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Argumentieren
Barbara Sandig (1939-2013) versteht in ihrer ▪
pragmatisch-textlinguistischen Stilistik
(Sandig
1986,
22006) unter
(text-)stilistischen Handlungsmustern "stilrelevante
Teilhandlungstypen für Texte wie EMOTIONALISIEREN,
GENERALISIEREN, auch ÄSTHETISIEREN (Fix 2001a), KOMISIEREN usw." (ebd.,
S. 148)
Diese Handlungsmuster "entfalten ihr Potenzial erst im
jeweiligen textuellen Rahmen" (ebd.)
und stellen "Muster für das Durchführen stilrelevanter
Teilhandlungen" (ebd.)
dar. Sie spielen sowohl bei der Stilproduktion als auch bei der
interpretierenden Stilrezeption ihre Rolle als "ein
Zusammenspiel von Merkmalen, die alle zusammen in Richtung einer
Interpretation weisen." (ebd.)
Mit den stilistischen Handlungsmuster als "Träger von
pragmatischen Informationen" (Heinemann/Viehweger
1991, S.257) gibt der jeweilige Textproduzent "mit Hilfe des
So–und–nicht–anders–Formulierens, Einstellungen und Wertungen zu
erkennen und unterbreitet dem Rezipienten ein spezifisches
Verstehensangebot" (ebd.).
Damit die sich im Stilistischen vorhandene "»kommunikative
Textpotenz«" (ebd.)
in der Kommunikation wirksam zeigen kann, wird von beiden
Partnern eine gemeinsames
▪
Stilwissen
verlangt, "wie bestimmte Strukturmuster unter bestimmten
Umständen am effektivsten verbalisiert werden können". (ebd.)
Nur über das gemeinsame
▪ Stilwissen
kann die "'quasi
nebenbei' (Püschel
1983, 109) vom Textproduzenten ausgedrückte Einstellung zu
den von ihm vorgetragenen Sachverhalten kommunikativ die Ziele
erreichen, die der Textproduzent damit anstrebt. (vgl. Heinemann/Viehweger
1991, S.255)
Barbara Sandig sieht im DURCHFÜHREN der Handlungen zur
Textherstellung den Bereich, der stets mit allgemeinen
textstilistischen Handlungstypen und Verfahren verbunden ist.
Texte werden dabei u. a. dadurch hergestellt bzw. ihre
kommunikativen Handlungen dadurch vollzogen, dass sie in
stilistischem Sinn DURCHGEFÜHRT werden. (vgl.
Sandig
22006, S.149)
Dabei stellt das stilistische DURCHFÜHREN eine Nebenhandlung"
dar, die "die eigentliche Handlung mit ihrer
Textfunktion, ihrem
sozialen Sinn begleitet" (ebd.)
und dabei
die
Textfunktion mit stilistischem Sinn anreichert. Mit Hilfe
des stilistischen DURCHFÜHRENS wird die Handlung damit insgesamt
komplexer gemacht, als solche unterstützt und im Hinblick auf
das Erreichen ihrer kommunikativen Ziele optimiert. (vgl.
ebd.)
Wird ein Text im Zuge der Textproduktion mit
stilrelevanten
Merkmalen erstellt, erschöpft sich das Durchführen dieser
Handlungen nicht auf das reine Formulieren mit Wortwahl, Syntax, Stilfiguren u. a. Sie umfasst auch den Gebrauch von
▪
Sprechakttypen und anderer kommunikativer Zeichen (z. B. Farbe,
Bild, Typographie, Typen von Textträgern wie Verkehrsschilder oder Gedenksteine. (vgl.
ebd.,
S.150)
Neben diesen Elementen befasst sich die deskriptive Stilanalyse
aber auch mit einer ganzen Reihe von weiteren Fragen, die sie im
Funktionszusammenhang zu beantworten sucht.
Sandig
(vgl. 22006, S.150) führt dabei auf:
-
Wie ist die
Handlung in Relation zu ihrer erwartbaren Durchführung
GESTALTET, konventionell oder 'besonders'?
-
Wie verhält
sich das Thema zur Handlung, wie werden wir über beide
orientiert?
-
Welche
weiteren materiell relevanten Eigenschaften wurden bei der
Handlungsdurchführung GEWÄHLT?
-
Wie 'passt'
die Handlung (und/oder ihr Thema) in den Kontext, in die
Situation mit den Interagierenden usw.?
Sandigs
Konzept des DURCHFÜHRENS mit stilistischem Sinn folgt damit
einem ▪ weiten
Stilbegriff, der "die gesamte Textgestaltung in ihren
kommunikativen Verwendungs-Relationen" (ebd.,
S.150) einschließt.
Die Stilkonzeption, die dieser
Auffassung zugrunde liegt, versteht sich als "integrative Stiltheorie"
(Spillner
1996, S.246). Danach wird Stil "als das Resultat aus der
Auswahl des Autors aus den konkurrierenden Möglichkeiten des
Sprachsystems und der Rekonstituierung durch den
textrezipierenden Leser/Hörer (aufgefasst)" (ebd.).
Nur im Wechselspiel zwischen den in den Text encodierten
Auswahlentscheidungen des Autors und den Reaktionen des Lesers
darauf, entstehen überhaupt Stileffekte.
Das schließt dementsprechend auch ein, dass "im Text kodierte
virtuelle Stilelemente bei der Lektüre nicht bemerkt und somit
nicht als Stil rekonstruiert werden." (ebd.,
S.247).
Verantwortlich können dafür verschiedene Momente sein.
-
Es kann
daran liegen, dass zwischen der Produktionszeit und
Rezeptionszeit eine zeitliche Distanz liegt, die
insbesondere bei der Wahrnehmung älterer
literarisch-stilistischer Textgestaltungen nur
wissenschaftlich durch Heranziehen von Wörterbücher,
Grammatiken und zeitgenössischen Stilistiken überwunden
werden kann.
-
Ebenso
möglich ist aber auch, dass abhängig vom Bildungsgrad, von
Leseerfahrungen, vom allgemeinen Umgang mit Literatur
und den sich verändernden Kompetenzen zur Rezeption
literarischer Texte bestimmte virtuelle Stilelemente wie z.
B. Ironie, Wortspiele oder Anspielungen von den Rezipienten
"überlesen" bzw. übersehen werden, und als Folge davon auch
nicht stilistisch relevant werden können. (vgl.
ebd.)