▪
Kommunikationsbezogener Ansatz
von Klaus Brinker (1985/1997)
▪
Überblick
▪
Arbeitsschritte
zur Textsortenklassifikation
▪
Modell
der integrativen Textanalyse
▪
Überblick
▪
Arbeitsschritte
▪ Analyse
des Kontexts
▪
Analyse
der Textfunktion
▪
Analyse
der grammatischen und thematischen Textstruktur »
Im Alltagssprachgebrauch wird der Begriff Funktion meistens verwendet, um
die Rolle oder Aufgabe einer Person, eines Sachverhaltes oder eines
Gegenstandes innerhalb eines größeren Ganzen zu beschreiben (Funktion des
Lehrers, Funktion des Tempolimits, Funktion der Niere).
Ganz ähnlich kann
man unter dem Begriff »Textfunktion« zunächst ganz allgemein den
Sinn verstehen, den ein Text in einem Kommunikationsprozess erhält oder
den Zweck, den er im Rahmen einer bestimmten Kommunikationssituation
erfüllt. (vgl.
Brinker
92018, S.87) Oder anders ausgedrückt und
auf den zugrundeliegenden erweiterten ▪
Textbegriff
bezogen:
"Ein Text ist eine komplex strukturierte, thematisch wie konzeptuell
zusammenhängende sprachliche Einheit, mit der ein Sprecher eine
sprachliche Handlung mit erkennbarem kommunikativen Sinn vollzieht." (Linke
u. a. 1994, S.245)
Besteht über
die kommunikative Ausrichtung des Begriffs der Textfunktion in
der Linguistik weitgehend Einigkeit, gibt es doch
unterschiedliche Konzepte. So hat man lange und ausgiebig auf »Karl
Bühlers (1879-1963) Sprach-(Zeichen)-Modell und die damit verbundene
Theorie der »Sprachfunktionen
(Darstellung, Ausdruck, Appell) (1934) zurückgegriffen, wie er sie
in seinem »Organon-Modell)
entwickelt hat. Vor allem aber rekurrierte man auf die ▪
Sprechakttypen
»John R. Searles (geb. 1932),
der die ▪ Sprechakttheorie von
»John Austin (1911-1960)
weiterentwickelt hat, und fünf verschiedene Klassen
von Sprechakten, genauer gesagt, fünf verschiedene Klassen ▪
illokutionärer Akte
unterscheidet.
Klaus
Brinkers
(92018, S.104) Haupteinwand "gegen alle auf
Bühler basierenden Klassifikationen", zu denen neben der Searles,
auch die von
Große
(1976) u. a. zählen, besteht darin, dass ihre Einteilungen "-
sprachtheoretisch gesehen - auf unterschiedlichen Kriterien
beruhten" und "insofern nicht ganz homogen sind". Brinkers
textfunktionaler Ansatz geht dagegen von einem einheitlichen
Kriterium aus, nämlich der "Art des kommunikativen Kontakts, die der Emittent mit dem Text dem Rezipienten gegenüber zum
Ausdruck bringt." (Brinkers
92018, S.105)
Bis heute
jedenfalls gibt es keine allgemein
verbindlichen Kriterien, die bestimmte Textfunktionen ausmachen
und zur Analyse herangezogen werden.
Vor allem die
von Textfunktionen abgeleitete Textsortenarten bzw.
Textsortenklassifikation fällt dabei unterschiedlich aus. Das
liegt nicht zuletzt auch daran, dass Texte viele Funktionen
übernehmen können. Dazu zählen z. B. "Sprechakt-Funktionen, emotive
(emotionale), soziale, klärende, selbstdarstellende,
gruppenindizierende, interaktionsregelnde, bewertende,
religiotrope (auf religiöse Einstellungen bezogene), die
Informationsfunktion, die Aufforderungsfunktion, die
Kontaktfunktion, um nur einige zu nennen." (Heinemann/Vieweger
1991, S.149)
Dabei werden in der
kommunikations- bzw. interaktionsorientierten Linguistik
aus der Vielzahl potentieller
Textfunktionen jene als grundlegend angesehen, die einen
"Beitrag zur Realisierung gesellschaftlicher Aufgabenstellungen
und individueller Ziele sowie zur Konstituierung sozialer
Beziehungen" leisten. (ebd.,
S.148)
Textfunktionen
stellen die Grundlage von Textklassifikationen bzw.
