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Fabel

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Formen erzählender Texte

 
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Die • Fabel ist in der Regel eine kurze Erzählung, die in Prosaform oder auch als Verserzählung vorkommt. In ihrer Prosaform wird sie im Allgemeinen zu den epischen Kleinformen gezählt. Was sie im epischen Präteritum erzählt, ist erfunden und soll den Leser bzw. Zuhörer belehren. Neben der Beispielerzählung, dem Spruchgedicht, dem Gleichnis und der Parabel wird sie auch als eine der parabolischen Formen der Beispieldichtung verstanden. (vgl. Braak 1969, S.162ff.) Ordnet man die Fabel zu den parabolischen Formen, dann werden die Grenzen zwischen Fabel und Parabel durchlässig, auch wenn dies in der Literaturwissenschaft durchaus umstritten ist.

Das auffälligste Merkmal der Fabel hebt sie von der Parabel ab. Denn während in dieser gewöhnlich Menschen die Akteure sind,  handeln in Fabeln hauptsächlich andere Figuren. Diese sind meistens Tiere, können aber auch Pflanzen sein oder auch sonstige Dinge des Alltags (z. B. Löwe, Fuchs, Maus - Eiche, Schilfrohr - Uhr, Topf). Manchmal kommen auch Mischwesen vor. Diese Figuren handeln, sprechen und fühlen wie Menschen. Diese Vermenschlichung der Figuren wird auch Anthropomorphisierung genannt. Bei Fabeln ist diese Anthropomorphisierung kennzeichnendes Gestaltungsprinzip auf allen Ebenen der dargestellten Welt, in diesem Sinne also global, so dass bei ihr auch von einer globalen Anthropomorphisierung gesprochen wird. während sie bei der Parabel höchstens als "allegorische Anthropomorphisierung" vorkommt, wenn "etwa der 'Neid' spricht - oder aber eine als ungewöhnlich oder wunderbar thematisierte 'partielle Anthropomorphisierung' [...] vorkommen darf". (Zymner 2006, S.117)  Andere Textsorten, die zumindest eine global anthropomorphisierte Figur enthalten, sind Märchen oder auch andere 'wunderbar' phantastische Texte. Ist sie vorhanden, "sind ansonsten alle möglichen 'Mischungen' im Figural erlaubt (von Göttern über allegorische Funktionen bis hin zu menschlichem Figural)." (ebd.)

Die "Vermenschlichung" in Fabeln geht allerdings nicht so weit, dass daraus individuelle Charaktere entstehen. Die handelnden Figuren in Fabeln sind stets Typen, wie Erika Schrader (1986) betont: "Sie sind Marionetten innerhalb eines nach einem bestimmten Plan ablaufenden Geschehens. Die Handlungsträger sind nur wichtig, insofern sie bestimmte Eigenschaften verkörpern, die im Verlauf der Handlung als positiv oder negativ bewertet werden." Dabei repräsentieren sie Stereotypen, die bei der Tierfabel auf den kulturell tradierten Vorstellungen von den Eigenschaften bestimmter Tierarten beruhen. (vgl. Auflistung bei Wikipedia: Tiernamen nach der germanischen Tradition) Als Beispiel eine Beschreibung des "Charakters" von "gemeinen" Eseln, wie sie im 17. Jahrhundert im "Neuen Thierbuch" (1718) von Johann Christoph Sartorius zu finden ist: "Der Esel ist ein faules träges Tier, welches alle Schläge, Stöße und andere Strafen verachtet, einer kalten melancholischen Natur, dünnen Hirns, furchtsam und recht unverschämt. ... Mancher Esel ist ein dummes und langweiliges Tier und wird deshalb häufig so sehr verachtet, dass auch etliche Menschen von der gleichen Art wegen Ungeschicklichkeit, auch Dummheit und unverschämter Grobheit, obwohl sie keine langen Ohren tragen, mit vollem Recht mit dem Eselnamen beehrt werden sollten.(S.64f.)
Dennoch: Die Figuren von Fabeln sind in der Regel "der bekannten Realität entlehnt", und daher auch nicht "an sich schon 'wunderbar' oder phantastisch" (Zymner 2006, S.117)  Genau so wenig soll die "antirealistische Erzählweise" keine Illusion eines tatsächlichen Geschehensablaufs hervorrufen. (vgl. Schrader 1986) Dies wird, wie Schrader weiter betont, schon daran sichtbar, dass der Handlungsablauf einer Fabel insgesamt konstruiert sei und von dem "Schematismus der Entgegensetzung von polaren Standpunkten bzw. Eigenschaften gekennzeichnet" sei.

