Das Thema ist keine objektive Textgröße und hat keine bestimmte
Gestalt
Das Thema eines Textes ist keine objektive Textgröße. Ebenso
wenig besitzt es eine bestimmte Gestalt. (vgl.
Brinker
1985/2001, S. 55; vgl.
Lahn/Meister 2013, S.206). Dies gilt für alle Arten von
Texten, egal ob es sich um ▪
kontinuierliche oder diskontinuierliche Texte (häufig auch
synonym: lineare und nicht-lineare Texte) handelt.
-
Kontinuierliche Texte
sind, wie das Vera-Projekt von 2005 (S.6) definiert, "fortlaufend geschrieben
[...] mit kontinuierlicher sprachlich realisierter
Themenentfaltung".
-
Diskontinuierliche Texte
sind dagegen "Texte, die nicht fortlaufend geschrieben sind" (ebd.).

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Unabhängig davon also, ob es sich bei einem Text sich um
einen Sachtext (
auch: pragmatischen Text,
Gebrauchstext,
nicht-fiktionaler Text)
oder einen
literarischen Text
(auch:
fiktionaler Texte) handelt, niemals lässt sich das
Thema also ohne Weiteres "im" Text finden. Das hat
auch dazu geführt, dass das Thema als eine nichtsprachliche
Größe aus streng textlinguistischen Betrachtungen ausgeschlossen
worden ist.
Themen steuern die Rezeption
Was ein
Rezipient für das Thema eines Textes hält, ist sehr
subjektiv und hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Dazu
zählen u. a. Horizont, Wissen, Bedürfnisse, Wertvorstellungen
und Leseerfahrungen. (vgl.
Lahn/Meister 2013, S.206)
Ob jemand, der einen Text liest bzw. rezipiert, bei der
Rezeption den Text bzw. das Bild in einen übergreifenden thematischen Zusammenhang stellt
oder nicht, ist zunächst einmal allein Sache des jeweiligen
Rezipienten. Tut man das aber, dann "sieht" und liest man das
Ganze unter dieser thematischen Perspektive und schreibt den
Dingen eine Bedeutung zu, die sich gewöhnlich an vertrauten
Mustern, Vorbildern und Schemata orientiert, über die man zum
Thema verfügt.
Themen spielen in der Kommunikation über Texte eine große Rolle
Was eine einzelne Person also zum Thema, zu Haupt- und
Nebenthemen eines Textes macht, ist solange es nicht Gegenstand
der Kommunikation über einen Text wird, ziemlich gleichgültig.
Kommuniziert man indessen über Texte, das tut man in der Schule
z. B. im Zusammenhang mit den verschiedenen
▪
Formen der Textwiedergabe,
dann erfolgt die dabei vorgenommene Themenzuschreibung
mit einem gewissen Anspruch auf "Objektivität".
Da es aber kein objektiv feststellbares Thema in einem Text
gibt, Texte zudem auch mehrere Themen haben können, bei denen
die einzelnen Themen nicht einmal einem "Hyper- oder Makrothema"
untergeordnet sind, sondern sich von Thema zu Thema hangeln,
ohne dass der ganze Text damit unzusammenängend (inkorärent)
wird (vgl. Vater
32001, S.75), ist damit gemeint, dass man das, was man für das Thema des
Textes hält, plausibel machen kann. Was plausibel gemacht
ist, sollte von einem anderen nachvollzogen werden können.
Dabei helfen einem sogenannte
Plausibilitätsstrategien. Mit ihrer Hilfe kann man das, was
einem selbst einleuchtet mit Aussagen, die sich auf den Text
beziehen und die insofern nachweisbare Textindizien darstellen,
verdeutlichen oder, ergänzend oder allein, mit verschiedenen
Kontexten, z. B. dem historischen Kontext, begründen. Was dabei
in Bezug auf das Thema herauskommen sollte, ist letzten Endes
aber trotzdem nicht mehr als "eine sinnvolle Diskussion über die
Thematik mit rationalen Argumenten" (vgl.
Lahn/Meister 2013, S.206)
Prinzipien und Verfahren der linguistischen Themenanalyse
Für die Analyse und Herausarbeitung einer plausiblen
Begründung des Themas kann man einer Plausibilitätsstrategie
folgen, die aus der ▪
Textlinguistik
stammt. Wichtig ist dabei, dass man das Thema als "begrifflichen
Kern" auffasst, der aus der "Konzentration und Abstraktion des
gesamten Textinhalts" gewonnen werden kann. (Mackeldey
1987, S.39, zit. n.
Vater 32001,
S.75)
Für
Brinker 1985/2001
stellt das Textthema "die größtmögliche Kurzfassung des Textinhalts"
dar. (ebd., S. 56, Hervorh. d. Verf.). Um zu ermitteln, was ein Leser
für das Hauptthema eines Textes hält, kann man drei Verfahren
anwenden:
-
Man kann untersuchen, ob das Thema eines Textes an einer
bestimmten Textstelle, in einem bestimmten Textsegment, mehr oder
weniger explizit genannt wird. Allerdings muss das Thema keineswegs
explizit genannt werden. Ist es aber der Fall, findet man es häufig
in Überschriften, es können
aber auch sogenannte "Themaworte" oder auch "Themasätze"
(van Dijk 1980,
S.50) sein, die an irgendeiner anderen Stelle des Textes
stehen. Mit ihnen erhält der Leser "ein Hilfsmittel für seine
»Mutmaßung«, wovon der Text handeln könnte" (ebd.)
bzw. erfährt, was im Text als Ganzes zur Sprache kommen
soll. Allerdings gibt es auch Sachtexte wie z.B. Predigten
die gar keine Überschriften haben und bei Glossen geben die
ihre Titel, den Inhalt des Textes in der Regel gar nicht
wieder oder führen u. U. absichtlich zunächst einmal in die
Irre. Im Übrigen kann es durchaus auch sein, dass ein Thema
erst am Ende der Textrezeption klar wird, weil der Autor
bzw. die Autorin des Textes möchte, dass sich die
Leser*innen "aus Neugier auf den Text einlassen, die
Rezeption nicht verweigern können." (Sandig
2006, S. 339)
-
Zudem kann
man seine Aufmerksamkeit darauf zu richten, ob bestimmte
Textgegenstände häufiger erwähnt werden. Textlinguistisch
kann man das mit dem vergleichsweise aufwändigen Verfahren
zur ▪
Analyse der grammatischen Wiederaufnahmestrukturen
(▪
explizite, ▪
implizite)
machen, die zeigen, wie ein Text einen oder mehrere
Ausdrücke in den nachfolgenden Sätzen als Bezugsausdruck
bzw. Bezugsausdrücke wieder aufnimmt, um dadurch für den
nötigen Textzusammenhang
(Kohärenz) in einem Text zu sorgen.
Verkürzt und sehr vereinfacht geht es darum, aus der
Häufigkeit, mit der von einer bestimmten Sache oder auch
einer Person die Rede ist, auf die thematische Orientierung
eines Textes zu schließen, was Aufschlüsse über
nachvollziehbare ▪ Haupt- und Nebenthemen geben kann.
-
Ist dies nicht der Fall kann man den Text zusammenfassend
und zugleich verkürzend
paraphrasieren. Was am Ende als "Kern
des Textinhalts" (Brinker 1985/200,
S.56)
"übrig" bleibt, lässt sich dann als
Thema auffassen. Dies kann stufenweise erfolgen, wenn die erste
Paraphrase erneut paraphrasiert wird usw.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
13.04.2023
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