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Text und Stil

Stiltypen

   
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Als Stiltypen werden im Allgemeinen Klassen von Stilen verstanden, die typisierte Stile umfassen. (vgl. Hoffmann 2017, S.353) Dabei sind typisierte Stile als Stile zu verstehen, "über die wir als Mitglieder einer Gemeinschaft im Rahmen unserer stilistischen Kompetenz mehr oder weniger aktiv oder passiv verfügen. Sie sind – entsprechendes (graduelles) Wissen vorausgesetzt – für die Beteiligten sinnvoll, interpretierbar." (Sandig 22006, S.277)

Beispiele für typisierte Stile, die als "komplexe Ressourcen oder Repertoires [...] den Mitgliedern der Gemeinschaft zur Verfügung stehen, um gesellschaftlich relevante Aufgaben zu erfüllen" (ebd.) gibt es viele, wobei ihre Grenzen nicht immer scharf gezogen werden können. sind u. a. der Bibelstil, Parlando mit seiner an der Mündlichkeit orientierten Schriftlichkeit, aggressive Stile, Jargons, Fachstile, Telegrammstil, Behördenstil, Märchenstil, novellistischer Stil, Kommentarstil, Reportagestil, Nachrichtenstil sowie diverse Mustermischungen etc..

Stiltypen einer Kategorie werden gewöhnlich mit der Formulierung im Singular verwendet wird (Stiltyp Funktionalstil, während von den entsprechenden Stilklassen im Plural zu sprechen ist (Stilklasse: Funktionalstile).

Stiltypen und Kategorien/Kriterien zur Typisierung

Um einen Stil zu typisieren, greift man auf besonders auffällige und dominante, stilprägende Merkmale und Merkmalskombinationen zurück, die aber in verschiedenen Texten unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Das kann sogar soweit gehen, dass sie in einem Text völlig fehlen und damit auch keine Stiltypen zur Interpretation herangezogen werden können.

Ob Stiltypen wie literarische Autor- und Epochenstile, Individualstile und auffällige soziale Stile, stark konventionalisierte Stile (z. B. Telegramm-, Fach- oder Gesetzesstil) als prototypische Stile aufgefasst werden können (vgl. Sandig 2006, S.535), deren "Merkmalsbündel zusammen mit neutralen Elementen eine charakteristische Kombination stilistisch markierter Elemente enthält", (ebd.), ist allerdings umstritten. So betont Hoffmann (2017, S.355), der diese Auffassung nicht teilt, das es sich, "sobald weniger typische oder untypische Merkmale das Erscheinungsbild eines Stils bestimmen", um einen "stiltypisch indifferenten Stil" handle.

Damit typisierte Stile auch für literarische Epochen (Epochenstile), literarische Gattungen (Gattungsstile) oder für den Individualstil von Schriftstellern gebildet werden können, dürfen sie nicht grundsätzlich als soziale Stile definiert werden. (vgl. Hoffmann 2017, S.355) Ebenso umstritten ist auch, ob "Varietäten aus der Klasse der Fach- und Gruppensprachen als typisierte Stile zu begreifen" (ebd.) sind, auch wenn wohl nicht zu bestreiten ist, dass Dialekte und Soziolekte stilistisch verwendet werden, ohne typisierte Stile zu sein." (Sandig 2006, S.277) Fach- und Gruppensprachen sind, genau wie Regionalsprachen und Stilschichten, so Hoffmann "Gestaltungsmittel im Rahmen von Gestaltungsmustern, keine Stile." (Hoffmann (2017, S.355)

Grundsätzlich können die Grenzen typisierter Stile nicht immer scharf gezogen werden. (Sandig 2006, S.278) So können sich in einem konkreten Text "Merkmale eines Individual- und eines Epochenstils auf oder Merkmale eines Funktional- und eines Textsortenstils oder Merkmale eines Gruppen- und eines Textsortenstils" (Hoffmann 2017, S.355) durchaus auch kreuzen.

Individualstil

Im Zentrum der stilistischen Betrachtung steht hier die Individualität des Textproduzenten/Autors.

