▪
Literatur und Stil
▪
Überblick
▪
Rhetorik und Stilistik in der Antike
▪
Stilprinzipien
▪
Rhetorische Stilmittel: Figuren und Tropen
▪
Stilanalyse im Rahmen der
schulischen Textinterpretation
▪
Rhetorik
▪ Geschichte
▪
Begriff und Theorie
▪
Rhetorische Mittel
▪
Überblick
▪
Figuren und Tropen
▪
Änderungsoperationen
▪
Wirkungsbereiche
▪
Wirkungsakzente
▪
Einzelne rhetorische
Mittel
▪
Auswahlliste
▪
Argumentieren
In einer von »Singularisierung
geprägten Gesellschaft, deren Institutionen ebenso wie ihre
Mitglieder nicht mehr nach dem Allgemeinen, dem Standardisierten
und Regulierten streben, sondern an das Besondere, das
Einzigartige, das Singuläre ihre Hoffnungen heften und daran
ihre Interessen und Anstrengungen ausrichten, erhalten
Stilfragen immer mehr Gewicht. (vgl.
Reckwitz 2019, S.7) Die Ausbildung eines das ganze
persönliche Leben kennzeichnenden individuellen Stils wird unter
dem Aspekt der
Singularisierung damit
zum Zielpunkt eines nur dann angeblich glückenden Lebens.
Es geht, wie auf einer einschlägigen, zufällig ausgewählten
Internetseite eines »Lifestyle-Magazins,
zu lesen ist, darum "seine eigene Persönlichkeit und Kreativität
in den Vordergrund zu bringen. Mut zum eigenen Stil heißt mit
Selbstbewusstsein durch den Tag zu laufen und stolz zu sagen:
*Hey, das bin ich!'"
Dass wir in unserer Alltagskommunikation ohne Weiteres in
zahlreichen Zusammenhängen von Stil sprechen und uns über Stile
verständigen können, ist nicht so selbstverständlich, wie dies
in der Praxis aussieht.
Wir sprechen
von Lebensstil, Kleidungsstil, Kommunikationsstil, Fahrstil,
Schreibstil, Telegrammstil, Argumentationsstil, dem Stil sich zu
kleiden, Führungsstil, schlechtem und gutem Stil, altmodischem
und modernem Stil, Musikstil, Unterrichtsstil, persönlichem Stil
oder Amtsstil,
essayistischem Stil u. v. m. Und natürlich haben wir dabei
meistens eine mehr oder weniger genau bestimmte Vorstellung
davon, was wir darunter verstehen.
So können wir
einen im sogenannten "Amtsdeutsch" bzw. in einem
unpersönlichen Amtsstil verfasste Briefe, bei denen sich die
Verfasser gern "hinter Bezeichnungen wie 'dieses Amt' oder 'das
Gericht' (verstecken)" sehr wohl von einem Bürgernähe
ausstrahlenden ▪
offiziellen Brief einer Behörde unterscheiden, bei dem die
jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser der Schreiben persönlich
erkennbar sind. (vgl. Fingerzeige
für die Gesetzes- und Amtssprache 111998, S.65)
Im Allgemeinen
können wir Texte, die dienstlich oder privat, wissenschaftlich
oder populärwissenschaftlich, witzig, ironisch, satirisch oder
von neutralem Ernst getragen, religiös oder politisch,
dogmatisch oder liberal, poetisch oder nichtpoetisch usw.
verfasst sind (vgl.
Hoffmann 2017, S.8), ganz gut unterscheiden und,
entsprechende Erfahrungen im Umgang damit vorausgesetzt, können
wir die Botschaft, die solche Gestaltungsalternativen senden,
auch verstehen: Wir wissen also "– bildlich formuliert –
um verschiedene Farben, in die Texte getaucht werden können." (ebd.)
Dabei ist Stil nicht immer auf umfangreichere Textganzheiten
bezogen, sondern kann ebenso gut auch einzelne Textbausteine wie
die
Prozedurausdrücke von ▪
Textprozeduren, Teiltexte oder einzelne Textpassagen. (vgl. ebd.,
S.230)
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Damit
sprachliche Kommunikation im Sinne der Absichten, die ein
Sprecher oder Textproduzent verfolgt, gelingen kann, kommt es
immer darauf an "den richtigen Ton" zu treffen. Wer sich "im Ton
vergreift", das weiß jeder/jede aus Erfahrung, gefährdet dabei in
hohem Maße den Erfolg des Kommunikationsaktes, und zwar selbst
dann, wenn der Adressat oder Rezipient der sprachlichen Äußerung
dem Kommunikationsziel gegenüber von der Sache her durchaus gewogen ist.
