mehr-Ebenen-Klassifikationen gerecht zu werden, die davon ausgehen, "dass das Textmusterwissen durch multidimensionale Zuordnungen von prototypischen Repräsentationen auf unterschiedlichen Ebenen (Schichten) zustande kommt." (ebd., S.147) Die Prototypik von Textsorten, die Praxis also, "Textsorten als Abstraktion über einer Menge von Textexemplaren aufzufassen" (Gansel/Gansel 2006, S.52) wird dabei herangezogen, um Textsorten bei der Klassifikation von Texten auf einer unteren Hierarchieebene anzuordnen, "die prototypentheoretisch als Basisebene zu charakterisieren ist." (ebd.,S.52, vgl. Heinemann/Heinemann 2002, S.144)

Der Mehr-Ebenen-Ansatz geht davon aus, dass die Klassifikation von Texten in Texthierarchien  "als Resultate des Zusammenwirkens von Merkmaltypen und Komponenten mehrerer Typisierungsebenen, als Merkmalbündel, als 'Ensembles' relevanter integrierter Eigenschaften von Interaktionseinheiten unterschiedlicher Stufe"  (Heinemann/Heinemann 2002, S.159) zu verstehen ist.

Für ▪ Mehrebenen-Modelle kann man folgende Prinzipien als besonders charakteristisch betrachten:

Typologisierungsebenen

Die Zuordnungen, mit denen die Kommunikationspartner bestimmte Prototypen von Texten einem bestimmten Textmuster zuordnen, können nach Heinemann/Viehweger (1991, S.148-169), auf fünf unterschiedlichen Typologisierungsebenen erfolgen.

Diese Ebenen sind:


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Funktionstypen

Auf der  Ebene der ▪ Funktionstypen, bei der es um die Zuordnung von Texten aufgrund ihrer kommunikativen Funktion im Rahmen von Interaktionen geht, lassen sich Texte mit vier Primärfunktionen unterscheiden, zwischen denen es auch fließende Übergänge gibt. In solchen Fällen gelingt die Abgrenzung nur durch die Bestimmung einer dominanten Textfunktion.

Die vier kommunikativen Primärfunktionen sind  (vgl. ebd., S.148-153)

Situationstypen

Auf der Ebene der Situationstypen geht man bei der Klassifikation von Texten zunächst einmal von der grundlegenden interaktionalen Tätigkeit aus. Diese lässt sich auf vielfältige Weise untergliedern.

  • Auf einer allgemeinen Ebene kann man dabei interaktionale Rahmentypen unterscheiden, bei denen man z. B. auf einer mittleren Ebene gegenständlich-praktische und geistig-theoretische Tätigleiten unterscheiden kann.

  • Für die überwiegende Zahl institutionell geprägter Tätigkeiten, die von gesellschaftlichen Einrichtungen "zur Lösung spezifischer Aufgaben der Gesamtgesellschaft", ausgehen, können u. a. die folgenden Differenzierungen möglich sein (vgl. ebd., S.155ff.):

    Untergliederung nach der sozialen Organisation der Tätigkeit und des dafür jeweils charakteristischen Kommunikationsbereiches  (z. B. materielle Produktion; Handel und Dienstleistungen; staatliche und kommunale Verwaltung; Rechtswesen; Wissenschaft; Kultur; Volksbildung; ....) Im Rahmen dieser Bereiche werden jeweils institutionelle Tätigkeiten mit "mit Handlungen nach mehr oder minder fest intereriorisierten Handlungsmustern (Tätigkeitsstandards)" vollzogen, die von der Gesamtgesellschaft festgelegt sind und "die Individuen als Träger spezifischer sozialer Rollen erscheinen (lässt)."  (ebd., S.156)

  • Texte können auch nach der Anzahl der an der Kommunikation Beteiligten unterschieden werden (z. B. 2 Partner, Kleingruppe, Großgruppe)

  • Werden die sozialen Rollen der Interagierenden für die funktionale Textklassifikation spielt das Kriterium des sozialen Status oder Ranges d.,

  • Auch die Wahrnehmungssituation oder Umgebungssituation kann zur Unterscheidung von Textklassen herangezogen werden. So macht es unter diesem Aspekt natürlich einen Unterschied, ob eine Kommunikation Face-to-face auf gesprochener oder als sogenannte "Aufzeichnungskommunikation" auf geschriebener Kommunikation basiert.  (vgl. ebd., S.157f.)