Die individualistische Typisierung fußt auf typischen Vertextungsmerkmalen, die sich zeigen

  • im Satzbau, wenn vom herkömmlichen syntaktischen Standard (Deviation) abgewichen wird, sich bestimmte Besonderheiten beim Wiederholen (Isomorphie) oder beim Entgegensetzen von Textsegmenten (Kontrast) zeigen  oder

  • in der Wortbildung durch individualistische Wortbildungsmerkmale wie beim begrifflichen Stil mit jeweils besonderen Begriffprägungen und Wortkreationen, Begriffsreihungen in Form von Variationen und Ableitungen, Begriffsdifferenzierungen zwischen Oberbegriff (Hyperonym) und Unterbegriff (Hyponym)

Beispiele für typisierte Individualstile sind u. a. der Stil von Franz Kafka, der Thomas-Mann-Stil, der ▪ Heinrich-von-Kleist-Stil etc.

Funktionalstil

Maßgeblich für den Funktionalstil, auch Funktionsstil oder Bereichsstil genannt, ist der jeweilige Kommunikationsbereich. Dabei geht man von der  Annahme aus, dass es in einer arbeitsteilig organisierten Gesellschaft bereichstypische Funktionen der Sprache gibt, die aus den für diesen Kommunikationsbereich typischen kommunikativen Tätigkeiten hervorgehen. Dementsprechend hat man ihn als Kategorie zur Bezeichnung der "Gesamtheit der für einen gesellschaftlichen Bereich charakteristischen Stilzüge bzw. Stilprinzipien" (R. Gläser 1975, 23ff.) verstanden, die einem in den entsprechenden Texten dieses Bereichs begegnen. (vgl. Sowinski 21999, S.75)

Allerdings müssen nicht alle alle in einem bestimmten Kommunikationsbereich produzierten Texte, in allen Gestaltungsmerkmalen übereinstimmen. Dementsprechend sollte die Anwendung der Kategorie mit Bedacht erfolgen, denn Funktionalstile sind eben immer typisierte Stile und bei ihrer Beschreibung kommt es "darauf an, jene Merkmale und Merkmalskombinationen zu berücksichtigen, die mit bereichstypischen Funktionen der Sprache auf einsichtige Weise korrespondieren und Wiedererkennungswert haben. Auch muss Klarheit über die kommunikativen Rahmenbedingungen eines Kommunikationsbereichs herrschen;" (Hoffmann 2017, S.377)

Es lassen sich zunächst einmal sechs verschiedene Funktionalstile (auch Funktions- oder Bereichsstile genannt) unterscheiden (vgl. ebd., S.376):

  • Funktionalstil der Alltagskommunikation entspricht den bereichstypischen Tätigkeiten in der Alltagskommunikation wie das Besprechen familiärer Angelegenheiten, die Pflege privater Kontakte, auch im Rahmen von Aktivitäten in der Freizeit

    Gestaltungsprinzipien:

    1. Lockerheit (Nachlässigkeiten phonologischer, morphologischer oder syntaktischer Art: Anakoluthe, Aposiopesen, Ellipsen, alleinstehende Nebensätze)

    2. Ungezwungenheit einschließlich a) Familiarität (z. B. Kosenamen) und b) Emotionalität, die sich alltagstilistisch zeigt z. B. mit hyperbolischen Gradpartikeln wie wahnsinnig, mega, superschön, wahnsinnig interessant sowie hyperbolischen Formulierungen wie z. B. ewig und drei Tage; vor Wut platzen und phraseologischen Vergleichen wie z.B. dümmer, als die Polizei erlaubt; ebenso Begriffe und Formulierungen, mit denen gespottet (z.B.Büroheini, Kaffeetante, Motorradfuzzi), geschimpft (z. B. Tussi, Depp, Idiot, Vollpfosten) oder geflucht wird (z. B. Kruzifix nochmal! Verdammter Mist! Megakacke!);

    3. Einfachheit als selbst in der Hochsprache einfache und unkomplizierte Art zu sprechen und zu schreiben (z. B. durch zahlreiche parataktische und asyndetische Formen der Satzverknüpfung, durch Verwendung des Grundwortschatzes und von so genannten »Schwammwörtern« (Riesel 1970, S.88.102) wie die Verben machen und tun oder Nomen wie Ding, Sache oder Zeug, die ihre jeweils konkrete Bedeutung erst über den Kontext erhalten, in dem sie verwendet werden.

