Zwei Aufgabenformate (EPA 2002)
Die ▪
literarische Erörterung
zählt schon seit langem zum festen Bestand der Aufsatzformen der Oberstufe
des Gymnasiums und hat auch als Abiturthema eine lange Tradition in
verschiedenen Bundesländern.
Als Aufgabentyp der schriftlichen
Abiturprüfung in
Baden-Württemberg
fällt sie der Neukonzeption der schriftlichen Abiturprüfung ab 2014 zum
Opfer und wird durch den
Essay als
Aufgabentyp IV ersetzt. (vgl.
Schreiben des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg v.
16.04.2008)
In den
Einheitlichen Prüfungsanforderungen in
der Abiturprüfung Deutsch (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom
01.12.1989 i. d. F. vom 24.05.2002, S.17), die inzwischen von den ▪
KMK-Bildungsstandards für das Abitur im Fach Deutsch
( ▪
BISTA-AHR-D 2012) abgelöst worden sind, ist die literarische Erörterung
als Aufgabe in zwei verschiedenen Formaten vorgesehen, die zum
▪
erörternden Erschließen
gezählt werden.

Die besondere Bedeutung der Aufgabenart ergibt sich aus der
Bedeutung, die Literatur in Kultur und Gesellschaft besitzt.
Literarische Erörterung mit und ohne Textvorlage
(vgl.
Schreibaufgabe)
Die unterschiedlichen Akzente der beiden Formen der
literarischen Erörterung kann die nachfolgende tabellarische
Gegenüberstellung verdeutlichen:
Literarische
Erörterung ohne Textvorlage |
Literarische
Erörterung mit Textvorlage |
Themen
-
Wahrnehmungsweisen, Menschenbilder, Gesellschaftsentwürfe und
Wirklichkeitsauffassungen, die in den literarischen Werken
dargestellt sind
-
Fragen
nach unterschiedlichen Arten der Gestaltung
-
werkübergreifende Fragen des literarischen und kulturellen
Lebens (auch als Vergleich mit einem anderen literarischen Werk)
-
gattungspoetische Fragestellungen,
-
Fragen
nach der literaturgeschichtlichen Einordnung von Texten, deren
Rezeption und Wertung
-
Aspekte
und Probleme des literarischen Lebens
|
-
ein Thema
erfassen, Begriffe bestimmen und erläutern
-
selbstständig
eine Gliederung entwickeln, die der Aufgabenstellung
angemessen ist, und
-
den eigenen
Zugriff auf das Thema deutlich werden lässt
|
Textvorlagen können sein:
-
vollständige Texte, meist kürzere Texte wie z. B. Gedichte,
Parabeln
-
Ausschnitten aus Ganzschriften
Themen- und Aufgabenstellung
|
-
sachangemessen
und selbstständig einen zu bearbeitenden Aspekt aus der
Literatur oder dem sprachlich-kulturellen Leben unter einem thematischen
Leitgedanken strukturieren
-
literaturgeschichtliche, motivliche, gesellschaftliche,
philosophische Zusammenhänge und Traditionen
erkennen und herausstellen
|
-
selbstständig
text- und themenadäquate Untersuchungs- bzw.
Vergleichskriterien ermitteln
-
Auffassungen
abwägen, voneinander abgrenzen und werten
-
strukturiert,
zielgerichtet und sprachlich korrekt argumentieren
-
begründet
Schlüsse ziehen und Stellung nehmen.
|
Die literarische Erörterung ersetzt oft die freie Problem-
und Sacherörterung
Die literarische Erörterung hebt sich durch ihre thematische Begrenzung
auf Fragen oder Problemfelder
aus dem Bereich der Literatur und Kunst von den Themenstellungen
der thematisch mehr oder minder freien Problemerörterung bzw. Texterörterung
ab. Da man aber schon lange von allgemeinen Themen zur
freien Problem- und Sacherörterung im Abituraufsatz deutlich abgerückt ist, trat die
literarische Erörterung mehr und mehr an die Stelle, die früher einmal der
freien Erörterung zugedacht gewesen war.
Aus diesem Grunde entwickelte sich auch mehr und mehr die
Vorstellung, dass das, was im Abitur (frei) erörtert werden sollte,
zusehends an die in der Oberstufe zur Pflicht gemachten Lektüren anknüpfte.
Geschah dies mit dem Hinweis auf eigene Leseerfahrungen (vgl.
Projekt Lesen), dann blieb deren Einbezug noch vergleichsweise frei.
Doch immer stärker rückte die Aufsatzform an die literarischen
Themenstellungen heran, die sich der Interpretation eines bestimmten
literarischen Werkes widmeten. Der thematische Horizont zwischen
Pflichtlektüren und literarischer Erörterung konvergiert heutzutage in
besonders ausgeprägter Weise: werkübergreifende, aber auf die
Pflichtlektüren bezogene Themen überwiegen heute freier gestellte Aufgaben
bei weitem. Dies trifft wohl auch auf Abituraufgaben zu, die auf der
Grundlage der Bildungsstandards erstellt werden.
-
Dies ist, angesichts der Tatsache, dass viele Schülerinnen und
Schüler heutzutage kaum über mehr als die schulisch vermittelten Leseerfahrungen im Umgang mit belletristischer Literatur verfügen, natürlich
nicht zum Nachteil eines großen Teils gegenwärtiger Abiturientinnen und
Abiturienten.
-
Und dass die Aufgabenart "literarische Erörterung"´, wie in
den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Deutsch (EPA)
2002 niedergelegt, ihren festen Platz neben der
freien Problem- und Sacherörterung (vgl.
Operator Erörtern) erhalten hat, ist somit nur konsequent.
-
Zugleich ist freilich zu betonen, dass gerade die literarische Erörterung
eine im Allgemeinen sehr anspruchsvolle Aufgabe darstellt, da sie
umfangreiche Kenntnisse über die Pflichtlektüren, sowie Reflexionsleistungen
über grundlegende anthropologisch-gesellschaftliche oder kulturästhetische
Sachverhalte erfordert. Ohne eine gute, speziell auf diese Aufgabenart
fokussierte Vorbereitung werden Schülerinnen und Schüler den komplexen
Anforderungen wohl kaum gerecht werden können.
Die KMK-Bildungsstandards haben kompetenzorientierte
Elemente der EPA aufgegriffen und weiterenwtickelt
Die
Bildungsstandards ( ▪
BISTA-AHR-D 2012)
haben die "Vorgaben der Einheitlichen Prüfungsanforderungen (EPA) für
die Gestaltung der Abiturprüfungen [...] überarbeitet und in die
Dokumentation der Bildungsstandards integriert." Sie haben diese
abgelöst und zugleich "kompetenzorientierte Elemente der EPA"
aufgegriffen und weiterentwickelt. (BISTA-AHR-D,
S.6)
Diese wird an den ▪
Leistungsanforderungen der KMK-Bildungsstandards deutlich, die auf
der Basis von zwei Niveaus differenziert wurden.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.03.2023
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