Im Alltagssprachgebrauch wird der Begriff Funktion meistens verwendet, um
die Rolle oder Aufgabe einer Person, eines Sachverhaltes oder eines
Gegenstandes innerhalb eines größeren Ganzen zu beschreiben (Funktion des
Lehrers, Funktion des Tempolimits, Funktion der Niere).
Ganz ähnlich kann
man unter dem Begriff »Textfunktion« zunächst ganz allgemein den
Sinn verstehen, den ein Text in einem Kommunikationsprozess erhält oder
den Zweck, den er im Rahmen einer bestimmten Kommunikationssituation
erfüllt. (vgl.
Brinker
92018, S.87)
Erweiterter Textbegriff
Wird der
Textbegriff um die
Textfunktion erweitert, lässt sich ein Text wie folgt definieren:
"Ein Text ist eine komplex strukturierte, thematisch wie konzeptuell
zusammenhängende sprachliche Einheit, mit der ein Sprecher eine
sprachliche Handlung mit erkennbarem kommunikativen Sinn vollzieht." (Linke
u. a. 1994, S.245)
Die dominierende Textfunktion
Wird die Textfunktion als ein konstitutives Merkmal von Texten
betrachtet, richtet man den Blick quasi über den formulierten Text
hinaus.
Dabei geht man davon aus, dass das "Außenleben" eines Textes
(textexterne Faktoren) eigentlich mehr über das aussagt, wie sein
Verfasser den Text verstanden haben will, als der Text selbst.
Dieses
"Innenleben" eines Textes (textinterne Faktoren) wird hingegen von
anderen Ansätzen als Hauptkriterium des Textbegriffs herangezogen. Dabei
sieht man, etwas salopp gesagt, darauf, was den Text zusammenhält und
ihn auf diese Weise zu einem Text macht. (Kohärenzorientierter
Textbegriff)
Das "Außenleben" eines Textes als Grundlage des Textbegriffs wird von
der
▪ linguistischen Pragmatik erforscht.
Sie fragt u. a. danach, welche
Kommunikationshandlung auf der Basis welcher spezifischen
Kommunikationsstrukturen mit einem bestimmten Text vollzogen werden
sollen. Am Beispiel eines
Geschäftsbriefs könnten dies z.B. Bestellungen, Reklamationen,
Mahnungen u. ä. sein. Dabei geht die linguistische Pragmatik davon aus,
dass die Funktion eines Textes letztlich nichts anderes darstellt
als die Absicht seines Verfassers (genauer:
Emittenden), "die der Rezipient erkennen soll" (Brinker
92018, S.97)
Während also der rein
▪ kohärenzorientierte
Textbegriff den Blick mehr auf das "Innenleben" von Texten richtet,
schließt der um die Textfunktion erweiterte auch das "Außenleben" des
Textes mit ein und folgt damit dem Ansatz
,
wonach sich "die umfassende Bedeutung einer sprachlichen Einheit nicht nur
aus Form und Inhalt, sondern eben auch aus dem Erfassen der kommunikativen
Struktur ergibt" (Linke
u. a. 1994, S.254)
Texte haben meist nicht nur eine einzige Textfunktion
Texte lassen sich angesichts ihres komplexen "Außenlebens", also der
Vielfältigkeit der Bedingungen, unter denen sie ihre kommunikativen
Ziele erreichen sollen, meistens nicht auf eine einzige Textfunktion
festlegen.
In den meisten Texten werden mehrere Textfunktionen realisiert.
So
kann ein (privater) ▪
Geschäftsbriefs gleichzeitig einen Dank und eine Reklamation
beinhalten, wenn z.B. für eine bestimmte Lieferung gedankt wird,
zugleich aber reklamiert wird, dass noch etwas zur Lieferung aussteht.
Ob es sich aber hauptsächlich um ein Dankesschreiben oder eine
Reklamation handelt, ergibt sich u. a. aus dem Situationszusammenhang,
der Beziehung der Geschäftspartner zueinander und ihrem allgemeinen
Textmuster- und
Handlungswissen im Zusammenhang mit solchen
Geschäftsvorgängen.
Klaus
Brinker
(92018, S.100) verdeutlicht diesen Zusammenhang an dem nachfolgenden
Beispiel (s. Abb.) wie folgt:

"Der Text enthält zwei explizit performative Formeln
(wir danken Ihnen - wir sichern Ihnen verbindlich zu), die auf
verschiedene kommunikative Funktionen verweisen, auf die Kontaktfunktion
einerseits, auf die Obligationsfunktion [Obligation = Verpflichtung, d.