(vgl. Heinemann/Viehweger
1991, S.256) Indem sich "mit unterschiedlichen Stilformen
unterschiedliche soziale Tonlagen zwischen den
Kommunikationsteilnehmern herstellen lassen" (Hoffmann
2017, S.309), können die Äußerungen an die jeweilige soziale
Kommunikationssituation angepasst werden.
Mit dem
"richtigen sozialen Ton" befassen sich dabei ganz unterschiedliche
Gruppen und Wissenschaften, von denen hier nur drei
herausgegriffen werden:
-
Mit dem
Anspruch, "Lebenshilfe" mit einem guten deutschen Sprachstil
zu geben, konkurrieren eine Vielzahl von Stilratgeberinnen
und -ratgeber auf dem Bücher- und Medienmarkt, die zum Teil
mit recht allgemein gehaltenen, mehr oder weniger hilfreichen Stilregeln für das Formulieren aufwarten, um z. B. die
eigenen Formulierungen darauf zu überprüfen, ob jedes
gewählte Wort nötig, treffend und/oder am richtigen Platz
ist. Oft werden aber auch Stilregeln präsentiert, die
Formulierungen ohne Rücksicht auf ihr konkretes
textkommunikatives Umfeld als Fehlleistung abtun oder mit
Auszügen aus poetischen Texten verglichen, die als
Beispiele für stilistisch vorbildhaftes Formulieren dienen,
ohne zu bedenken, dass sich ohne großen Aufwand auch
poetische Textpassagen finden ließen, die dann eben auch als
Verstöße gegen Regeln eines guten Stils angesehen werden
müssten, weil sie, wie einer dieser »"Sprachpäpste"(
»Wolf
Schneider (*1925), der sich mit zahlreichen
Veröffentlichungen einen Namen gemacht hat, in seiner »"Stilkunde
Deutsch in 20 Lektionen" (»Die
Zeit, Nr. 20/2012, Beilage, 8–31, online-Version)
betont, "garstige Nominalkonstruktionen", "ausgeleierte
Redensarten", "erkünstelte, überlange Substantive,
vorzugweise solche, die mit -ung enden" oder
"vermaledeite vorangestellte Attribute" enthalten. (vgl.
Hoffmann 2017, S19)
Wenn in der
Textlinguistik im Zusammenhang mit Stil vom
"richtigen Ton" die Rede ist, dann ist gemeint, wie es uns in der
sprachlichen/textlichen Kommunikation gelingt, zur Ausfüllung
der bei der Textproduktion konzipierten Textstrukturen bestimmte
sprachliche Einheiten und Konstruktionen aus der Menge
sprachlicher Varianten, die uns dafür zur Verfügung stehen, auszuwählen und
diese zu aktivieren.
Sprechen wir in diesem Zusammenhang, davon, dass
der Ton die Musik macht, dann meinen wir damit den Stil als
"Träger von pragmatischen Informationen, die durch die Art der
sprachlichen Formulierung vermittelt werden." vgl. Heinemann/Viehweger
1991, S.257)
Dabei ist uns dieser Vorgang,
mit dem wir "quasi nebenbei" den von Wort- und Satzsemantik
vorgegebenen Bedeutungsrahmen anreichern und erweitern, bewusst
oder unbewusst.
In der ▪ rhetorischen Tradition der Antike drehte es sich bei
der Beschäftigung mit Stilistischem
stets um die
▪ Angemessenheit eines sprachlichen Ausdrucks im rhetorischen
Sprachgebrauch. Stilfragen waren Fragen, die vor allem mit der
sprachlichen Gestaltung der Rede zu tun hatten.
Es war »Aristoteles
(384-322), der bei der »Herstellung
einer wirkungsvollen Rede besonderen Wert auf die Ordnung
und Formulierung der Gedanken legte, also auf die Gliederung des
Vortrages (dispositio) und den
▪
Redeschmuck (elocutio),
also die sprachliche Gestaltung. Was die Stilqualitäten der Rede
betraf, so hat er wie auch andere neben ihm, vier Stilqualitäten
als besonders wichtig betrachtet:
grammatische Korrektheit,
Klarheit,
Angemessenheit und
Schönheit der Rede. (vgl.
Sowinksi 1978, S.17)
Im Deutschen
geht der Begriff des Stils auf das lateinische Wort stilus
zurück, das Schreibgerät bzw. »Griffel
bedeutet. Im übertragenen Sinn wird der Begriff seit dem 15.
Jahrhundert in der Bedeutung Schreibart verwendet.
Ab dem 18.