Texttypologien dar und bestimmen darüber, ob eine bestimmter
Text bzw. eine bestimmte Textsorte zu einer bestimmten
Textklasse gehört oder nicht. Wenn wie z. B. in einem Bericht
die informierende Textfunktion vorherrscht, wird er eben zur
Klasse der Informationstexte gezählt.
Wenn man die Textfunktion als ein konstitutives Merkmal von Texten
betrachtet, richtet man den Blick quasi über den formulierten Text
hinaus. Dabei bezieht sich der Begriff der Textfunktion immer auf das Textganze, d. h.
die kommunikative Funktion des Ganzen lässt sich nicht einfach aus der
Summe einzelner Sätze und deren Funktion in einem Textganzen ermitteln.
Stattdessen geht man davon aus, dass
das "Außenleben" eines Textes
(textexterne Faktoren) eigentlich mehr über das aussagt, wie sein
Verfasser den Text verstanden haben will, als der Text selbst.
Das
"Innenleben" eines Textes (textinterne Faktoren) wird hingegen von
anderen Ansätzen als Hauptkriterium des Textbegriffs herangezogen. Dabei
sieht man, etwas salopp gesagt, darauf, was den Text zusammenhält und
ihn auf diese Weise zu einem Text macht. (Kohärenzorientierter
Textbegriff)
Das "Außenleben" eines Textes als Grundlage des Textbegriffs wird von
der
▪ linguistischen Pragmatik erforscht.
Sie fragt u. a. danach, welche
Kommunikationshandlung auf der Basis welcher spezifischen
Kommunikationsstrukturen mit einem bestimmten Text vollzogen werden
sollen.
Am
Beispiel eines
▪
Geschäftsbriefs könnten dies z.B. Bestellungen, Reklamationen,
Mahnungen u. ä. sein. Dabei geht die linguistische Pragmatik davon aus,
dass die Funktion eines Textes letztlich nichts anderes darstellt
als die Absicht seines Verfassers (genauer:
Emittenden), "die der Rezipient erkennen soll" (Brinker
92018, S.97)
Während also der rein
▪
kohärenzorientierte
Textbegriff den Blick mehr auf das "Innenleben" von Texten richtet,
schließt der um die Textfunktion erweiterte auch das "Außenleben" des
Textes mit ein und folgt damit dem Ansatz,
wonach sich "die umfassende Bedeutung einer sprachlichen Einheit nicht nur
aus Form und Inhalt, sondern eben auch aus dem Erfassen der kommunikativen
Struktur ergibt" (Linke
u. a. 1994, S.254)
Die Bestimmung der allgemeinen Textfunktion mit textexternen
Faktoren (Kontextuelle Analyse) und die Bedeutung der jeweils
dominierenden Textfunktion
Die
Bestimmung der
allgemeinen Textfunktion, den Zielen also, die in der
Kommunikation mit ihm erreicht werden sollen, kann sich,
wenn dies nicht im Text explizit zum Ausdruck gebracht wird, im Allgemeinen nicht auf
textinterne Faktoren gründen, sondern basiert vor allem auf allem auf textexternen
(außertextlichen, kontextuellen) Faktoren, die bei der
kontextuellen Analyse des Textes untersucht werden.
Dazu zählt
der situative Kontext, vor allem der institutionelle Kontext in
dessen Rahmen der Text seine kommunikativen Ziele erfüllen soll.
Im Einzelnen gehören dazu zum Beispiel die nachfolgenden
Faktoren bzw. Aspekte:
-
Adressat des Textes
-
Situationszusammenhang
-
Beziehung der Kommunikationspartner
-
Weltwissen, das die
Kommunikationspartner miteinander teilen
-
gemeinsames
Textmusterwissen der
Kommunikationspartner
-
gemeinsames
Handlungswissen der
Kommunikationspartner
-
usw.
(vgl.
Linke
u. a. 1994, S.246)
Texte lassen sich angesichts ihres komplexen "Außenlebens", also der
Vielfältigkeit der Bedingungen, unter denen sie ihre kommunikativen
Ziele erreichen sollen, meistens nicht auf eine einzige Textfunktion
festlegen.