Verf.]. Aufgrund des Kontextes, insbesondere der Zugehörigkeit des Textes zum
Handlungsbereich 'Geschäftsverkehr' lässt sich der Handlungscharakter
des Textes als 'Auftragsbestätigung mit Termingarantie" kennzeichnen.
Als Indikator der Textfunktion fungiert in erster Linie die Formel
wir sicher Ihnen verbindlich zu, mit der der Emittent dem
Rezipienten zu verstehen gibt, dass er ihm gegenüber eine bestimmte,
innerhalb des Handlungsbereichs rechtlich genau fixierte Obligation
übernimmt. Die Textfunktion, d.h. die dominierende kommunikative
Funktion dieses Textes, ist also die Obligationsfunktion. Demgegenüber
ist die Formel wir danken Ihnen k e i n Indikator der
Textfunktion, da die Kontaktfunktion, in diesem Handlungszusammenhang
von recht untergeordneter Bedeutung; sie fungiert vielmehr als eine den
Adressatenbezug intensivierende Zusatzfunktion." (Brinker
(92018, S.100)
Die Bestimmung der allgemeinen Textfunktion mit textexternen
Faktoren
Folgerichtig kann die
Bestimmung der
allgemeinen Textfunktion im Allgemeinen nicht auf
textinterne Faktoren gründen, sondern basiert vor allem auf textexternen Faktoren wie
-
Adressat des Textes
-
Situationszusammenhang
-
Beziehung der Kommunikationspartner
-
Weltwissen, das die
Kommunikationspartner miteinander teilen
-
gemeinsames
Textmusterwissen der
Kommunikationspartner
-
gemeinsames
Handlungswissen der
Kommunikationspartner
-
usw.
(vgl.
Linke
u. a. 1994, S.246)
Der Begriff der Textfunktion geht dabei immer vom Textganzen aus, d. h.
die kommunikative Funktion des Ganzen lässt sich nicht einfach aus der
Summe einzelner Sätze und deren Funktion in einem Textganzen ermitteln.
Texte können im Allgemeinen nicht auf eine kommunikative Funktion
beschränkt werden. So erfüllen bestimmte
Textsorten auch häufig mehr
als eine Funktion (z.B. Kochrezept: informativ und appellativ) Da aber in
der Regel der
Kommunikationsmodus eines
Textes nur durch eine Funktion bestimmt wird, kann man die jeweils
dominierende Kommunikationsfunktion als Textfunktion bezeichnen (vgl.
Brinker
92018, S.88)
Die Konventionsabhängigkeit der Textfunktion
Der Begriff der Textfunktion ist nicht gleichzusetzen mit der "wahren
Absicht" des
Emittenden und bedeutet
auch etwas anderes als die Textwirkung.
-
Textfunktion und Absicht des
Emittenden können zwar
übereinstimmen, müssen es aber nicht. Für eine
Zeitungsnachricht bleibt
im Allgemeinen die informative Textfunktion kennzeichnend, auch wenn der
Emittent den Adressaten auch überreden will.
-
Welche Wirkung ein Text tatsächlich bei seinem Rezipienten
hervorruft, ist weder vorhersehbar, noch bestehen in irgendwelche
konventionalisierten Regeln dafür.
Daher ist für Klaus Brinker der Bezug eines Textes "auf bestimmte
Regeln (Konventionen) sprachlicher und kommunikativer Art" unverzichtbar
für seine Definition der 'Textfunktion' bezeichnet die im Text mit
bestimmten, konventionell geltenden, d. h. in der
Kommunikationsgemeinschaft verbindlich festgelegten Mitteln ausgedrückte
Kommunikationsabsicht des
Emittenden." ( Brinker
92018, S.95)
Einfacher ausgedrückt ist die Textfunktion also nichts anderes als "die
Absicht des
Emittenden, die der
Rezipient erkennen s o l l" (ebd.) Die Textfunktion enthält also letzten
Endes die Anweisung des Emittenden an den Rezipienten, wie bzw. "als was
dieser den Text i n s g e s a m t auffassen soll." (ebd.)
Textfunktion und Illokution
Der Begriff der Textfunktion lässt sich mit dem in der
▪ Sprechakttheorie verwendeten
illokutiven bzw. illokutionärem Aktes in Bezug setzen, da in
beiden Fällen sowohl der intentionale als auch der konventionelle Aspekt
einer Äußerung im Mittelpunkt stehen.
-
Der illokutive Akt
(▪
Illokutionärer Akt) legt den Handlungscharakter einer Äußerung fest.
-
Die Textfunktion bestimmt den
Kommunikationsmodus eines
Textes. Dieser drückt die Art des kommunikativen Kontakts aus, die der
Emittent mit seinem Text dem Rezipienten anbietet. (vgl.
ebd.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.05.2022
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