Jahrhundert verliert die antike rhetorische Tradition bei der
Beschäftigung mit Stilfragen im Zusammenhang "mit dem nun
aufkommenden Interesse sowohl am Individuellen als auch am
historisch Charakteristischen bei der Beschäftigung mit Kunst
und Literatur" (Anderegg
22006, S.375) zusehends an Bedeutung.
Statt Rhetorik-Lehrbücher zu studieren, richtete man sein
Interesse auf den individuellen Stil und beschäftigte sich mit
der Schreibart. Es dauert aber seine Zeit, bis sich "der neue
Gedanke der Subjektivität des Stils, seiner Prägung durch die
Persönlichkeit des Autors" (Sowinksi 1978,
S.23) wirklich durchsetzte.
Literaturwissenschaft und Stil
Im 20. Jahrhundert zeichnete sich die Stilistik im Anschluss
an die »positivistische
Neuorientierung der Literaturwissenschaft durch »Wilhelm
Scherer (1841-1886), der selbst allerdings keine eigene
Stilistik verfasst hat, durch eine "große
Richtungsvielfalt" (ebd.,
S.26) aus. Ihre maßgeblichen Richtungen in ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts folgten
Nach den 1950er
Jahren glaubte man in der älteren Literaturwissenschaft bis zu den 1970er Jahren vor
allem im Rahmen der ▪
hermeneutisch orientierten Werkinterpretation im Stil "nicht
nur das Eigen- und Einzigartige eines Werkes fassen zu können,
sondern auch das, was das Werk zum Kunstwerk macht." (Anderegg
22006, S.374) Unter diesem Blickwinkel wird Stil
als "nicht etwas vom künstlerischen Text Ablösbares" (Sowinksi 1978,
S.31) verstanden und kann "daher auch nur insgesamt in der
Interpretation, dem
hermeneutischen Zirkel gemäß, in der wechselseitigen
Zusammenschau des Ganzen mit den Teilen erfasst werden, wobei
vom ersten Eindruck, vom einfachen Gefühl, ausgegangen werden
kann, das in der Interpretation verifiziert werden muss." (ebd.)
In der
modernen Literaturwissenschaft ist der Begriff des Stils,
nachdem man sich eine Weile lang ziemlich erfolglos bemühte zu
einer einheitlichen Definition zu gelangen, heute vor allem
im Kontext fächerübergreifender vergleichender kulturell
orientierter Ansätze von Bedeutung.
Die Literaturwissenschaft
folgt heute im Allgemeinen einem ▪
weiten Stilbegriff. Wenn von Stil die Rede ist, dann geht es
um "die Art und Weise des Sprachgebrauchs" (ebd.,
S.375), was sehr weit
gefasst bedeutet, dass damit alle gestalterischen Möglichkeiten
in Texten eingeschlossen sind.
Die Stilkonzeption, die dieser
Auffassung zugrunde liegt, versteht sich als "integrative Stiltheorie"
(Spillner
1996, S.246). Danach wird Stil "als das Resultat aus der
Auswahl des Autors aus den konkurrierenden Möglichkeiten des
Sprachsystems und der Rekonstituierung durch den
textrezipierenden Leser/Hörer (aufgefasst)" (ebd.).
Nur im Wechselspiel zwischen den in den Text encodierten
Auswahlentscheidungen des Autors, wie er seinen Text
sprachlich-stilistisch gestalten will und den Reaktionen des Lesers
darauf, entstehen überhaupt Stileffekte.
Das schließt dementsprechend auch ein, dass "im Text kodierte
virtuelle Stilelemente bei der Lektüre nicht bemerkt und somit
nicht als Stil rekonstruiert werden." (ebd.,
S.247).
Dabei richtet sich das Interesse
"auf das, was im Vielfältigen eines Textkorpus in
charakteristischer Weise gleich bleibt oder wiederkehrt." (ebd., S.375)
Nach dieser Betrachtung manifestiert sich im Stil eine
Zusammengehörigkeit von Textteilen oder Texten, die "sich in der
Art von wiederkehrenden Mustern" (ebd.)
zeigt. Stil kann dabei stets als eine durch Abstraktion zustande
gekommene Zusammenfassung aufgefasst werden, die sich auf
Prinzipielles ausrichtet. Dies wird z. B. deutlich, wenn vom
spielerisch-bewegten und leichten Rokokostil gesprochen wird.
Stil in der Textlinguistik
In der ▪ Textlinguistik gibt es
keinen einheitlichen Stilbegriff und was darunter verstanden
wird, hängt von den verschiedenen linguistischen Theorieansätzen
ab.