  • Funktionalstil des Behördenwesens geht aus dem im Behördenwesen bereichstypischen Erledigen von Verwaltungsaufgaben und dem Erlassen von Vorschriften für das gesellschaftliche Leben hervor

  • Funktionalstil der Wissenschaft erwächst aus dem für den Kommunikationsbereich Wissenschaft typischen Vermitteln von Forschungsergebnissen, der Darstellung und der Diskussion über Forschungsansätze, -methoden und -ergebnisse
    Vorherrschendes Gestaltungsprinzip: Theoretische Abstraktheit, die z. B. den ▪ Stil von Abstracts prägt.

  • Funktionalstil des Journalismus entspricht dem im Kommunikationsbereich des Journalismus üblichen Informieren über Ereignisse und der Einflussnahme auf die öffentliche Meinung

  • Funktionalstil der Dichtung erwächst aus den in diesem Kommunikationsbereich bereichstypischen Tätigkeiten wie der Produktion eines sprachlichen Kunstwerks oder dem Bemühen, Kunsterlebnisse zu vermitteln

    • unterschiedliche Auffassungen, ob die dichterische Gestaltung von sprachlichen Kunstwerken auf alle Elemente unterschiedlicher Funktionalstile zurückgreifen kann und damit keinen eigenen typisierten Stil darstellt (vgl. Riesel/Schendels 1975, S.21), die Sprache der Dichtung eine Sprache für sich (vgl. Coseriu 1994) oder, wie Hoffmann (2017, S.384) meint, sich die künstlerische Formung von Texten als typisierter Stil erfassen lässt der sich einerseits dadurch auszeichne, dass er sprachliche Mittel in gattungstypische Gestaltungsformen (z. B. die Reim- und Strophenform lyrischer Texte, Erzählperspektiven, Darbietungsformen, Figuren-, Zeit- und Raumgestaltung in erzählenden Texten oder die verschiedenen Bauformen von Dramen, Formen der dramatischen Rede, Teichoskopie u. ä. ) einbinde. Anderseits weise er eine Fülle und Dichte an verschiedenen Fokussierungsformen (z. B. durch die Auswahl und künstlerische Bearbeitung von Zeichenbedeutungen und sonstiger Bedeutungsstrukturen)
  • Funktionalstil der Werbekommunikation ergibt sich aus dem Bemühen um den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen oder zum Gewinnen von Wählern bei einer Wahl

Gruppenstil

Gruppenstile fassen Textstile nicht wie die Funktionalstile nach gleichartigen kommunikativen Funktionen zusammen, sondern nutzen das Kriterium der sozialen Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (nach Geschlecht, Alter, Beruf, Bildung etc.) um deren typisierte Stile unter der jeweiligen Kategorie zu erfassen. Dabei spielen bestimmte sozialcharakteristische Merkmale des Textproduzenten/Autors ebenso eine Rolle wie die Merkmale, die bestimmte soziale Gruppen voneinander unterscheiden.

Die Anzahl der Gruppenstile entspricht wohl der Anzahl der sozialen Gruppen, die solche typisierten Stile entwickeln können. Dabei ist von zahlreichen Überschneidungen und Vermischungen der Gruppenstile auszugehen. Áls Gruppenstile gelten z. B. der Stil von Jugendgruppen, der Offizierstil, der Adelsfamilienstil, der Politikerstil, der "Proletenstil", der rechtsradikale Stil etc.

Epochenstil

Mit der Kategorie des Epochenstils versucht man unter Begrenzung auf eine ▪ literarische Epoche (z. B. naturalistischer Stil, Stil der Klassik, Stil der Moderne etc.) die stilistischen Gemeinsamkeiten von den Texten zu ermitteln, die von Autorinnen und Autoren dieser Epoche verfasst wurden und die sich von anderen Epochen unterscheiden (Abweichungsparadigma).