Verfahrenstypen

Texte können auch durch die besonderen Verfahren klassifiziert werden, die Textproduzenten und -rezipienten verwenden müssen, um erfolgreich kommunizieren zu können. Grundlegend für die Textproduktion und Textrezeption sind dabei spezielle strategische Konzepte. Sie beruhen auf entsprechenden  Erfahrungen und Wissen (Strategiewissen), "welche Verfahren in der Verbindung mit bestimmten globalen Mustern sich in bestimmten Situationen als erfolgreich erweisen haben."  (ebd., S.158) Die Verfahrensentscheidungen, die dabei jeder Textproduzent für sein Vorgehen bei der Textstrukturierung fällt und in seiner Strategie "als das Resultat einer Kette von – in der Regel bewusst ablaufenden – Auswahl- und Entscheidungsoperationen"  (ebd., S.214) gebündelt sind, können sich dabei in einer großen Zahl von "Prozeduren bei der Interaktionsabwicklung" (ebd., S.159) zeigen.

Drei dieser Verfahrensentscheidungen, welche die Basis der Strukturierungsentscheidungen des Textproduzenten sind:

  • Textentfaltungsprozesse, die sich auf "das Was der Informationsmenge" (ebd.) beziehen. Hier gilt es nämlich zu entscheiden, ob ein bestimmtes Thema überhaupt entfaltet werden soll und damit auch über die entsprechende Informationsmenge. Solche Textentfaltungsprozesse sind z. B. die Spezifizierung des Textthemas, Begründungen für den Sachverhalt, der im Textthema ausgedrückt wird, Erklärungen dafür oder auch Schaubilder und andere Schemata.

  • Strategische Verfahrensschritte beziehen sich auf das "Wie der INFORMATIONs-Vermittlung bzw. der STEUERUNG" (ebd.). Hierbei wird entschieden, ob das kommunikative Ziele mit einfachen oder komplexeren Verfahren (z. B. narrativen, deskriptiven, argumentativen) Verfahren erreicht werden kann.

  • Taktisch-spezifizierende Einzelverfahren können zum Einsatz kommen, wenn man die die grundlegende Verfahrensentscheidung in besonderer Weise spezifizieren will, in dem man z. B. die Darstellung des Sachverhaltes vereinfacht oder verkompliziert. Außerdem kann die grundlegende Entscheidung auch damit verbunden werden, auf andere als rein sachlicher Ebene auf den Partner dadurch Einfluss zu nehmen, dass man das eigene Anliegen emotionalisiert, den Partner irgendwie aufwertet oder auf irgendeine Art und Weise vereinnahmt. (vgl. ebd.)

Text-Strukturierungstypen

Da die konkrete Textproduktion auf einer großen Zahl von prinzipiell möglichen funktionalen, situativen Entscheidungen sowie vom gewählten Verfahren abhängt, kann auch kein festes Strukturierungsmuster für jede einzelne, in Frage kommende Textklasse aufgestellt werden. (vgl. ebd., S.161)

Da die entsprechende linguistische Betrachtung in hohem Maße formalisiert ist, beschränken wir uns hier auf Aspekte, die auch im  Bereich von Schreibprozessen in der Schule von Belang sind.

  • Die "kompositorisch-archiktektonischen Entscheidungen" (ebd., S.162), die ein Textproduzent fällt, betreffen die Ab- bzw. Reihenfolge von Teiltexten in einem umfangreicheren Gesamttext. Auf globaler Ebene sind dies z. B. die in der Schule beim Aufsatzschreiben typischen Gliederungsmuster nach Einleitung, Hauptteil, Schluss. Bei einem ▪ privaten Geschäftsbrief sind dies z. B. die Berücksichtigung seiner ▪ Elemente der ▪ äußeren Form der Schreibform (▪ Ausgewählte Regeln zur äußeren Form nach der DIN 5008), aber je nach Gegenstand bzw. dominierendem Kommunikationsziel (z. B. Anfrage, ▪ Reklamation (Mängelanzeige), ▪ Kündigung, ▪ Stellungnahme,▪ Anschreiben für eine Bewerbung ...) auch die Entscheidung, wie der komplexe Text in seinen Textteilen mit ggf. seinen Erklärungen und Begründungen für das Anliegen seiner Abfolge nach aufgebaut werden soll (z. B. wenn etwas beantragt oder reklamiert werden soll).