Bei vielen Fabeln sei zudem festzustellen, dass sich die darin dargestellte Handlung als Umkehr einer vorgegebenen Rollenkonstellation beschreiben lasse, bei welcher der am Anfang überlegene Partner am Schluss unterlegen sei und umgekehrt. (vgl. ebd.)

Ursprünglich ist die Fabel wohl eine "eingekleidete Oppositionsdichtung" gewesen, die der Gesellschaft einen satirischen Spiegel vorhielt (vgl. Braak 1969, S.163). Die (moralische) Lehre, die sie erteilen wollte, war dabei in eine unterhaltsame Form gekleidet. Genau diese Doppelstrategie des Belehrens und Unterhaltens machte die Fabel auch zu einem "Kampfmittel in der politischen, sozialen und religiösen Auseinandersetzung" (Dithmar 1974, S.132), denn mit ihr ließ sich aussprechen, was unverblümt und explizit gesagt wohl eher auf Ablehnung gestoßen wäre. Indem die Fabeln das, was ihre Autoren der Kritik aussetzen wollten, mit ihrer globalen Anthropomorphisierung aus der unmittelbaren Realität ein Stück weit entrückt, kann sie diesen Zielen besonders gut gerecht werden.

Dieser Funktion dienen auch bestimmte Textsortenmerkmale von Fabeln. So trägt die Typisierung ihrer Akteure dazu natürlich einiges bei. Außerdem entlastet sie,  insbesondere bei der Tierfabel, den Erzählvorgang wegen "der feststehenden, allg. anerkannten Charaktereigenschaften der einzelnen Tiere (List des Fuchses, Majestät des Löwen u. ä.)" (von Wilpert 1969, S.248) von einer ausführlichen Charakterbeschreibung, die zu einer Individualisierung der Figuren führen könnte. Ebenso trägt die Tatsache dazu bei, dass sich das Geschehen einer Fabel im Allgemeinen an einem  einzigen Ort - oft einfach irgendwo in der Natur -  abspielt, in einer kurzen Zeitspanne, "die meist nicht länger währt, als ein kurzer Dialog (ggf. mit der anschließenden schnellen Tat) dauert" (Dithmar 1974, S.103,). So ist natürlich auch kein Raum für Nebenhandlungen.

Oft wird die Lehre, die aus der Fabel gezogen werden soll, am Ende in einem kurzen Spruch präsentiert. Nötig ist dies indessen oft nicht, denn die "Erläuterung im Nachwort (Epimythion) ist meist nicht erforderlich, da die Kontinuität des Vergleichs in allen Teilen trotz der logisch unmöglichen Verhältnisse (im Ggs. zur bloßen Übereinstimmung in einem Punkt bei Parabel und Gleichnis) den Sinn der Darstellung erkennen lässt."  (von Wilpert 1969, S.249) Dass die Fabel aber nicht für sich steht, machen die häufig an ihrem Ende stehenden Lehrsätze besonders deutlich.
Schrader (1986) sieht in der Fabel einen Beleg für einen außerhalb ihres Bildbereichs befindlichen Sachverhalt. Daher unterscheidet sie einen Bild- und einen Sachteil innerhalb der Fabel: "Der Bildteil realisiert sich in der erzählten Handlung, der Sachteil thematisiert die Beziehung dieser als Bild dargestellten Handlung auf den 'Sitz im Leben'. Das Grundmuster der Fabel wird konstituiert durch die Schilderung des Vorgangs in einer im Bild verschlüsselten Handlung (Information) und durch die Ausdeutung allegorischer Erzählung durch Formulierung einer Lehre (Interpretation). In vielen Fällen erscheint die Fabel nur als Bild; die Deutung des in der allegorischen Erzählung verschlüsselten Sachverhalts ist vom Leser zu leisten. Die Funktion der allegorischen Rede zielt darauf, einen Sinnzusammenhang durch einen anderen zu veranschaulichen, bzw. Ansichten, Wahrheiten, Regeln in der Form des Bildes einprägsam werden zu lassen."