Es werden also
in den meisten Texten mehrere Textfunktionen realisiert.
So erfüllen bestimmte
Textsorten auch häufig mehr
als eine Funktion (z.B. Kochrezept: informativ und appellativ). Auch ein (privater) ▪
Geschäftsbriefs
kann gleichzeitig einen Dank und eine Reklamation
beinhalten, wenn z.B. für eine bestimmte Lieferung gedankt wird,
zugleich aber reklamiert wird, dass noch etwas zur Lieferung aussteht.
Ob es sich aber hauptsächlich um ein Dankesschreiben oder eine
Reklamation handelt, ergibt sich u. a. aus dem Situationszusammenhang,
der Beziehung der Geschäftspartner zueinander und ihrem allgemeinen
Textmuster- und
Handlungswissen im Zusammenhang mit solchen
Geschäftsvorgängen.
Da aber in
der Regel der
Kommunikationsmodus eines
Textes nur durch eine Funktion bestimmt wird, kann man die jeweils
dominierende Kommunikationsfunktion als Textfunktion bezeichnen (vgl.
Brinker
92018, S.88) Klaus
Brinker
(92018, S.100) verdeutlicht diesen Zusammenhang
an dem ▪
Beispiel eines Geschäftsbriefes.
Der Begriff der Textfunktion lässt sich mit dem in der
▪
Sprechakttheorie verwendeten
illokutiven bzw. illokutionärem Aktes in Bezug setzen, da in
beiden Fällen sowohl der intentionale als auch der konventionelle Aspekt
einer Äußerung im Mittelpunkt stehen.
-
Der illokutive Akt
(▪
Illokutionärer Akt) legt den Handlungscharakter einer Äußerung fest.
-
Die Textfunktion bestimmt den
Kommunikationsmodus eines
Textes. Dieser drückt die Art des kommunikativen Kontakts aus, die der
Emittent mit seinem Text dem Rezipienten anbietet. (vgl.
ebd.)
Klaus Brinker
knüpft bei seiner textanalytischen Bestimmung der Textfunktion
zwar an das sprechakttheoretische Konzept der
▪ Illokutionsindikatoren an, geht aber davon aus, dass die
Textfunktion "durch bestimmte innertextliche (vor allem
sprachliche) und außertextliche (kontextuelle) Mittel
angezeigt wird". (Brinker
92018, S.99) Diese Mittel bezeichnet er als
▪ Indikatoren der Textfunktion.
Auf eine
genauere Betrachtung sprechakttheoretischer Überlegungen zur
Textsortenklassifikation mit Hilfe der
▪ Analyse von
Illokutionsstrukturen (▪
Illokutionsindikatoren)
wird hier nicht näher eingegangen.
Soviel aber doch:
Sprechakttheoretische Überlegungen unterscheiden gewöhnlich vier
verschiedene Textklassen: informierende, auffordernde,
befehlende und unterhaltende Texte, denen die fünf Klassen ▪
illokutionärer Akte
zugrunde liegen, die
»John R. Searle (geb. 1932)
bei seiner Weiterentwicklung der ▪
Sprechakttheorie von
»John Austin (1911-1960)
bestimmt hat: ▪
Repräsentiva (Assertiva), ▪
Direktiva, ▪
Kommissiva, ▪
Expressiva und ▪
Deklarativa. Diese Hauptklassen können
nach weiteren Kriterien weiter differenziert werden.
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Auch das
textfunktionale Modell von »Klaus
Brinker (1938-2006)
(92018, S.97-132), das hier im Fokus steht, ist
auch "sprechakttheoretisch fundiert [...], um dem Text als komplexer
sprachlicher Handlung gerecht zu werden." (ebd.,
S.97)
Brinker
definiert den Begriff der Textfunktion so, dass er dem
sprechakttheoretischen Begriff des ▪ illokutiven
bzw. illokutionären Akts weitgehend entspricht. Das bietet
sich vor allem deshalb an, weil Brinkers textfunktionaler Ansatz
ebenso wie die ▪ Sprechakttheorie
sowohl den intentionalen als auch den ▪
konventionellen Aspekt einer Äußerung in den Mittelpunkt
stellen.