  • Sequenzierungs- und Konnexionsprozesse betreffen die interne Strukturierung von Teiltexten bzw. Teiltext-Komplexen in einem umfangreicheren Text. Im Einzelnen geht es dabei darum, wie die Informationen (Propositionen) eines Teiltextes bzw. Textabschnitts miteinander verknüpft werden. Solche Konnexionstypen sind z. B., die additive (aufzählend-reihende), die additiv-chronologische, die bewertend-chronologische (evaluativ-chronologische) oder die implikative Verknüpfung (= wenn a, dann b). In der Regel lässt sich lediglich der jeweils dominante Verknüpfungstyp bestimmen.  (vgl. ebd., S.163f.)

Prototypische Formulierungsmuster

Auch wenn die Formulierungsebene allein generell nicht ausreicht, um Textklassen zu bestimmen (vgl. ebd., S.168), ist ihre Bedeutung für die Textproduktion und Textrezeption sehr hoch.

Bei aller prinzipiell vorhandenen Individualität bei der Textgestaltung, "(aktivieren wir) bei der Erzeugung von Texten prototypisches Wissen über Formulierungsmerkmale bestimmter Textklassen" und "(nutzen) diese auch beim Textverstehen". (ebd., S.165) Diesen Gedanken macht sich auch die ▪ textprozedurenorientierte Schreibdidaktik zu eigen.

Für die Textklassifikation können verschiedene Gemeinsamkeiten und Unterschiede beim Formulieren genutzt werden.

  • Zunächst sind dies textklassenspezifische Kommunikationsmaximen, die im Zusammenhang stehen mit den anderen Textklassifikationsebenen, die die Wahl von Formulierungen einschränken,  den Textproduzenten auf eine Auswahl von Formulierungsmustern festlegen und damit "den Rahmen für charakteristische Textformulierungen (bilden)" (ebd., S.166). Damit ist allerdings nicht die Auffassung verbunden, dass "Textformulierungen, die aus diesem Rahmen 'herausfallen'" (ebd.), in Bezug auf die verfolgten Kommunikationsziele grundsätzlich als nicht angemessen oder gar ineffektiv anzusehen sind.

  • Textproduzenten greifen bei der Texterzeugung auf bestimmte Formulierungsmuster zurück, die als Formulierungswissen im Gedächtnis gespeichert sind. Auf diese Weise gelingt es ihm, quasi automatisch, im Sinne von "'vorgegeben', vorformuliert' oder 'beispielhaft'" (ebd.), und vor allem schnell bestimmte Textstrukturierungen adäquat auszufüllen.

    • Das können einzelne Begriffe bzw. Ausdrücke (Lexeme) sind, wenn sie, auch nur assoziativ, auf die Textklasse verweisen und vom jeweiligen Partner entsprechend verstanden werden (z. B. Plädoyer und Urteil für das Rechtswesen, Unterrichtsgespräch und Notengebung für die Schule)

    • Wichtiger allerdings sind Formulierungsmuster, die lexikalische Einheiten und typische syntaktische Konstruktionen miteinander verknüpfen. Wie dies geschieht und vor allem auch, wie viele solcher Formulierungsmuster einem Textproduzenten oder Textrezipienten zur Verfügung stehen, hängt vom Ausmaß des in Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt gewonnenenals Kollokationswissen bezeichneten Wissens ab.
      Die Kollokationen können sich dabei auf einen bestimmten Kommunikationsbereich beziehen. (vgl. ebd., S.167) So stehen Formulierungsmuster wie z. B. Lehrer und Erzieher, Klassenpflegschaft, Klassenlehrer*in, Klassensprecher*in auf den Bildungsbereich. Andere Kollokationen wirken als Indikatoren für bestimmte Gebrauchstextsorten (z.B. in stillem Gedanken - Todesanzeige; freudiges Ereignis - Geburt) oder auch für ▪ literarische Textsorten/Gattungen (Es war einmal - Märchen).

    • Bestimmte besonders starke Verknüpfungen lexikalischer Einheiten und typische syntaktischer Konstruktionen miteinander verknüpfen. haben einen geradezu formelhaften, stereotypen Charakter und werden in der Regel als Ganzheiten aktiviert (z. B. Begrüßungsformeln;bestimmte Textanfänge - Ich nehme Bezug auf Ihr Schreiben vom, oder Textabschlüsse mit Grußformeln). Sie werden als stereotype Textkonstitutive bezeichnet.

    • Vom Textproduzenten vorwiegend als Orientierungs- und Gliederungshilfen für den Textrezipienten gedacht, sind Gliederungssignale als "Strukturverweisformeln" (ebd.) "erleichtern nicht nur das Erfassen der Gliederung des jeweiligen Textes  sondern erlaubendarüber hinaus auch Rückschlüsse auf die Identifizierung bestimmter Textklassen". (ebd.

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 17.12.2023

    
 

 
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