Michael
Hoffmann
(2017, S.249) geht nach reflektierten Überlegungen von der
folgenden zeichentheoretisch fundierten Definition aus, die auch
die Kategorie des Textes impliziert: "Stil ist ein kultur- und
kontextbezogenes, ganzheitliches Zeichen im Text mit
pragmatischen und/oder ästhetischen Bedeutungen, das durch den
Vollzug von Gestaltungsakten musterbasiert hervorgebracht wird
und interpretierbar ist im Hinblick auf gestalterische
Prinzipien, Ideen, Motive u.a.m. "
Generell dürfte
die
"textkonstitutive Funktion des Stils", d. h. die Tatsache, "dass
Stil an den Text gebunden ist, dass es ihn nur im
Textzusammenhang gibt und sprachliche Mittel außerhalb des
Textes stilistisch nicht eingeordnet und bewertet werden
können." (Fix
2008, S. 28) wohl allgemeiner Konsens sein.
Die
Prager Schule
der Funktionalstilistik (Fleischer/Michel
1975,
Fleischer u. a. 1993) versteht den Stil "als ein durch
außersprachliche Gegebenheiten bestimmtes Phänomen" und als
"eine sich erst im Text herausbildende Ganzheit" (ebd., S. 28f.).
Zu den von ihr identifizierten funktionalstilistischen Systemen
einer bestimmten Nationalsprache gehören z. B. der
Konversationsstil, die Alltagssprache, die Wissenschaftssprache
und die Sprache der Poesie. (vgl.
Spillner
1996, S.240).
Die Stilanalyse umfasst dabei
Stilelemente als kleinste Einheiten, die einen
konstitutiven Beitrag zum Stil des gesamten Textes leisten,
▪ Stilzüge, die zwischen dem Textganzen
und den einzelnen Stilelementen 'vermitteln' und sich durch den
ganzen Text in prägender Art und Weise durchziehen (z. B. "anschaulich,
bildlhaft, locker, knapp, sachlich" sowie das
Stilganze, das von diesen, meist
in Kombination mehrerer Stilzüge als spezifische Textqualität
konstituiert wird. (vgl. Fleischer/Michel
1975,
Fleischer u. a. 1993, S.
29)
Die
pragmatisch-textlinguistische Stilistik (Sandig
1986,
22006),
für die der Textbezug unerlässlich und der
weite Begriff des Stils
typisch sind, wird der Stil mit dem Ansatz einer pragmatisch
verstandenen Text- und Textmusterlinguistik, Zügen der
ethnomethodologischen Konversationsanalyse und der
Kognitionstheorie mit der Prototypentheorie als Metatheorie,
sowie der Gestalt- und Natürlichkeitstheorie erfasst (Sandig
22006, S.5). Diese Kombination verschiedener
Theorieansätze kennzeichnet die von Sandig vertretene
"ganzheitliche, holistische Stilistik" (ebd.,
S.4), die nicht die Typisierung und Systematisierung von
Stilelementen anstrebt, sondern Stilelemente bzw. Stiltypen
stets "in größeren funktionalen Zusammenhängen" (ebd.)
betrachten will.
Für die
pragmatisch orientierte Text- und Textmusterstilistik, wie sie
vor allem »Barbara
Sandig (1939-2013)
(22006, S.3)
vertritt, ist der Stil
"Bestandteil von Texten, er ist die Art, wie Texte zu bestimmten
kommunikativen Texten gestaltet sind." So stehen sich Text
und Stil auch nicht wirklich gegenüber, zwischen beiden gibt es
"vielmehr nur ein Ineinander: Stil ist ein integraler
Bestandteil von Texten – ein Textualitätsmerkmal. Wer Texte
produziert, stellt immer zugleich auch Stil her. Stil wird
Texten nicht hinzugefügt." (Hoffmann
2017, S.8)
Anders als z. B. bei
sprachlichen Varietäten wie z. B. Dialekte oder Soziolekte, kann
der Stil frei gewählt werden. Das bedeutet, dass überall da, wo wir
zwischen verschiedenen Alternativen wählen können, um unsere
kommunikativen Ziele zu ereichen, "Stil im Spiel (ist)". Die
möglichen Alternativen sind oft sehr vielfältig und können "von
Eigenschaften des Wortgebrauchs und der neuen Rechtschreibung (Kuss
gegenüber Kuß ...) bis zur gesamten Gestaltung von Texten
(reichen)." (Sandig
22006, S.2)
Dem
weiten Stilbegriff, der
sämtliche "für die Textkonstitution relevanten
Auswahlentscheidungen als 'stilistisch'" (Heinemann/Viehweger
1991, S.258) einstuft (z. B. Prozesse, die zur Auswahl von
strategischen Planungs- und Strukturierungsentscheidungen, von
bestimmten Strukturen des Textaufbaus und des jeweiligen
Sachverhaltes sowie der Text-Themen-Entfaltung gehören) und
besagt, dass "alles, was auf der Textoberfläche umgesetzt wird,
(...) Stilprinzipien (folgt), die für den gesamten Text gelten"
(Fix 2008,
S.31), wird aber auch ein engerer Stilbegriff entgegengestellt.