Die Beziehung
der beiden Kategorien stellt sich dabei für ihn wie folgt dar:
-
Der illokutive Akt
(▪
Illokutionärer Akt) legt den Handlungscharakter einer Äußerung fest.
-
Die Textfunktion bestimmt den
Kommunikationsmodus eines
Textes. Dieser drückt die Art des kommunikativen Kontakts aus, die der
Emittent mit seinem Text dem Rezipienten anbietet. (vgl.
ebd.)
Dem trägt auch
die
Definition der Kategorie Textfunktion durch Brinker
Rechnung:
"Der Terminus 'Textfunktion' bezeichnet die im Text mit
bestimmten, konventionell geltenden, d. h. in der
Kommunikationsgemeinschaft verbindlich festgelegten Mitteln ausgedrückte
Kommunikationsabsicht des
Emittenden.
Es handelt sich also um die Absicht des Emittenden, die der
Rezipient erkennen soll, sozusagen um die Anweisung
(Instruktion) des Emittenden an den Rezipienten, als was dieser
den Text insgesamt auffassen soll, z. B. als informativen oder
als appellativen Text." (Brinker
92018, S.97)
Auch wenn der textfunktionale Ansatz Klaus Brinkers als Basis
der Einteilung auf die ▪
Sprechakttypen
bzw. Illokutionstypen
»John R. Searles (geb. 1932)
zurückgreift, modifiziert er sie durch die Einführung der
Informations- und Kontaktfunktion von Texten, mit denen er
Searles Sprechakttypen der ▪
Repräsentiva (Assertiva) und ▪
Expressiva, die ihm "nicht nicht
deutlich genug auf das
interaktive Moment bezogen sind" (ebd.,
S.105)
Zudem knüpft Klaus Brinker bei seiner textanalytischen Bestimmung der Textfunktion
an das sprechakttheoretische Konzept der
▪ Illokutionsindikatoren an, geht aber davon aus, dass die
Textfunktion "durch bestimmte innertextliche (vor allem
sprachliche) und außertextliche (kontextuelle) Mittel
angezeigt wird". (Brinker
92018, S.99) Diese Mittel bezeichnet er als
▪ Indikatoren der Textfunktion.
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Klaus Brinker teilt die Textfunktionen unter dem von ihm ins
Zentrum gestellten kommunikativ-funktionalen Aspekt der
interpersonalen Beziehung" in fünf verschiedene textuelle
Grundfunktionen ein, die in konkreten Texten oder Textsorten in
vielfältigen Ausprägungen (Varianten) vorkommen (vgl. ebd.,
S.101): ▪
Informationsfunktion,
▪ Appellfunktion,
▪ Obligationsfunktion, ▪
Kontaktfunktion und
▪ Deklarationsfunktion.
Zu diesen "textuellen Grundfunktionen" kann man auch noch die
"sog. poetische
(ästhetische) Funktion" zählen, "die in literarischen Texten
dominiert und primär Gegenstand literaturwissenschaftlicher
Untersuchung ist" (ebd.,
S.106, Anm.68) (vgl. dazu
Große 1976,
S. 40ff.).
Von besonderer
Bedeutung für die Funktion eines Textes ist dabei auch, dass sie
von bestimmten "bestimmte(n) Regeln (Konventionen) sprachlicher
und kommunikativer Art" abhängt, die in der jeweiligen
Kommunikationsgemeinschaft die Mittel dafür festlegen, wie eine
bestimmte Kommunikationsabsicht des Textproduzenten/Emittenden
ausgedrückt werden kann und muss, um die mit einem Text
verfolgten Kommunikationsziele auch zu erreichen.(Brinker
92018, S.97) Man spricht daher von der ▪
Konventionsabhängigkeit der Textfunktion.
▪
Kommunikationsbezogener Ansatz
von Klaus Brinker (1985/1997)
▪
Überblick
▪
Arbeitsschritte
zur Textsortenklassifikation
▪
Modell
der integrativen Textanalyse
▪
Überblick
▪
Arbeitsschritte
▪ Analyse
des Kontexts
▪
Analyse
der Textfunktion
▪
Analyse
der grammatischen und thematischen Textstruktur »
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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