Dabei ist es nach Erika Schraders Ansicht die besondere Verwendung des allegorischen Prinzips in der Fabel, das diese von anderen parabolischen Formen unterscheidet. So werde die Beziehung zwischen Bildteil und Sachteil, zwischen Erzählebene und Sinnebene, in der allegorischen Rede der Fabel bereits aus dem Erzählten selbst deutlich. Und aus diesem Grund sei auch der Bildteil ohne die Lehre verstehbar. (vgl. ebd.) Und das liege wiederum daran, dass aus der Art der Rollenkonstellation der Tiere und dem Handlungsverlauf (Rede - Gegenrede) schon im Bildteil die beabsichtigte Bedeutung thematisiert werde.

In der deutschen • Literaturgeschichte spielte die Fabel, deren antike Gestaltungen von Aesop durchaus bekannt waren, lange Zeit keine besondere Rolle. Erst in der Reformationszeit gewinnt sie, auch wegen der Übersetzung einiger Fabeln von »Aesop (um 600 v. Chr.) durch »Martin Luther (1483-1546), nach dessen Tod größere Bekanntheit und wird wegen ihrer lehrhaften Grundhaltung schnell beliebt. Allerdings brachte man ihr im 17. Jahrhundert offenbar wieder nur eine sehr geringe Wertschätzung entgegen. Dies änderte sich im 18. Jahrhundert mit dem Beginn der • Aufklärung, in der die Fabel "zu einer Leitgattung der Aufklärungsliteratur" wurde, die nach Ansicht der zeitgenössischen Fabel-Theoretiker "eine optimale Verbindung von Poesie und Belehrung" erlaubte. (Zymner 2006, S.118)  Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wurden Fabeln, insbesondere die "durch formale Virtuosität (Verse) und witzig-elegante, freie Ausgestaltung des Handlungsteils" (Metzler Literatur-Lexikon 21990, S. 148) von »Jean de La Fontaine (1621–1695) (Fables, 1668-1694), zu einem solchen Publikumserfolg beim vernünftig-moralisch eingestellten Bürgertum, dass sich die Fabelproduktion fast ins Uferlose steigerte. (van Rinsum 1986b, S.37)Dabei verstand man darunter offenkundig "verschiedenartige allegorische, d. h. ins Bild übertragene lehrhafte Texte, die wir heute am ehesten unter dem Oberbegriff Parabel fassen." (ebd.) Im Allgemeinen betonten die Fabeln des 18. Jahrhunderts die bürgerliche Lebensklugkeit mehr als die moralische Belehrung. Man bevorzugte eine episch-plaudernde, gefühlvolle oder galante Gestaltung in zierlichen Versen und legte Wert darauf, bestehende Motive zu erweitern oder neue zu erfinden (darunter auch Gegenstände des täglichen Lebens). (vgl. Metzler Literatur-Lexikon 21990, S. 148)

»Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) missfiel die heiter-lehrhafte Erzählweise bekannter deutscher Fabeldichter, wie z. B. »Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) (• Fabeln von Gellert), weil sie als Verserzählungen sich mit ihrem lyrisch-leichten, flüssigen und auch behaglich breiten Erzählstil sehr an La Fontaine orientierten. Lessing, der wieder an die Fabeltradition im Sinne Aesops anknüpfte, fand, dass die Fabel knapp gehalten sein und auf epische Ausschmückungen verzichten müsse, um als epigrammatisch knappe, schmucklose Prosafabeln mit treffsicherer Zuspitzung (ebd.) ihre aufklärerisch-belehrende Funktion erfüllen zu können. Seit Lessing wurde auch mehr und mehr auf den Lehrsatz am Ende (Epimythion) verzichtet, er sollte in der Fabel selbst verborgen sein und von den Rezipienten erschlossen werden. Seine selbstverfassten Fabeln gab Lessing 1759 unter dem Titel: "Gotthold Ephraim Lessings Fabeln. Drei Bücher. Nebst Anhandlungen mit dieser Dichtungsart verwandten Inhalts." heraus. (• Auswahl von Fabeln Lessings) In der ersten Abhandlung definiert er die Fabel wie folgt:

"Wenn wir einen allgemeinen moralischen Satz auf einen besonderen Fall zurückführen, diesem besonderen Fall die Wirklichkeit erteilen, und eine Geschichte daraus dichten, im welcher man den allgemeinen Satz anschauend erkennt: so heißt diese Erdichtung eine Fabel."

Seiner "Forderung nach rigoroser stilistischer Verknappung" (van Rinsum 1986b, S.36) hat er selbst in allegorischer Form Ausdruck verliehen. Die Fabel mit dem Titel •"Der Besitzer des Bogens" leitet das dritte seiner Drei Bücher (s.o.) ein:

"Ein Mann hatte einen trefflichen Bogen von Ebenholz, mit dem er sehr weit und sehr sicher schoss, und den er ungemein wert hielt. Einst aber, als er ihn aufmerksam betrachtete, sprach er: 'Ein wenig zu plump bist du doch! Alle deine Zierde ist die Glätte. Schade! - Doch dem ist abzuhelfen!' fiel ihm ein. 'Ich will hingehen und den besten Künstler Bilder in den Bogen schnitzen lassen.' - Er ging hin, und der Künstler schnitzte eine ganze Jagd auf den Bogen; und was hätte sich besser auf einen Bogen geschickt als eine Jagd?
Der Mann war voller Freuden. 'Du verdienst diese Zierraten, mein lieber Bogen!' - indem will er ihn versuchen; er spannt, und der Bogen zerbricht."

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts sind es »Konrad Pfeffel (1736-1809) (→(Politische) Fabeln von Gottlieb Konrad Pfeffel (1802)) und »Christian August Fischer (1771-1829) (→Die Mücke und das Licht), die außer dem didaktischen auch das oft spürbare revolutionäre Potential der Fabeldichtung betonten. Dabei tendieren ihre sozialkritischen und politischen Fabeln "zu allegorisierender Gleichsetzung (z. B. Hund = ausgebeuteter Höfling) und damit zur Auflösung der F(abel) in die Satire."  (Metzler Literatur-Lexikon 21990, S. 148) 

In irer Haupttendenz verliert die Fabeldichtung allerdings nach Lessing  ihr erwachsenes Publikum in Deutschland und wird mehr und mehr zur Kinderliteratur (z.B. Johann »Wilhelm Hey (1798-1854), »Fabeln für Kinder, 1883 und 1837) mit Bildern von Otto Speckter) (vgl.Braak 1969, S.163f.) Allerdings hat die Fabel auch in der neueren Literatur als Mittel der Zeitkritik eine Rolle gespielt. Autoren wie der US-Amerikaner James Thurber (1894-1961) und deutsche Schriftsteller wie »Wolfdietrich Schnurre (1920-1989), »Helmut Arntzen (geb. 1931), »Günther Anders (1902-1992) und »Gerhard Branstner (1927-2008) haben die Fabel auch im deutschsprachigen Raum wiederbelebt.

 Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 21.12.2023

    
   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie heraus, wodurch sich die Fabel von anderen parobolischen Formen unterscheidet.

  2. Wie verstehen Sie Lessings Fabel "Der Besitzer des Bogens"?

 
  
 

 
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