Der
engere Stilbegriff beschränkt das Stilistische "ausschließlich auf die
Formulierungskomponente, also die gewählte sprachliche
Realisierungsvariante" (Heinemann/Viehweger
1991, S.258) und hebt damit "die Formulierungsphase in ihrer
relativen Eigenständigkeit aus der Gesamtheit von strategischen
Entscheidungsprozessen bei der Textproduktion" (ebd.)
heraus.
Hier wird dem
weiten Stilbegriff gefolgt und zugleich der Vorstellung, dass
Stil eine Auswahl von bestimmten ▪
textstilistischen Handlungsmustern darstellt, die "ihr
Potenzial erst im jeweiligen textuellen Rahmen, nämlich dem
sozialen Sinn des
Textmusters,
relativ zum Thema und im Rahmen der übrigen kommunikativen
Gegebenheiten (entfalten)". (Sandig
22006, S.145) Dieser Stilbegriff bedeutet daher
auch, "dass Textsortenstile einbezogen und vollständige
Stilinterpretationen ganzer Texte vor dem Hintergrund ihres
gesellschaftlichen Handlungsbereichs vorgenommen werden." (Fix
2008, S.29) Zugleich wird neben der grundlegenden Annahme,
dass sich Text und Stil gegenseitig bedingen, davon ausgegangen,
dass sich die
Textmusterbezogenheit eines Textes und vor allem die ▪
Textfunktion
ohne einen einheitlichen Stil nicht
präzise erkennen lassen.
Das ist darauf
zurückzuführen, dass ▪
kommunikative Handlungen mit stilistischem Sinn DURCHGEFÜHRT
werden. Im Zuge der "Textherstellungshandlung" (Sandig
22006, S.149) des DURCHFÜHRENS, die "als
Nebenhandlung die eigentliche Handlung mit ihrer Textfunktion,
ihrem sozialen Sinn begleitet" (ebd.)
und dabei
die
Textfunktion mit stilistischem Sinn anreichert, wird die
Handlung insgesamt komplexer gemacht, als solche unterstützt und
damit im Hinblick auf das Erreichen ihrer kommunikativen Ziele
optimiert. (vgl.
ebd.)
Im ▪
textfunktionalen, sprechakttheoretisch fundierten Modell von
»Klaus
Brinker (1938-2006)
(92018, S.97-132) kann ein Textproduzent
Einstellungen und Wertungen zum Textinhalt und/oder Textthema
explizit oder implizit, mit verschiedenen sprachlichen Formen
und Strukturen zum Ausdruck bringen. Brinker spricht hier von ▪
thematischen Einstellungen
und trägt damit der Tatsache in gewisser Rechnung, das ein
Textproduzent "'quasi nebenbei' (Püschel
1983, 109) [...] mit der Textformulierung auch seine
Einstellung zu den vorgetragenen Sachverhalten ausdrücken
(kann)" (Heinemann/Viehweger
1991, S.255). Dass Stil Bedeutung hat und Sinn vermittelt,
wird in ▪ Brinkers integrativem Modell
der Textanalyse nicht als gesondertes Phänomen betrachtet
und erfasst.
Von den dafür
existierenden Möglichkeiten ist nach Brinkers Ansicht die ▪
evaluative
(= wertende) Einstellung (etwas gut/schlecht finden)
für die textanalytische Betrachtung und als zentrale Kategorie
zur Analyse von textuellen
Bewertungen besonders wichtig, zumal sie auch in anderen
Formen der interessenbezogenen Einstellung oder auch bei
Einstellungen, die den Gefühlszustand ausdrücken (emotive
Einstellungen) implizit vorkommen.
Sandig
(22006, S.248ff.) sieht im ▪
Bewerten ein komplexes
▪ textstilistisches
Handlungsmuster, in das "einfachere Muster integriert sein
können", z.B.
Intensivieren und
emotionalisieren.
emotionalisieren stellt dabei "ein 'gesteigertes'
Bewerten" (ebd.,S.249)
dar, indem es das "'Erleben' des Bewertens (ein)schließt" (ebd.,)
und beide "dem Ausdrücken von Einstellungen/Haltungen (dienen)"
(ebd.,S.250)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
09.01.2024
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