Dabei müssen solche zeitbedingten Stilelemente nicht auf bestimmten Stilintentionen beruhen. Oft ist davon auszugehen, dass sie von den betreffenden Autorinnen und Autoren "mehr oder weniger unbewusst als in ihrer Zeit übliche Ausdrucksformen aufgegriffen und verwendet worden" sind (Sowinski 21999, S.76). Erst in nachfolgenden Zeiten wird die Art und Weise, wie sie geschrieben haben, "als sprach- und stilgeschichtlich veraltet oder zumindest als nicht mehr üblich empfunden und daher leicht als zeit- bzw. epochenstilistische Merkmale begriffen." (ebd.)

Grundsätzlich werden solche Begriffe wie Epochen- und Gattungsstil, die vom Abweichungsparadigma (▪  Abweichungsstilistik) ausgehen, in der Literaturwissenschaft für problematisch angesehen, weil sie im Allgemeinen auf einer "kollektive(n) Generalisierung" (Spillner 1996, S.241) beruhen, die vom konkreten individuellen Stil in einem Text abstrahiert. Zugleich ist es auch mehr als fraglich, "ob es einen homogenen Epochenstil oder Gattungsstil überhaupt gibt." (ebd.) Aus diesem Grund plädiert Spillner (1996) dafür, in solchen Fällen "von Stiltendenzen, zeitgenössischen Konventionen, literarischen Moden zu sprechen und nicht von einem »Stil«." (ebd.) Ob es also so etwas wie einen "gemeinsamen Nenner einer Vielzahl von Individualstilen" (Rommel 32004, S.628) gibt, der als Grundlage für einen National- oder Epochenstil dienen kann, ist zumindest umstritten.

Diese Einwände bedeuten freilich nicht, dass sich aus dem Vergleich von ähnlichen Texten einer bestimmten Gattung nicht interessante Erkenntnisse gewinnen lassen, die auch "die individuellen Stileigenheiten der Autoren im Rahmen eines Zeit- oder Epochenstils"  (Sowinski 21999, S.76) sichtbar machen können.

(Text-)Gattungsstil

Unter dem Gattungsstil (auch: Textsortenstil, Genrestil) versteht man "die charakteristischen Stileigenarten eines Textes, die dieser aufgrund der Übernahme von gattungsspezifischen Erfordernissen erhalt, also z.B. die Dialogform im Drama, die Zeilenbindung in der Lyrik, den Wechsel von Erzähl- und Redepartien in der Ballade usw. Manche dieser gattungsspezifischen Erfordernisse (Stilnormen) unterliegen im Laufe der Zeit bestimmten Wandlungen, wie etwa bestimmte Strophenformen oder die Reimstrukturen in der Lyrik." (Sowinski 21999, S.80)

Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass die gattungsstilistischen Normen sich auf den gesamten Text auswirken, was aber nicht ausschließt, dass der Text nicht auch individualstilistisch geformt und auf den Inhalt bezogen variiert werden kann.

Textsortenstil

Während sich der Gattungsstil - wenn man den Begriff Gattung so versteht -  auf literarische Texte bezieht, ist der Textsortenstil eine Eigenschaft pragmatischer Texte (Gebrauchstexte, Sachtexte, expositorische T., nicht-fiktionale Texte).

Im Vergleich mit den literarischen Texten ist bei Gebrauchstexten die "stilistische Ausdrucksund Gestaltungsfreiheit [...] begrenzter, stärker an vorgegebene Muster gebunden (z.B. bei Geschäftsbriefen, Protokollen usw.)" (Sowinski 21999, S.80) Und wenn man an Formulare denkt, dann ist von stilistischer Variationsfreiheit wohl kaum noch etwas übrig, se sei denn man arbeitet bewusst gegen die Vorgaben.

Abhängig von der jeweiligen Textsorte bzw. dem Textmuster kann man im Zusammenhang mit Gebrauchtexten unterschiedlicher Art textsortenspezifische Merkmale auf der Ebene des globalen Textmusters (Textarchitekturebene, Makrostruktur), auf der Handlungsebene und der textthematischen Ebene unterscheiden, wie Hoffmann (2017, S.369) am exemplarischen Beispiel des Horoskops verdeutlicht:

Satzbaustile

Auch die mikrostilistische Gestaltung von Sätzen, die sogenannten Satzbaustile, können als Typologisierungskategorien/-kriterien dienen.

Dazu zählen z. B. der Nominal-, der Verbal- und der Periodenstil.

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 09.01.2024

 
 

 
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